Sonntag, 19. Februar 2012

Fiskalpolitik und Wachstum

Christina Romer erklärt in einem lesenswerten Interview („Five Books Interviews“) mit The Browser die Rolle der Fiskalpolitik. Als Perspektive verwendet die an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessorin das im Jahr 1970 veröffentlichte Buch von Lester Chandler („America’s Greatest Depression“).

Das Buch liefert eine tolle Beschreibung, was während der Grossen Depression in den USA geschah. Besonders stark werden im Buch die wirtschaftpolitischen Massnahmen (im Zusammenhang mit dem New Deal), die damals getroffen wurden, dargelegt.

Was man u.a. aus dem Buch lernt, ist, dass Präsident Roosevelt alles versucht hat. Die politischen Entscheidungsträger wussten in den 1930er Jahren nicht viel darüber, was die Geld- und Fiskalpolitik leisten könnten. Deshalb versuchten sie alle möglichen Dinge, wie Wohnungspolitik, Agrarpolitik, verschiedene Arten von Kreditpolitik. Es wurde sogar der Industrie heimlich erlaubt, die Preise zu erhöhen. Doch vielen Massnahmen waren kaum Erfolg beschieden. Und diejenigen Massnahmen, die erfolgreich waren, waren oft nicht weit genug.

Das betrifft v.a. die Fiskalpolitik, hebt Frau Romer hervor. „Chandlers Buch erinnert uns an etwas, was oft in Vergessenheit gerät, dass die fiskalische Antwort auf die Great Depression einfach nicht sehr gross war. In der Tat ging die Fiskalpolitik unter Präsident Hoover in die falsche Richtung“, erklärt die ehemalige Vorsitzende des wirtschaftlichen Beratungsausschusse des US-Präsidenten Obama.

Als das Haushaltsdefizit anstieg, weil die Steuereinnahmen wegen der hohen Arbeitslosigkeit zurückgingen, war Hoovers Antwort eine grosse Steuererhöhung: Revenue Act von 1932. Diese fehlgeleitete freiwillige fiskalische Kontraktion war ein anderer Grund, warum die Wirtschaft weiter zurückfiel. Depression war so schrecklich, wie sie war, betont Romer mit Nachdruck.

Selbst unter Roosevelt war die fiskalische Expansion bescheiden, so Romer. „Wenn wir an New Deal denken, neigen wir dazu, uns an Dinge wie Works Progress Administration (WPA), welche dafür sorgte, dass Dämme und Brücken gebaut wurden und die Civilian Conservation Corps (CCC), welche dafür sorgte, dass in den Nationalparks so viele Gebäuden erstellt wurden, zu erinnern. Diese Programme hinterliessen bleibende Vermächtnisse“. Die Fiskalpolitik kommt also in Erinnerung als Antwort in Form von New Deal als gross und aggressiv.

Aber worauf Chandler hindeutet, ist (basierend auf die klassische Forschungsarbeit von E. Cary Brown), dass die fiskalische Antwort auf die Great Depression tatsächlich ziemlich klein war, nicht annähernd so gross wie das American Recovery and Reinvestment Act von 2009. Auch wenn Roosevet das Haushaltsdefizit in den Mitte 1930er Jahren ansteigen liess, bedeutet der Umschwung in Richtung Haushaltsüberschüsse in den Bundesstaaten und lokalen Verwaltugen, dass das Konjunkturpaket netto viel kleiner war, legt Romer dar. Und sie unterstreicht den berühmten Schluss von Brown, was auch im Chandlers Buch wiederholt wird, dass die Fiskalpolitik ein erfolgloses Mittel für die Erholung der Wirtschaft in den 1930er Jahren gewesen zu sein scheint, nicht weil sie nicht funktioniert hat, sondern weil sie nicht versucht wurde.

Dasselbe gilt aber auch heute, bemerkt Mark Thoma dazu in seinem Blog. Berücksichtigt man die Rückgänge in den Bundesstaaten und in lokalen Verwaltungen, lag der Stimulus netto auf etwas Breakeven. Das bedeutet nicht, dass das Konjunkturprogramm nichts hervorgebracht hat. Die Rückgänge in den Bundesstaaten und in lokalen Verwaltungen wäre ohnehin geschehen, sodass der Ausgleich von Rückgängen in den Bundesstaaten durch die Staatsausgaben wichtig war und viele Arbeitsplätze rettete.

Eine Frage, die heute aufgeworfen wird, wenn über die Umsteuerung der katastrophalen Sparmassnahmen nachgedacht wird, lautet: ok, wenn die Staatsausgaben erhöht werden sollen, wofür soll aber das Geld ausgegeben werden? Die Wahrheit ist, dass der Mangel an Schaufel-fertigen-Projekten (shovel-ready projects) auch im Jahr 2009 übertrieben wurde, was ein echtes Problem dargestellt hat, hebt Paul Krugman in seinem Blog hervor.

Heute sind die Dinge eigentlich viel einfacher. Wir könnten durch die Wiederaufnahme von Hilfen für die Bundesstaaten und Kommunen ein Fiscal Bang haben bekommen, argumentiert der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008), indem wir zulassen, dass die kürzlich vorgenommenen Kürzungen rückgängig gemacht werden.


Beschäftigung in den Bundesstaaten und Kommunen, Graph: Prof. Paul Krugman

In der Abbildung ist der Verlauf der Beschäftigung in den Bundesstaaten und kommunalen Verwaltungen zu sehen, welche um rund eine halbe Million gesunken ist, wobei die Einschnitte zum grössten Teil auf die Bildung entfallen. Die Baseline ist nicht Null. Es sollte ein normales Wachstum sein, entlang des Bevölkerungswachstums, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Was wäre aber mit der Beschäftigung in den Bundesstaaten und kommunalen Verwaltungen geschehen, wenn wir ein Wachstum (mit der üblichen Wachstumsrate von 1%) gehabt hätten? Das ist die rot-gestrichelte Linie.

Dies legt nahe, dass die Wirtschaft für über eine Million Menschen direkt einen Arbeitsplatz hätte beschaffen können und wahrscheinlich noch zusätzliche drei Millionen Jobs, wenn man andere Effekte mitberücksichtigt, ohne das immer wieder neue Projekte in Angriff genommen werden müssten: übertrage einfach genug Geld an Bundesstaaten und Kommunen, die die wesentlichen Aufgaben der Regierung wie Bildung und Kinder wahrnehmen. 

Fazit: Das ist bei weitem nicht die Gesamtheit dessen, was unternommen werden sollte. Wer aber denkt, dass wir keine gute Möglichkeiten hätten, um die Nachfrage anzukurbeln, kann allein mit der oben beschriebenen Beobachtung widerlegt werden.

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