Montag, 18. Januar 2016

Wandelt sich die Beschaffenheit der US-Wirtschaft?

Auch wenn die US-Wirtschaft um eins oder sogar weniger Prozent wächst, sind zuletzt im Dezember rund 300'000 neue Stellen geschaffen. Während sich der Arbeitsmarkt signifikant erholt, kommt das Wirtschaftswachstum kaum vom Fleck.

Wie ist die Diskrepanz zu erklären?

NYTimes berichtet in einem lesenswerten Artikel, dass die Dissonanz zumindest teilweise daran liege, dass sich wohl die Natur der amerikanischen Wirtschaft wandelt.

Die entscheidende Ursache der Spaltung ist demnach, dass es heute auf die von dem Abschwung am stärksten betroffenen Sektoren wie Herstellung und Energieerzeugung in Sachen Beschäftigung weniger ankommt als es die Produktion betrifft.

Tatsächlich verweisen Analysten auf die Vielzahl von Dienstleistungssektoren, die arbeitsintensiv sind und es viel besser hätten als der Rest der Wirtschaft. Die auf die Binnenwirtschaft ausgerichtete Branchen wie Restaurant, Gesundheitsversorgung und professionelle Business-Services wirken sozusagen als eine Art Firewall für die US-Wirtschaft gegen die wachsenden Turbulenzen in Übersee.

2016 dürfte in dieser Hinsicht als Test für die oben dargestellte Hypothese gelten, wie es Dienstleistungsunternehmen geht und ob die Mitarbeiter-Einstellungen anhalten.


Schwaches Wirtschaftswachstum vs. Beschäftigung, Graph: NYTimes


Im letzten Jahr ist die Beschäftigung im Dienstleistungssektor, der 86% der amerikanischen Arbeitskräfte ausmacht, um mehr als 2,3 Millionen gestiegen.

Es sieht so aus, wie wenn v.a. kleine bis mittlere Unternehmen zum Wachstum auf dem Arbeitsmarkt beitragen würden, während grosse Unternehmen sich mit Investitionen aus „Vorsichtsgründen“ zurückhalten.


US-Wirtschaftswachstum (gemessen am BIP), GraphNYTimes

In Davos muss unbedingt über das Thema „träges Wirtschaftswachstum“ diskutiert werden, bemerkt Mark Thoma in einem lesenswerten Artikel in CBS Market Watch.

Zum Teil ist das schwache Wachstumstempo demographisch begründet: Verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum, geht auch das Wirtschaftswachstum zurück. Das ist aber nicht die ganze Geschichte. Das zugrundeliegende Problem ist, dass die Produktivität (als Quelle des Wirtschaftswachstums) gesunken ist. Ökonomen sind sich aber nicht sicher, warum, wie Thoma unterstreicht.

Eine Hypothese ist, dass alle guten Ideen, die in Bezug auf unseren Lebensstandard einen Unterschied ausmachen, ausgegangen sind. Vieles sei bereits erfunden worden, was unser Wohlbefinden erheblich steigern kann: Wasserversorgung, Strassen, Rohrleitungen, Öfen, Autos usw.

Das ist aber laut Thoma angesichts des Zeitalters der Digital-Technologie und Roboten nicht glaubwürdig.

Ein weiterer Ansatz ist, dass wir uns in einer secular stagnation befinden, d.h. einer verlängerten Zeitperiode des Wachstums mit niedrigen Raten. Larry Summers liefert dazu einleuchtende Argumente, dass es sich dabei um eine reale Möglichkeit handelt.

Was auch immer die Ursache des Problems ist, ist die Lösung produktivere Investitionen und mehr technologische Innovation; beide sind nämlich die Schlüsselkomponenten des BIP-Wachstums.

Fazit: Ökonomen sind nicht sicher darüber, ob wir in einem Niedrig-Wachstum-Gleichgewicht stecken. Wer weiss, vielleicht ändert sich das Bild im nächsten Jahr. Aber falls es stimmt, ist es Zeit, jetzt zu handeln, hält der an der Oregon University lehrende Wirtschaftsprofessor fest.

Investitionen in Infrastruktur sprechen auf der anderen Seite zum Glück für sich selbst, die auf alle Fälle notwendig sind, wie Paul De Grauwe in einer vergangene Woche präsentierten Studie hervorhebt. Oder, nicht?


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