Samstag, 18. Juli 2015

Ben Bernanke: Strukturreformen sind nicht erstrangig

Nach der Bekanntgabe eines neuen Rettungspakets für Griechenland befasst sich Ben Bernanke in seinem Blog mit der anhaltenden Krise in der Eurozone.

Der ehemalige Fed-Präsident stellt rhetorisch die Frage, ob die europäischen Entscheidungsträger die breit angelegte wirtschaftliche Erholung liefern können, die benötigt wird, um Ländern in Not wie z.B. Griechenland eine vernünftige Chance zu geben, um Zielsetzungen in Bezug auf das Wachstum, die Beschäftigung und die Fiskalpolitik zu erfüllen.

Die Antwort auf seine Frage liegt auf der Hand: Performance der Eurozone ist zutiefst enttäuschend, um es milde auszudrücken.

Die schwache Erholung von der Krise ist laut Bernanke im Wesentlichen auf drei Faktoren zurückzuführen: 

(1) Der politische Widerstand, der die Umsetzung einer aggressiven Geldpolitik durch die EZB verhindert hat, 

(2) Eine übermässig restriktive Fiskalpolitik, v.a in Deutschland, wo es einen finanzpolitischen Spielraum vorhanden wäre und keine unmittelbare Notwendigkeit besteht, die Gürtel enger zu schnallen, 

(3) Verzögerungen , die notwendigen Schritte zu tun, wie z.B. Stress-Tests mit Banken in den USA im Jahr 2009, um das Vertrauen in das Bankensystem wiederherzustellen.



Arbeitslosigkeit: USA vs. Eurozone, Graph: Ben Bernanke in Brookings


Bemerkenswert ist, was Bernanke von Strukturreformen, die die EU-Behörden seit fast fünf Jahren vorantreiben wollen, hält. 

Der an der Brookings Institution forschende Wirtschaftsprofessor sagt, ohne mit der Wimper zu zucken, dass strukturelle Reformen für das langfristige Wachstum wichtig sind: Sparmassnahmen sind weniger relevant, wenn viele Menschen arbeitslos sind. Strukturelle Probleme exisitieren in Europa ohnehin schon seit langer Zeit. Die träge Erholung der Wirtschaft kann deshalb in der Gegenwart mit dem Hinweis darauf nicht erklärt werden.

Fazit: Bernanke hinterfragt also in aller Deutlichkeit den heiligen Status von Strukturreformen in Europa. Das ist hervorragend. 

Während Ökonomen, die sich am Lehrbuch der Volkswirtschaft halten, und die stumpfsinnige Austeritätspolitik in der Eurozone mit vernünftiger Begründung ablehnen, als radikal zurückgewiesen und übel beschimpft werden, finden die sog. Very Serious People Gehör. Leider. Und Leittragende sind Millionen von Menschen, die sich selbst überlassen, ohne Arbeit irgendwie über die Runden kommen müssen.






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