Der jüngste Arbeitsmarktbericht
in den USA hat gemischte Botschaften gebracht. Während die Arbeitslosenquote
langsam, aber stetig fällt (zur Zeit liegt sie bei 5,6%), stagnieren die Löhne.
Die Analysten deuten darauf hin,
dass es erstens damit zu tun hat, dass wir noch nicht Vollbeschäftigung haben
und zweitens, dass das Bild für die Löhne sich sofort ändern würde, sobald wir etwas
näher an die Vollbeschäftigung heran kämen. Erst dann würde sich die lang
erwartete Beschleunigung der Arbeitsentschädigung verwirklichen.
In Reaktion darauf bringt Mark Thoma in einem lesenswerten
Artikel in The Fiscal Times seine Befürchtung zum Ausdruck, zu Recht, dass dieses Vertrauen in die Marktkräfte zu
Enttäuschungen führen werde: Die Ungleichheit nimmt seit mehr als drei
Jahrzehnten zu. Und während dieser Zeit war die Wirtschaft mehrmals bei oder
nahe Vollbeschäftigung.
Doch die überwiegende Mehrheit
der amerikanischen Arbeitnehmer hat seit 1979 entweder stagnierende oder
rückläufige Stundenlöhne, wie das Economic
Policy Institute bemerkt, obwohl die Jahrzehnte kontinuierlich wachsende
Produktivität der Wirtschaft reichlich Platz für Lohnerhöhungen geboten hätte.
Die Vorstellung, dass die
Marktkräfte für genügend Lohnwachstum sorgen würden, um die zunehmende
Ungleichheit auszugleichen, wird durch die Evidenz nicht gestützt, hebt der an
der Oregon University lehrende
Wirtschaftsprofessor hervor. Das heisst, dass es mehr zu berücksichtigen gibt,
als nur die Marktkräfte in den Vordergrund zu stellen.
US-Arbeitslosenquote, Graph: FRED St. Louis Fed
Die markt-basierte Erklärung für
stagnierende Löhne ist die wage rigidity: Die Löhne sind nach unten starr.
Das heisst, dass sie viel
einfacher steigen als sie fallen. Wenn die Löhne aber nach unten starr sind,
bleiben sie unverändert anstatt zu fallen. Wenn das der Fall ist, wird die
Erholung der Wirtschaft nicht ein Lohnwachstum auslösen, es sei denn, der Druck
auf die Löhne wird irgendwie überwunden, erklärt Thoma.
In einem neulich veröffentlichten
Economic Letter schreiben Mary Daly und Bart Hobijn, dass es für die
enttäuschende Entwicklung der Löhne einen wichtigen Grund gibt: Viele Firmen
waren während der Rezession nicht in der Lage, die Löhne zu kürzen. Und jetzt
müssen sie die „aufgestauten Lohnkürzungen“ aufarbeiten.
Im Grunde genommen müsste die
Nachfrage nach Arbeit im Verhältnis zum Angebot steigen, bis die genannten
„aufgestauten Lohnkürzungen“ aufgearbeitet werden, argumentiert Thoma. Die
Nachfrage ist aber schwach, und das Arbeitsangebot steigt, da die sog. „entmutigte Arbeitnehmer“
aufgrund der sich mehrenden Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung an den
Arbeitsmarkt zurück kommen.
Bis die Arbeitnehmer die
Verhandlungsmacht, die sie mit dem Niedergang der Gewerkschaften und der
Zunahme der Globalisierung verloren hatten, wieder zurückgewinnen, ist es
schwer, sich eine Umkehr der Kräfte, die stagnierende Löhne auslösen und zu
immer höherer Ungleichheit führen, vorzustellen, hält Thoma als Fazit fest.
Es sind nicht Marktkräfte allein,
die die Einkommensverteilung verzerren, sondern auch Institutionen, die
bestimmen, wer die Karten in den Verhandlungen über die Löhne hält.
Nominaler Stundenlohn in den USA,
Graph: Prof. Heiner Flassbeck flassbeck-economics
In: „Auch die US-Regierung
spricht über Löhne – wann besinnt sich Europa?”
Auch Robert Reich befasst sich in seinem Blog mit der eingangs
vorgestellten Situation und kommt zum Schluss, dass die niedrige
Arbeitslosigkeit nicht zu höheren Löhnen für die meisten Amerikaner führen
werde, weil es die Schlüsselstrategie von Grossunternehmen und des
Finanzsektors sei, Lohnwachstum zu verhindern.
Sollten Sie es nicht gemerkt
haben, sind es die grossen Konzerne und die Wall Street, die in Amerika den Ton
angeben, so der an der University of
California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor.
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