Freitag, 16. Januar 2015

Die SNB gibt den Mindestkurs auf

Die gestrige Ankündigung der SNB, den Mindestkurs (von 1,20 CHF pro EUR) aufzuheben, war völlig überraschend und hat epische Verwerfungen in den Finanzmärkten weltweit ausgelöst.

Schliesslich kommt es nicht alle Tage vor, dass die Währung (CHF) einer modernen Volkswirtschaft gegenüber der Währung (EUR) einer anderen fortentwickelten Wirtschaftsregion (EU) plötzlich um 30% aufwertet.

Welche Parameter standen aber im Spiel?

Die EZB schickt sich an, eine QE-Politik auf die Beine zu stellen. Anzeichen mehren sich, dass Mario Draghi demnächst tatsächlich ein breit angelegtes Staatsanleihen-Kaufprogramm vorstellt, zumal die Rückendeckung durch das Gutachten des Generalanwalts des EU-Gerichtshofs inzwischen gesichert ist.

Das bedeutet, dass die EZB EUR Staatsanleihen kaufen wird; praktisch die Anleihen, die die SNB seit der Einführung des Mindestkurses im September 2011 vorzugsweise kauft.

Die SNB hat nun in Erwartung einer bevorstehenden QE-Politik durch die EZB im Dezember 2014 und im Januar 2015 am Devisenmarkt interveniert und allem Anschein nach EUR Staatsanleihen (im Wert von ca. 9 Mrd. EUR) erworben.

In der Medienmitteilung begründet die SNB die Aufgabe des Mindestkurses mit dem Hinweis auf die Unterschiede in der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume: Der EUR hat sich gegenüber dem USD deutlich abgewertet und der CHF ist zum USD abgeschwächt.


EUR/CHF Wechselkurs und Kaufkraftparität (PPP), Graph: ZKB


Die SNB sieht also in Zukunft den USD stärker und den EUR schwächer werden und zieht daher die Reissleine, nach dem Motto „besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, was natürlich auch als Kapitulation interpretiert werden und die Glaubwürdigkeit der SNB ankratzen kann. Aber Thomas Jordan, SNB-Präsident hat  in der Fragestunde der Pressekonferenz gesagt, dass „wir nicht in einem geldpolitischen Paradies leben“.

Ob es im Vorfeld einen politischen Druck gab, wissen wir nicht. Schliesslich war der Mindestkurs als unkonventionelles Mittel in einer Extremstituation eingeführt worden, um die Preisstabilität zu gewährleisten. Der geldpolitische Handlungspielraum wird ohne Zweifel enger, wenn die nominalen Zinsen nahe Null liegen (zero lower bound).

Die von der globalen Finanzkrise ausgelösten Erschütterungen machten, wie Jordan vor genau einem Jahr unterstrichen hat, auch vor der Schweiz nicht halt. Seither bedroht ein Deflationsrisiko (durch eine massive Aufwertung des Frankens) die Schweizer Wirtschaft.




EUR/CHF Wechselkurs am 15. Januar 2015, Graph: FT

Die Frage, die sich stellt, ist daher, warum die SNB überhaupt unkonventionelle Massnahmen hat ergreifen müssen?

Die Deflationsgefahr hat ihren Ursprung in der von Brüssel durchgeführten und durch Berlin aufgezwungenen Austeritätspolitik in der Eurozone. Werden die Gürtel in einer Depression enger geschnallt, wird das Wachstum abgewürgt. Die Austeritätspolitik hat nicht nur die Output reduziert, sondern auch zu Massenarbeitslosigkeit geführt.

Vor diesem Hintergrund sagt die Überschrift („Shocked by the Swiss Franc? Blame Europe“) eines Kommentars im BloombergView mit kurzen Worten sehr viel.

Die SNB hat aber nicht nur den Mindestkurs aufgehoben, sondern auch die Zinsen weiter gesenkt, womit v.a. die anderen Zentralbanken in fortentwickelten Volkswirtschaften unter Zugzwang geraten, die Geldpolitik weiter zu lockern.

Gibt es kein Risiko? Doch: Die SNB hat zwar einen Regimewechsel vollzogen, aber in die falsche Richtung, schreibt Paul Krugman in seinem Blog. Das Handtuch-werfen bedeutet, dass die SNB ihre bisherige Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt, alles zu unternehmen, um die Deflationsgefahr zu bekämpfen.

Da die herkömmliche Geldpolitik an der Nullzins-Grenze an Zugkraft verliert, muss eine Notenbank erstens versuchen, die Marktteilnehmer von einem Regimewechsel zu überzeugen. Und zweitens muss man mit Spillovers der SNB-Entscheidung rechnen, weil die Marktteilnehmer die Wirkung der unkonventionellen Massnahmen der anderen Notenbanken in Frage stellen könnten.


PS:


Die SNB erwartet für das Geschäftsjahr 2014 einen Gewinn von 38 Mrd. CHF. Das heisst, dass die SNB im Sog der Krise doch nicht so schlecht gefahren ist, wie der Eindruck heute in den Medien vermittelt.

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