Sonntag, 10. Januar 2016

Anleihemärkte in der längsten Depression der Geschichte

Die europäischen Anleihemärkte avancieren sich seit Beginn des neuen Jahres. Erstaunlich? Vielleicht, oder vielleicht nicht. Der eine Faktor ist jedenfalls, dass die Inflation im Dezember im Euro-Raum nach aktuellen Daten ins Stocken geraten ist.

Und der andere Faktor ist China. Die Turbulenzen am chinesischen Aktienmarkt erhöhen den disinflationären Druck auf den Rest der Welt. Der Yuan notiert gegenüber dem USD so schwach wie seit fünf Jahren nicht mehr. Das bedeutet mehr Exporte aus China und weniger Importe in die Volksrepublik.

Deutschlands break-even-Sätze mit 10 Jahren Laufzeit, die allgemein als Mass für Inflationserwartungen gelten, sind seit der EZB-Sitzung am 3. Dezember 2015 auf den niedrigsten Wert seit August gefallen.



Inflation-Ausblick in Deutschland deutet aufs 4-Monats-Tief hin, Graph: Bloomberg



Auch in den USA sind die Renditen der US-Staatsanleihen seit Mitte Dezember gesunken, obwohl die Fed inzwischen die Zinsen erhöht hat.




Wachstum des weltweiten Handelsvolumens, Graph: Morgan Stanley

Die gegenwärtige Entwicklung auf beiden Seiten des Atlantiks legt nahe, dass die Erholung der Wirtschaft aus der Finanzkrise und der daraus folgenden Rezession immer noch nicht recht in Schwung kommt.

Warum?

Die klare Antwort liefert Joseph Stiglitz in einem lesenswerten Artikel („The Great Malaise Continues“) in Project Syndicate.

Wir haben nicht getan, was nötig gewesen wäre, und wir sind genau dort angekommen, wo ich befürchtet habe, so der an der Columbia University tätige Wirtschaftsprofessor.




Chinas Devisen-Reserven sind im Jahr 2015 um 513 Mrd. USD (d.h.13,4%) auf 3'300 Mrd. USD zurückgegangen, Graph: Bloomberg


Weltweit besteht ein Mangel an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage, der durch wachsende Ungleichheit und eine hirnlose Welle von Haushalts-Sparmassnahmen (fiscal austerity) hervorgerufen wurde. Gleichzeitig leiden die USA auch unter der Sparwut, wenn auch in milderer Form als in Europa.

Brad DeLong ergänzt in einem lesenswerten Artikel in Huffington Post, dass künftige Wirtschaftshistoriker die Zeit seit 2007 möglicherweise als die „Longest Depression“ nennen werden.

Stiglitz hat Recht. Die Hindernisse, vor denen die Weltwirtschaft steht, sind nicht ökonomischer, sondern politischer und ideologischer Natur, hält der an der University of California, Berkeley der lehrende Wirtschaftsprofessor fest. Und auch er hat damit Recht.






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