Samstag, 9. Januar 2016

Ungleichverteilung von Einkommen und Wirtschaftsmodelle

Justin Fox hält in seiner lesenswerten Kolumne in Bloomberg fest, dass der Anstieg des Anteils der Superreichen (der sog. Top-1%) an der Spitze der Einkommensverteilung in den USA in den früheren 1980er Jahren begonnen hat, aber von den meisten Ökonomen kaum wahrgenommen wurde.

Erst in den frühen 2000er Jahren seien Thomas Piketty und Emmanuel Saez der Sache nachgegangen. Die beiden Ökonomen haben akribisch IRS-Daten (Steuerbehörde der Vereinigten Staaten) zusammengetragen und in einer Analyse gezeigt, dass der Anteil der „Spitzenverdiener“ sich seit 1980 verdoppelt hat.

Je höher man auf der Skala der Vermögensverteilung geht, desto dramatischer wird die Ungleichverteilung, so lautet die Quintessenz der Forschungsarbeit. Der Anteil der Top 0,1% hat sich sogar in den 1980er und 1990er Jahren mehr als verdreifacht, während der Anteil, der auf die Top 0,01% entfällt, sich fast vervierfacht hat.

Als Ergänzung dazu schreibt Paul Krugman in seinem Blog in NYTimes, dass es wichtiger Aspekt nicht vergessen werden dürfe: Modellierung. Das Thema lasse sich schwer mit einem Model angehen.

Krugman bemerkt dann, dass er 1992 in einem Artikel („The Rich, the Right and the Facts: Deconstructing the Income Distribution Debate“), der von The American Prospect veröffentlicht wurde, seine Gedanken über die Einkommensungleichverteilung schriftlich festgehalten habe.



Einkommensungleichverteilung, Graph: Justin Fox in: Bloomberg View, Jan 2016


Es gebe seiner Ansicht nach, grob gesagt, zwei Analyse-Arten von Einkommensverteilung.

Die erste betreffe den Faktor Einkommensverteilung: Kapital versus Arbeit und gut gebildete versus weniger gut gebildete Arbeit, was im Grunde genommen nicht anders ist als die klassische Sorge, die v.a. von David Ricardo vor rund 200 Jahren vorgetragen wurde.

Die zweite betreffe die persönliche Verteilung von Einkommen und Vermögen. Warum sind z.B. Investmentbanker so hoch bezahlt? Warum hat sich die Kluft zwischen der CEO-Vergütung und der Entlohnung eines durchschnittlichen Arbeitnehmers nach 1980 so weit auseinander entwickelt?



Anteil der Top-1-Prozent am Einkommen in den USA, Graph: Josh Bivens in: Economic Policy Institute

Der Punkt ist, dass wir nicht wissen, wie man persönliche Einkommensverteilung modelliert. Wir haben im besten Fall einige halb-plausible ad-hoc-Stories dazu, argumentiert Krugman weiter.

Warum Piketty für Aufruhr gesorgt hat, hat zum Teil damit zu tun, weil er eine Skizze von einem Modell der Vermögensungleichheit vorgelegt hat, welches sich auf breitere Makrodaten (wie z.B. r und g) bezieht.

Das sei laut Krugman der Auslöser, warum nun immer mehr Ökonomen sich mit dem Thema befassen. Es gebe aber keine gute Behandlung der persönlichen Einkommensverteilung in Forschung. Max z.B. hat sich in seinem Buch „Kapital“ mit Faktor Einkommensverteilung, nicht mit der Top 1-Prozent.

Was Krugman auslässt, zu erwähnen ist, dass Piketty in seiner Arbeit eine neoklassische Produktionsfunktion verwendet. Das heisst, dass Piketty im Allgemeinen streng neoklassisch argumentiert, wie Heiner Flassbeck hervorhebt. Die Kritik von Flassbeck richtet sich hierbei an die (falsche) Kausalwirkung vom Sparen zum Investieren.

Darüber hinaus erläutert der ehemalige Chefvolkwirt (2003-2012) bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD), warum es ein falsches Konzept ist, von der „individuellen Grenzproduktivität der Arbeitnehmer“ auszugehen, weil der Input vieler verschiedener Beschäftigter in einem Produktionsprozess nicht extrem standardisiert ist und nicht klar identifiziert und gemessen werden kann. Mehr dazu bietet Flassbeck in Zusammenarbeit mit Friederike Spiecker in einem tiefsinnigen Einblick in seinem inzwischen leider vergriffenen Buch „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“.




PS:

Heiner Flassbeck teilt in seinem Blog nun mit, dass das oben erwähnte Buch vom Westend-Verlag neu als E-Book herausgebracht wird. Ich freue mich darauf. Denn ich hatte zwei Exemplare davon. Aber ich habe beide verloren. Vor rund einem Jahr hatte ich meine ganze Büchersammlung wegen eines Umzugs in einem Lager deponiert. Alle von mir gesammelten Bücher sind aber durch eine Verkettung von unglücklichen Umständen abhanden gekommen. Ich bin immer noch untröstlich darüber.





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