Paul
Krugman deutet in seiner
lesenswerten Kolumne (“Liberals and Wages”)
am Freitag in NYTimes auf die erste grosse Rede von Hillary Clinton über die Wirtschaft hin.
Frau Clinton’s Kernbotschaft ist, dass die
Regierung ihren Einfluss nutzen kann und sollte, um für höhere Löhne zu sorgen.
Clinton’s Rede reflektiert grosse Veränderungen
(stark durch die Evidenz gestützt) in unserem Verständnis davon, wie die Löhne zustande
kommen. Und eine entscheidende Implikation ist, dass die öffentliche Hand viel
tun kann, um Arbeitnehmern zu helfen, ohne den Zorn der unsichtbaren Hand zu
besänftigen, legt der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor dar.
Viele Ökonomen pflegten bisher zu denken, dass der
Arbeitsmarkt ziemlich genau wie der Markt für etwas anderes funktioniert. Das
heisst, dass die Löhne vollständig durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden.
Wenn also die Löhne für viele Arbeitnehmer stagnieren oder rückläufig sind,
muss es damit zu tun haben, dass die Nachfrage nach dieser Art von
Dienstleistungen falle.
Insbesondere schreibt die gängige Meinung die
wachsende Ungleichheit dem technologischen Wandel zu, wodurch die Nachfrage
nach hoch-qualifizierten Arbeitnehmern steige, während nach der blue-collar Arbeit sinke, wie Krugman
schildert. Und es gebe nichts, was die Politik gegen diesen Trend unternehmen
könne.
Lohn-Stagnation unter Hochschulabsolventen in den
USA, Graph: Economic Policy Institute -
epi
Aber das Argument für “skill-biased technological change” (den von den Fertigkeiten
geprägte Wandel) als Hauptreiber der Lohnstagnation ist längst in sich zusammengebrochen.
Ein hohes Bildungsniveau bietet keine Garantie für
steigende Einkommen, argumentiert Krugman weiter: Löhne der Hochschulabsolventen verlaufen, um die Inflation bereinigt, seit 15 Jahren
flach wie ein Brett.
Inzwischen hat sich unser Verständnis von
Lohnfestsetzung durch eine geistige Revolution verwandelt, so der Träger des Nobelpreises
für Wirtschaftswissenschaften.
Die Ökonomen David
Card und Alan Krueger
untersuchen die Auswirkungen eines Mindestlohn-Anstiegs in einem Bundesstaat in
Bezug auf die Beschäftigung. Die Autoren beobachten dabei die Veränderungen am Fast-Food Sektor. Das ist ein
Sektor, wo die Auswirkungen des Mindestlohn-Anstiegs am ausgeprägtesten entfaltet
werden.
Ein Beispiel: New Jersey hat den Mindestlohn erhöht,
Pennsylvania aber nicht. Bis zur Vorlage der Studie von Card und Krueger glaubten viele Ökonomen, dass der Anstieg des Mindestlohns eine eindeutige
negative Auswirkung auf die Beschäftigung hätte. Doch zeigen die Autoren einen
positiven Effekt. Das Ergebnis wurde bislang durch die Verwendung von vielen anderen Zeitperioden bestätigt. Es gibt folglich keine Beweise, dass Mindestlohnerhöhung
Arbeitsplätze kostet, v.a. wenn man den günstigen Ausgangspunkt des modernen
Amerikas zugrunde legt, argumeniert Krugman.
Der Arbeitsmarkt funktionert nicht wie der Markt
für Weizen, weil die Arbeitnehmer Menschen sind. Und weil sie Menschen sind,
gibt es wichtige Vorteile, auch für die Arbeitgeber, mehr Lohn zu bieten:
bessere Arbeitsmoral, weniger Fluktuationen von Arbeitskräften, erhöhte
Produktivität usw. Diese Vorteile kompensieren die höheren Kosten, die damit
einhergehen mögen, weitgehend, sodass eine Mindestlohn-Erhöhung keine Arbeitsplätze
kosten muss.
Die neu gewonnene Erkenntnis aus dieser geistigen
Revolution ist natürlich, dass die Mindestlöhne erhöhen werden sollten, hält Krugman
als Fazit fest. Es gibt allerdings auch weit reichendere Auswirkungen: Nimmt
man das, was man aus den Studien über Mindestlohn lernt, ernst, realisiert man,
dass sie für die schlechtesten bezahlten Arbeitnehmer einfach nicht relevant
sind.
Es steckt also viel mehr hinter Hillary Clinton’s
Rede als die meisten Kommentatoren auf den ersten Blick wahrnehmen mögen.
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