Mittwoch, 29. Juli 2015

Sollen die Notenbanker nur über die Geldpolitik reden?

Simon Wren-Lewis nimmt eine aktuelle Aussage von Andrew Haldane (dem executive director von Bank of England for financial stability) zum Anlass, ein umstrittenes Thema in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken: Sollen die Notenbanker nur über die Geldpolitik reden und keine politische Ratschläge erteilen?

Haldane hat neulich das britische Modell von corporate governance in Frage gestellt und des short-terminism bezichtigt. In Grossbritannien gibt es seit langer Zeit Forderungen, das deutsche Modell zu übernehmen.

Es wird oft gesagt, dass die Zentralbanker sich in Bezug auf politische Fragen, die nicht zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehört, zurückhalten sollen, als Teil einer impliziten Gegenleistung (quid pro quo) mit Politik, sodass Politiker darauf verzichten, ihre Meinung über die Geldpolitik in der Öffentlichkeit kundzutun, erklärt Wren-Lewis.

Abgesehen davon, dass die EZB (*) keine Kenntnis davon nimmt, wundert sich der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor, ob es sich dabei um eine Fiktion handelt, damit die Politiker die Zentralbanker bremsen können, sich über Themen zu äussern, die die Politiker vielleicht umständlich finden, wie z.B. dass die Austeritätspolitik (fiscal austerity) unser Leben erschwert.

In einem Land wie Grossbritannien ist es nicht klar, was die Bank of England (BoE) aus quid pro quo ausmacht, so Wren-Lewis weiter. Und wenn es jemanden wie Haldane mit der weit reichenden Vision davon abhält, Fragen aufzuwerfen, nur weil sie als politisch erachtet werden könnten, muss man sich wundern, ob diese gegenseitige öffentliche Unterbindung einem sozialen Zweck dient.

Es besteht die Gefahr, dass die Zentralbank politisiert wird, wenn z.B die Fed heiss diskutierten politischen Grundsatzfragen Stellung nimmt, bemerkt Mark Thoma dazu in seinem Blog und deutet auf einen Artikel von Willem Buiter im Februar 2007 hin. 

Ich glaube, dass es ein grosser Fehler für die Notenbanker ist, ihre Ansichten über politisch strittige Fragen ausserhalb ihrer Mandate öffentlich zum Ausdruck zu bringen, bemerkt Buiter. Der Fehler ist nicht weniger ernst, nur weil sie häufig von Zentralbanker in der ganzen Welt begangen wird, so der Chefökonom der Citigroup weiter.

Die Fiskalpolitik hat eine klare Verbindung mit der Geldpolitik, durch die Haushaltsbeschränkungen, die die Regierung festlegt. Und es gibt auch Zeiten, wenn die Geldpolitik die Hilfe der Finanzpolitik braucht. Daher hat Thoma kein Problem damit, wenn die US-Notenbank sich zu aktuellen Fragen der Fiskalpolitik äussert, wie z.B. Bernanke es getan hat.

Er habe aber ein bisschen Mühe damit, wenn es um das Thema “Ungleichheit” geht, betont der an der Oregon University lehrende Wirtschaftsprofessor. Zur Erinnerung: Janet Yellen, Nachfolgerin von Bernanke als Fed-Chefin hat darüber gesprochen und Reaktionen auf der rechten Seite des politischen Spektrums ausgelöst.

Es ist daher laut Thoma schwer zu sehen, wie das Thema mit dem geldpolitischen Mandat der Fed in Verbindung steht. Und die Republikaner versuchen währenddessen, die Befugnisse der US-Notenbank zu kürzen.

Das mag ein zu vorsichtiger Ansatz sein. Aber die Fed sollte vielleicht sich frei fühlen, und was auch das Thema immer ist, darüber reden. Die  Unabhängigkeit der Fed war während der Great Recession massgeblich. Sonst wäre die Geldpolitik so schrecklich wie die Fiskalpolitik. Das heisst, dass die Dinge viel schlimmer gewesen wären. Thoma würde deshalb kein Risiko eingehen: Er ist also mit Buiter in dieser Hinsicht einverstanden.


(*) Es ist schon rätselhaft, wie die EZB weiterhin auf die Regierungen einwirken kann, fiskalpolitische und andere Massnahmen zu treffen, die ihren eigenen Modellen zufolge, die Produktion (output) und gleichzeitig die Inflation schrumpfen lassen würden, während sie selbst die Kontrolle darüber verliert.



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