Freitag, 23. Januar 2015

Europas Amtsträger der Austerität und Altmeister der Deflation

Die Vereinigten Staaten und Europa haben viel Gemeinsames. Beide sind multikulturell und demokratisch. Beide sind steinreich. Beide besitzen jeweils eine Währung mit globaler Reichweite. Beide haben zwischen 2000 und 2007 leider eine riesige Immobilien- und Kreditmarktblase erfahren und nach dem Platzen der Blase schmerzhafte Einbrüche erlebt, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Much Too Responsible“) am Freitag in NYTimes.

Seither hat sich aber der Verlauf der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks auseinander entwickelt. In einer grossen Volkswirtschaft legten die Behörden eine strenge Miene in Sachen fiskal- und geldpolitische Tugend an den Tag. Es wurden enorme Anstrengungen in Bezug auf Haushaltskonsolidierung gefordert. Zugleich wurde das Gespenst der Inflation an die Wand gemalt. In der anderen grossen Volkswirtschaft war es dem jedoch nicht so, schildert der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor.

Und der Unterschied in der Einstellung ist der Hauptgrund, dass die zwei Volkswirtschaften nun auf verschiedenen Wegen sind.Nein, es ist nicht „morning in America“, so Krugman weiter. Die Erholung der Wirtschaft hätte viel schneller kommen können und sollen. Und Familieneinkommen verbleiben weit unter dem Niveau vor der Krise. Obwohl man von der öffentlichen Diskussion nie weiss, gibt es eine überwältigende Zustimmung unter den Ökonomen, dass das Konjunkturprogramm der Obama-Regierung 2009/10 dazu beigetragen hat, den Schaden zu begrenzen. Es war aber zu klein und klang zu rasch wieder ab.

Europa auf der anderen Seite hat fast alles falsch gemacht. In Sachen Fiskalpolitik hat Europa kaum Stimulus geboten und es hat sich schnell an die Austerität zugewandt, trotz der hohen Arbeitslosigkeit: In Sachen Geldpolitik wurde offiziell eine Schlacht gegen eine imaginäre Inflation geschlagen. Und es hat Jahre gebraucht, bis die europäischen Behörden die reale Gefahr der Deflation zur Kenntniss nahmen, unterstreicht Krugman zu Recht.



Cyclically adjusted primary balances: USA versus Europa, GraphProf. Paul Krugman

Das ist der um konjunkturelle Effekte bereinigte Haushaltssaldo (das strukturelle Defizit). Das ist m.a.W. der Haushaltssaldo ohne die automatischen Stabilisatoren


Die Geldpolitik hat sich verbessert, nachdem Mario Draghi zum Präsidenten der EZB Ende 2011 wurde. Aber es ist laut Krugman überhaupt nicht klar, dass Draghi die Werkzeuge hat, um die breiten deflationären Kräfte, die sich durch jahrelange verbohrte Politik in Gang setzten, abzuwehren.

Das Schlimme ist, dass Europas Wirtschaft im Namen der Verantwortung zerstört wurde. Haushaltskonsolidierung und Hard money-Besessenheit sind in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft zutiefts unverantwortlich, hält Krugman fest. Dadurch wird die Wirtschaft nicht nur auf die kurze Frist schwer belastet, sondern auch das Potenzial der Wirtschaft wird beschädigt, was den Abrutsch in eine Deflationsfalle, der zu entkommen sehr schwer ist, beschleunigt.

Das war laut Krugman nicht ein unschuldiger Fehler. Was mit europäischen Amtsträgern in Bezug auf die Austerität und ihrer Doyens in Sachen Deflation auffällt, ist ihre Zügellosigkeit, so Krugman: sie fühlten sich wohl, emotional und politisch, Opfer zu fordern (von anderen Menschen) zu einem Zeitpunkt, wo die Welt mehr Ausgaben gebraucht hätte. Und sie waren alle zu eifrig, um Nachweise, dass sie falsch lagen, zu ignorieren.

Europa wird den Preis für seine Hemmungslosigkeit auf Jahre hinaus bestimmt zahlen müssen, so Krugman als Fazit.



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