Donnerstag, 15. Januar 2015

Warum stagnieren die Löhne, während die Arbeitslosigkeit sinkt?

Der jüngste Arbeitsmarktbericht in den USA hat gemischte Botschaften gebracht. Während die Arbeitslosenquote langsam, aber stetig fällt (zur Zeit liegt sie bei 5,6%), stagnieren die Löhne.

Die Analysten deuten darauf hin, dass es erstens damit zu tun hat, dass wir noch nicht Vollbeschäftigung haben und zweitens, dass das Bild für die Löhne sich sofort ändern würde, sobald wir etwas näher an die Vollbeschäftigung heran kämen. Erst dann würde sich die lang erwartete Beschleunigung der Arbeitsentschädigung verwirklichen.

In Reaktion darauf bringt Mark Thoma in einem lesenswerten Artikel in The Fiscal Times seine Befürchtung zum Ausdruck, zu Recht, dass dieses Vertrauen in die Marktkräfte zu Enttäuschungen führen werde: Die Ungleichheit nimmt seit mehr als drei Jahrzehnten zu. Und während dieser Zeit war die Wirtschaft mehrmals bei oder nahe Vollbeschäftigung. 

Doch die überwiegende Mehrheit der amerikanischen Arbeitnehmer hat seit 1979 entweder stagnierende oder rückläufige Stundenlöhne, wie das Economic Policy Institute bemerkt, obwohl die Jahrzehnte kontinuierlich wachsende Produktivität der Wirtschaft reichlich Platz für Lohnerhöhungen geboten hätte.

Die Vorstellung, dass die Marktkräfte für genügend Lohnwachstum sorgen würden, um die zunehmende Ungleichheit auszugleichen, wird durch die Evidenz nicht gestützt, hebt der an der Oregon University lehrende Wirtschaftsprofessor hervor. Das heisst, dass es mehr zu berücksichtigen gibt, als nur die Marktkräfte in den Vordergrund zu stellen.



US-Arbeitslosenquote, Graph: FRED St. Louis Fed

Die markt-basierte Erklärung für stagnierende Löhne ist die wage rigidity: Die Löhne sind nach unten starr.

Das heisst, dass sie viel einfacher steigen als sie fallen. Wenn die Löhne aber nach unten starr sind, bleiben sie unverändert anstatt zu fallen. Wenn das der Fall ist, wird die Erholung der Wirtschaft nicht ein Lohnwachstum auslösen, es sei denn, der Druck auf die Löhne wird irgendwie überwunden, erklärt Thoma.

In einem neulich veröffentlichten Economic Letter schreiben Mary Daly und Bart Hobijn, dass es für die enttäuschende Entwicklung der Löhne einen wichtigen Grund gibt: Viele Firmen waren während der Rezession nicht in der Lage, die Löhne zu kürzen. Und jetzt müssen sie die „aufgestauten Lohnkürzungen“ aufarbeiten.

Im Grunde genommen müsste die Nachfrage nach Arbeit im Verhältnis zum Angebot steigen, bis die genannten „aufgestauten Lohnkürzungen“ aufgearbeitet werden, argumentiert Thoma. Die Nachfrage ist aber schwach, und das Arbeitsangebot steigt,  da die sog. „entmutigte Arbeitnehmer“ aufgrund der sich mehrenden Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung an den Arbeitsmarkt zurück kommen.

Bis die Arbeitnehmer die Verhandlungsmacht, die sie mit dem Niedergang der Gewerkschaften und der Zunahme der Globalisierung verloren hatten, wieder zurückgewinnen, ist es schwer, sich eine Umkehr der Kräfte, die stagnierende Löhne auslösen und zu immer höherer Ungleichheit führen, vorzustellen, hält Thoma als Fazit fest.

Es sind nicht Marktkräfte allein, die die Einkommensverteilung verzerren, sondern auch Institutionen, die bestimmen, wer die Karten in den Verhandlungen über die Löhne hält.
  


Nominaler Stundenlohn in den USA, Graph: Prof. Heiner Flassbeck flassbeck-economics
In: „Auch die US-Regierung spricht über Löhne – wann besinnt sich Europa?”

Auch Robert Reich befasst sich in seinem Blog mit der eingangs vorgestellten Situation und kommt zum Schluss, dass die niedrige Arbeitslosigkeit nicht zu höheren Löhnen für die meisten Amerikaner führen werde, weil es die Schlüsselstrategie von Grossunternehmen und des Finanzsektors sei, Lohnwachstum zu verhindern.

Sollten Sie es nicht gemerkt haben, sind es die grossen Konzerne und die Wall Street, die in Amerika den Ton angeben, so der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor.

Keine Kommentare: