Donnerstag, 1. Januar 2015

Eine nachfragebedingte Rezession auf der Nullzins-Grenze

Man stelle sich vor, wir haben eine nachfragebedingte Rezession und es gibt keine Inflationsgefahr. Seit geraumer Zeit unterlaufen die Zentralbanken das feste Inflationsziel auf beiden Seiten des Atlantiks. Das heisst, dass von der Zielinflation nach unten abgewichen wird.

Dennoch hält die Rezession an. Das ist eine skandalöse Verschwendung, schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog. Denn das Problem kann einfach gelöst werden, und zwar mit vielen Gewinnern und keinem Verlierer.

Der einzige Grund, warum dies für viele Menschen nicht auf der Hand liegt, ist, dass es eine „institutionelle Trennung zwischen der Geld- und Fiskalpolitik“ gibt, argumentiert der an der Oxford University in London lehrende Wirtschaftsprofessor.

Dem Lehrbuch nach kann eine nachfragebedingte Rezession nicht existieren, wenn das feste Inflationsziel der Zentralbank unterboten wird, weil das Problem technisch einfach gelöst werden kann.

„Wenn ich ein wohlwollender Diktator wäre, verantwortlich für die Geld- und Fiskalpolitik, gäbe es keine Stagnation in meiner Volkswirtschaft“, schildert Wren-Lewis weiter. Die Art und Weise, wie dies die meiste Zeit zu bewerkstelligen ist, ist die Anpassung der Zinsen via Erhöhung oder Senkung.

Wenn die Wirtschaft aber an die Nullzins-Grenze (zero lower bound) gerät, gibt es eine ganze Reihe von alternativen Instrumenten, von Steuersenkungen bis zu erhöhten Transfers zugunsten von Konsumenten oder Erhöhung der Staatsausgaben. Keine makroökonomische Theorie deutet darauf hin, dass eines dieser Instrumente fehlschlagen würde, die Nachfrage anzukurbeln.



Zentralbanken unterlaufen die Zielinflation in G10-Ländern (einzige Ausnahme: Kanada), Graph: Morgan Stanley

Nur, welches Instrument auch immer eingesetzt wird, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in einer Liquiditätsfalle anzuregen, muss es finanziert werden. Das kann geschehen, z.B. durch die Ausgabe von Anleihen (d.h. Erhöhung der Staatsausgaben) oder die Schaffung von Geld.

Die einzige Hinterlassenschaft dabei ist (abgesehen von glücklichen Menschen) ein höherer öffentlicher Schuldenstand oder Geld im Umlauf. In der Regel wird Regierungen Finanzierung via Anleiheemission nahegelegt. Angenommen es gibt einige Einschränkungen dafür. Dann kann Wren-Lewis in seiner Rolle als wohlwollender Diktator Geld schaffen, was in der Literatur als money financed fiscal stimulus genannt wird; ein durch Geldschaffung finanziertes Konjunkturprogramm. Das ist sicherlich eine Möglichkeit, um eine nachfragebedingte Rezession in einer Liquiditätsfalle zu beenden.

Wenn die höhere Geldmenge sich aber später all zu hoch erweisen sollte, wenn die Wirtschaft sich also erholt, dann kann sie mit verschiedenen Mitteln reduziert werden. Und es wird zu keiner Inflation kommen, die über dem Zielwert der Zentralbank liegt. Technisch ist es daher unproblematisch, da braucht sich Wren-Lewis als wohlwollender Diktator keine Sorgen zu machen.

Ausserdem ist Geldschaffung für einen befristeten Zeitraum genau das, was die Zentralbanken in Grossbritannien, den USA und in Japan mit der QE-Politik (quantitative easing) in den vergangenen Jahren deutlich gezeigt haben.

Das Problem ist, dass die unkonventionellen Massnahmen nicht durch ausreichende Steuersenkungen, erhöhte Transfers oder höhere Staatsausgaben begleitet wurden. Geldschaffung, um Finanzanlagen zu kaufen, ist im Vergleich zum money financed fiscal stimulus deshalb ein unzuverlässiger Weg, um die Nachfrage anzukurbeln.

Daher hat Wren-Lewis recht, die (nachfragebedingte) anhaltende Stagnation der Wirtschaft als eine riesige Verschwendung von Ressourcen zu bezeichnen, wie wir sie anhand einer sich besonders schwach erholenden Wirtschaft in den USA, aber noch langsamer in Grossbritannien beobachten. In der Eurozone gibt es nicht einmal Anzeichen einer Erholung.

Das alles geschieht in der realen Welt, weil wir uns auf „Geld- und Fiskalpolitik als Etiketten“ festlegen. Entscheidungsträger könnten auch innerhalb der geltenden institutionellen Rahmenbedingungen überzeugt werden, dass die Haushaltskonsolidierung auf kurze Sicht keine Priorität geniessen müsste, solange im Angesicht der Nullzins-Grenze keine Inflationsgefahr existiert.



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