Die gestrige Ankündigung der SNB, den Mindestkurs (von 1,20 CHF pro EUR) aufzuheben, war völlig überraschend und hat
epische Verwerfungen in den Finanzmärkten weltweit ausgelöst.
Schliesslich kommt es nicht alle
Tage vor, dass die Währung (CHF) einer modernen Volkswirtschaft gegenüber der
Währung (EUR) einer anderen fortentwickelten Wirtschaftsregion (EU) plötzlich
um 30% aufwertet.
Welche Parameter standen aber im
Spiel?
Die EZB schickt sich an, eine QE-Politik
auf die Beine zu stellen. Anzeichen mehren sich, dass Mario Draghi demnächst tatsächlich
ein breit angelegtes Staatsanleihen-Kaufprogramm vorstellt, zumal die
Rückendeckung durch das Gutachten des Generalanwalts des EU-Gerichtshofs
inzwischen gesichert ist.
Das bedeutet, dass die EZB EUR
Staatsanleihen kaufen wird; praktisch die Anleihen, die die SNB seit der
Einführung des Mindestkurses im September 2011 vorzugsweise kauft.
Die SNB hat nun in Erwartung
einer bevorstehenden QE-Politik durch die EZB im Dezember 2014 und im Januar
2015 am Devisenmarkt interveniert und allem Anschein nach EUR Staatsanleihen (im
Wert von ca. 9 Mrd. EUR) erworben.
In der Medienmitteilung begründet
die SNB die Aufgabe des Mindestkurses mit dem Hinweis auf die Unterschiede in
der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume: Der EUR hat sich
gegenüber dem USD deutlich abgewertet und der CHF ist zum USD abgeschwächt.
EUR/CHF Wechselkurs und
Kaufkraftparität (PPP), Graph: ZKB
Die SNB sieht also in Zukunft den
USD stärker und den EUR schwächer werden und zieht daher die Reissleine, nach
dem Motto „besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, was
natürlich auch als Kapitulation interpretiert werden und die Glaubwürdigkeit
der SNB ankratzen kann. Aber Thomas
Jordan, SNB-Präsident hat in der
Fragestunde der Pressekonferenz gesagt, dass „wir nicht in einem
geldpolitischen Paradies leben“.
Ob es im Vorfeld einen
politischen Druck gab, wissen wir nicht. Schliesslich war der Mindestkurs als
unkonventionelles Mittel in einer Extremstituation eingeführt worden, um die Preisstabilität
zu gewährleisten. Der geldpolitische Handlungspielraum wird ohne Zweifel enger,
wenn die nominalen Zinsen nahe Null liegen (zero
lower bound).
Die von der globalen Finanzkrise
ausgelösten Erschütterungen machten, wie Jordan vor genau einem Jahr unterstrichen hat, auch vor der Schweiz nicht halt.
Seither bedroht ein Deflationsrisiko (durch eine massive Aufwertung des
Frankens) die Schweizer Wirtschaft.
EUR/CHF Wechselkurs am 15. Januar
2015, Graph: FT
Die Frage, die sich stellt, ist daher,
warum die SNB überhaupt unkonventionelle Massnahmen hat ergreifen müssen?
Die Deflationsgefahr hat ihren
Ursprung in der von Brüssel durchgeführten und durch Berlin aufgezwungenen Austeritätspolitik
in der Eurozone. Werden die Gürtel in einer Depression enger geschnallt, wird
das Wachstum abgewürgt. Die Austeritätspolitik hat nicht nur die Output
reduziert, sondern auch zu Massenarbeitslosigkeit geführt.
Vor diesem Hintergrund sagt die
Überschrift („Shocked by the Swiss Franc?
Blame Europe“) eines Kommentars im BloombergView mit kurzen Worten sehr viel.
Die SNB hat aber nicht nur den
Mindestkurs aufgehoben, sondern auch die Zinsen weiter gesenkt, womit v.a. die
anderen Zentralbanken in fortentwickelten Volkswirtschaften unter Zugzwang
geraten, die Geldpolitik weiter zu lockern.
Gibt es kein Risiko? Doch: Die
SNB hat zwar einen Regimewechsel vollzogen, aber in die falsche Richtung,
schreibt Paul Krugman in seinem Blog. Das Handtuch-werfen bedeutet,
dass die SNB ihre bisherige Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt, alles zu
unternehmen, um die Deflationsgefahr zu bekämpfen.
Da die herkömmliche Geldpolitik an der Nullzins-Grenze an Zugkraft verliert, muss eine Notenbank erstens versuchen, die Marktteilnehmer von einem Regimewechsel zu überzeugen. Und zweitens muss man mit Spillovers der SNB-Entscheidung rechnen, weil die Marktteilnehmer die Wirkung der unkonventionellen Massnahmen der anderen Notenbanken in Frage stellen könnten.
PS:
Die SNB erwartet für das
Geschäftsjahr 2014 einen Gewinn von 38 Mrd. CHF. Das heisst, dass
die SNB im Sog der Krise doch nicht so schlecht gefahren ist, wie der Eindruck heute in den Medien vermittelt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen