Dienstag, 14. Juli 2015

Austeritätspolitik entpuppt sich als Putsch

Es gibt keinen Zweifel daran, dass Deutschland bestimmt, wo es in der Eurozone lang geht. Es ist quasi eine Alleinherrschaft, mit freundlicher Unterstützung der fügsamen Regierungen Nordeuropas. Auch Frankreich scheint kein Rückgrat zu haben.

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble spielen dabei die Rolle von “guter Bulle, böser Bulle” nahezu vollkommen. Während manche Protagonisten darüber spekulieren, ob der eine der anderen in den Rücken fällt, fliesst noch viel Wasser den Rhein runter.  Klischee in der gegenwärtigen Popularkultur Europas? Keineswegs!

Barry Eichengreen schreibt in einem lesenswerten Artikel (“Saving Greece, Saving Europe”) in Project Syndicate, dass Deutschland will, dass Griechenland zwischen dem wirtschaftlichen Zusammenbruch und Grexit wählen muss. Beide Optionen bedeuten wirtschaftliche Katastrophe; die erste, wenn nicht beide, wäre auch politisch verheerend.

Der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor hatte in einer Studie 2007 festgehalten, dass kein Mitgliedstaat die Eurozone freiwillig verlassen würde, weil die ökonomischen Kosten einer solchen Entscheidung enorm wären.

"Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Deutschland einen Mitgliedstaat zum Austritt zwingen würde. Denn das wäre die Auswirkung von politisch und wirtschaftlich untragbar perversen Bedingungen, die das deutsche Finanzministerium vorlegen würde", erläutert Eichengreen.

Wolfgang Schäubles Idee einer vorübergehenden “time out” aus dem Euro ist angesichts der zerfallenden Wirtschaft und der wachsenden humanitären Krise im Land lächerlich, so Eichengreen weiter: Das neue Programm ist pervers, weil es Griechenland tiefer in die Depression schickt.

Wolfgang Münchau hält Schäubles Vorschlag eines zeitlich begrenzten Austritts aus dem Euro einfach für wahnsinnig. Ein Mitgliedstaat schmeisst einen anderen Mitgliedstaat aus der Eurozone.

Das ist der wirkliche Coup vom Wochenende, nicht nur ein Regimewechsel in Griechenland, sondern auch ein Regimewechsel in der Eurozone, so Münchau mit Nachdruck in einem lesenswerten Kommentar (“Greece’s brutal creditors have demolished the Eurozone projects”) in FT

Jedes andere Land, das in Zukunft die deutsche Wirtschaftsorthodoxie herausfordert, wird sich ähnlichen Problemen gegenübergestellt sehen, unterstreicht der Direktor von Eurointelligence

Kevin O’Rourke redet nicht lange um den heissen Brei. Der Ökonom aus Irland schreibt in seinem Blog, dass es sich dabei um die neu und eigennützige deutsche Doktrin handelt, wonach defaults in der Eurozone unmöglich sind.

Die Lehre aus den Verhandlungen zwischen der Troika und Griechenland in den vergangenen Monaten ist, dass es reine Zeitverschwendung ist, mit Deutschland zu verhandeln, so der an der University of Oxford, All Souls College, lehrende Wirtschaftsprofessor.

Nun hagelt es Boykott-Aufrufe auf Twitter wegen der von Deutschland tatkräftig gesteuerten Austeritätspolitik. 


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