Donnerstag, 2. Februar 2012

Niedrige Zinsen und wirtschaftliche Folgen

Niedrige Zinsen und neue Formen der akkommodierenden Geldpolitik (wie z.B. mengenmässige Lockerung, d.h. quantitative easing) stehen seit mehr als drei Jahren im Mittelpunkt des wirtschaftspolitischen Geschehens.

Die US-Notenbank hat sich beispielsweise verpflichtet, bis Ende 2014 die Zinsen nahe Null zu halten. Die EZB dürfte folgen.

Die Finanzmärkte haben auf die niedrige Zinssätze im Allgemeinen positiv reagiert: die Preise von Vermögenswerten sind gestiegen. Die niedrigen Zinsen deuten jedoch auf einen besorgniserregenden Mangel an Wirtschaftswachstum und auf die zunehmende Gefahr einer Deflation hin, schreibt Satyajit Das in einem lesenswerten Artikel (“Low rates: the drug we can all do without”) in FT.

Das Verhältnis zwischen den Zinssätzen und der wirtschaftlichen Aktivität ist in der Tat dürftig. Die Finanzierungskosten sind ein Faktor unter mehreren komplexen Treibern der Nachfrage, beschreibt der Finanzexperte (risk consultant).

Unternehmen sind angesichts der mangelhaften Nachfrage nicht bereit, Kredite aufzunehmen, um in neue Kapazitäten, die ausschliesslich auf Finanzierungskosten basieren, zu investieren. In Wirklichkeit schaffen niedrige Zinsen wirtschaftliche Verzerrungen, insbesondere dort, wo die Realzinsen (d.h. Nominalzinsen minus Inflation) niedrig oder negativ sind, erklärt der Autor des lesenswerten Buches Traders, Guns & Money.

Niedrige Finanzierungskosten ermutigen Subsitution von Arbeit duch das Kapital im Produktionsprozess. Angesichts der Tatsache, dass 60-70% der Aktivitäten in den entwickelten Volkswirtschaften vom privaten Verbrauch angetrieben werden, reduziert dieses Verschiebung die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, da das Beschäftigungs- und Einkommensniveau sinkt.

Niedrige Zinsen begünstigen Kreditaufnahme, ermutigen die Förderung der Substitution von Eigenkapital durch Fremdkapital in Finanzierungsstrukturen und steigern damit das Risiko an den Finanzmärkten. Wenn Unternehmen und Länder sich finanziell übernehmen, nehmen die Anreize zum Schuldenabbau ab. Niedrige Zinsen, was niedrige Kuponzahlung bedeutet, sind mit einer verdeckten Senkung der Nennbeträge der Kredite wirtschaftlich identisch, erläutert Das.

Niedrige Zinsen entmutigen Einsparungen, indem sie negative Anreize für die Kapitalakkumulation schaffen, die die Höhe der Gesamtverschuldung verringern würde. Niedrige Erträge aus Einsparungen sollten i.d.R. Ausgaben fördern und wirtschaftliche Aktivität ankurbeln, aber sie führen paradoxerweise zu stärkeren Einsparungen für künftige Bedürfnisse, was den Konsum und die Nachfrage reduziert. Sinkt der Zinssatz für individuelle Einsparungen im Ruhestand von 5% auf 4%, müssen die Ersparnisse jedes Jahr um 18% erhöht werden, um dasselbe Ziel in mehr als 30 Jahren zu erreichen.

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