Ambrose Evans-Pritchard beschreibt in einem lesenswerten Artikel in The Telegraph den Abrutsch der Eurozone in Deflation als Verrat an Südeuropa:
Die Bürger Südeuropas haben die Gürtel heldenhaft enger geschnallt. Doch werden
sie von der Deflation erdrückt.
Das klingt übertrieben harsch. Aber es
ist die einfache Wahrheit. Nicht nur die allgemeine Inflation, sondern auch die
Kerninflation liegt heute im Euro-Raum unter 1%, und damit 100 Basispunkte
tiefer als die Zielinflation der EZB (nahe 2%).
Das Bild sah aber vor dem
Ausbruch der Krise anders aus: Der Zustrom des Kapitals aus der Kern- an die
Peripherie der Eurozone hat in Südeuropa einen Boom (man denke an den
Immobilienmarkt) ausgelöst. Die Preise und Kosten sind stark angestiegen.
Die durchschnittliche Inflation
im gesamten Euro-Raum galt aber als in Ordnung. Der Anstieg der Preise hat dazu
beigetragen, dass Deutschland super-wettbewerbsfähig geworden ist, wie Paul Krugman in seinem Blog schildert.
Und Deutschland kam aus der wirtschaftliche Flaute Ende der 1990er Jahre
gestärkt heraus, ohne tatsächlich abwerten (Deflation) zu müssen.
Während die Lohnsstückosten in
Südeuropa zulegten, gingen sie in Deutschland zurück. Nachdem die Kapitalströme
zum Erliegen kamen, war Südeuropa gezwungen, die Kosten und Preise zu senken.
Die Anpassung hätte aber nach dem Lehrbuch symmetrisch stattfinden sollen, um
die allgemeine Inflation im Euro-Raum am Zielwert zu halten.
Eurozone fällt in Deflation, Graph: FT
Das bedeutet, dass Deutschland
mehr Inflation hätte zulassen sollen, damit die Niedriginflation in Südeuropa
die benötigte Anpassung via "internal devaluation“ hätte geschehen lassen
können.
Es kam aber nicht zu einem
Anstieg der Inflation in Deutschland und Südeuropa war gleichzeitig gezwungen,
in die Deflation zu fallen, was sehr kostspielig ist, weil dadurch die reale
Last der Schulden steigt.
Die deutsche Regierung sagt, dass
Deutschland mit seinen Problemen fertig wurde, warum Südeuropa nicht das
Gleiche tun kann? Warum? Südeuropa hat sich an die Spielregeln gehalten. Aber
wo es darauf ankam, wurden die Regeln, und zwar in Zeiten der Not geändert, zu
Lasten Südeuropas, wie Krugman weiter argumentiert.
Was hätte aber getan werden
können, um diese Situation zu vermeiden? Die EZB hätte aggressiv expandieren
müssen. Die Austerität (fiscal austerity)
in Südeuropa hätte ausgeglichen werden müssen, durch Expansion im Norden. Die
Besessenheit von Inflation und Haushaltsdefiziten hat stattdessen alles
verschlimmert. Die Situation ist jetzt sehr nahe unwiederbringlich, hält
Krugman als Fazit fest.
Die entscheidende Frage ist aber,
wie eine Währungsunion funktionieren kann. Da die gemeinsame Geldpolitik von
der EZB verwaltet wird, müssen sich die Inflationsraten einander annähern. Das
Inflationsziel in der EWU ist 2 Prozent. Wenn Südeuropa nach oben und
Deutschland nach unten verstossen, kommt es zu Friktionen.
Daher ist es
notwendig, wie Heiner Flassbeck
unterstreicht, dass jedes Land die Löhne nach der Produktivität plus Zielinflation der EZB ausrichten muss. Eine Konvergenz der
Wettbewerbsfähigkeit ergibt sich, wenn die Lohnstückkosten in jedem Land an die
eigene Produktivität unter Beachtung des Inflationsziels der EZB angepasst
werden.
PS: Prof. Flassbeck hebt
ausserdem hervor, dass Inflation und Deflation keine monetären Phänomene sind,
sondern i.d.R. durch Über- und Unterschiessen der Löhne über die Produktivität
entstehen.
1 Kommentar:
Mit Blick auf die exportorientierte Wirtschaftsstruktur wird es hierzulande zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwer, höhere Löhne auf breiter Front durchzusetzen. Die Aufträge brechen ja schon seit einiger Zeit weg (wegen allgemeinem Nachfragemangel - Austerität lässt grüßen) und es ist keine Besserung in Sicht.
Das wird noch ordentlich knacken und knirschen im Gebälk... Die Strukturen so wie sie jetzt sind, können nicht langfristig bestehen bleiben. Hätte den Politprofis mal vorher jemand sagen sollen, wie wichtig Außenhandels*gleichgewichte* sind. Aber der Ökonomen-Mainstream sagt ja noch, es wäre alles nicht so schlimm. Überschüsse seien gut, Defizite ganz ganz schlecht. *facepalm*
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