Mittwoch, 27. Mai 2015

Braucht eine Zentralbank Eigenkapital?

Die Ökonomen sind sich grundsätzlich einig, dass die Notenbanken sich von Geschäftsbanken grundlegend unterscheiden, sodass sie weiter arbeiten können, auch wenn ihr Eigenkapital vorübergehend negativ wird.

Die Zentralbanken wissen aber, dass ein negatives Eigenkapital kein dauerhafter Zustand sein kann, weil ihre Glaubwürdigkeit sonst auf dem Spiel steht und sie sich in Sachen Unabhängigkeit in Gefahr setzen.

Da die mangelhafte Basis der Banken mit Eigenmitteln die ohnehin schwere Finanzkrise von 2008 zusätzlich verschärft hat, ist eine wichtige Lehre daraus, dass die Banken über mehr Eigenkapital verfügen müssen, wie die SNB vor einigen Jahren unterstrichen hat.

Cecchetti und Schoenholtz gehen in ihrem Blog genau darauf ein, was es bedeutet, wenn eine Zentralbank eines Tages ein negatives Eigenkapital aufweist. Die Frage, die sie eingangs stellen, lautet, welche Rolle die Portfolioverluste und potenzielle Verluste der SNB im Politikwechsel gespielt haben.

Die SNB hat nämlich am 15. Januar 2015 den seit fast drei Jahren bestehenden Mindestkurs (von 1,20 CHF pro EUR) aufgehoben und den Zins für Guthaben auf den Girokonten auf minus 0,75% gesenkt.

Cecchetti und Schoenholtz denken, dass dafür politische Sorgen ausschlaggebend gewesen sind. Es ist dennoch wichtig, zu erkennen, dass die SNB nicht die einzige Notenbank ist, im Kampf gegen die Krise Risiken eingegangen ist.

Eine Reihe von Zentralbanken hat in Reaktion auf die Krise unkonventionelle Massnahmen getroffen und zugleich ihre Bilanzsumme ausserordentlich ausgeweitet. Um nicht darum herum zu hacken, erwähnen die Autoren Chile, die Tschechische Republik, Israel und Mexiko, also die Länder, die die Erfahrung damit machten, dass ihre Zentralbank auch mit negativem Eigenkapital für eine Zeit lang handlungsfähig blieb.

Es gibt mehrere Gründe für die Annahme, dass die Zentralbanken keine Schwierigkeiten haben sollten, mit negativem Eigenkapital zu arbeiten, argumentieren Cecchetti und Schoenholtz weiter: (1) Eine Zentralbank kann Verbindlichkeiten (z.B. Geld) unabhängig von deren Netto-Wert emittieren. Illiquide kann sie nie werden, (2) weil die Zentralbank ein Teil des Staates ist, ist es naheliegend, ihre Bilanz gegebenenfalls mit der breiter Bilanz der öffentlichen Hand zu konsolidieren, und (3) es ist in einer Welt der stabilen Preise unter fast jeder vernünftigen Reihe von Annahmen davon auszugehen, dass künftige Gewinne der Zentralbank mehr als ausreichen werden, um eine moderate Kapitallücke in einem angemessenen Zeitrahmen zu schliessen. Warum? Weil Zentralbanken Seignorage (d.h. Gewinn, der durch die Emission von Zentralbankgeld entsteht) verdienen.

Die reale Gefahr entspringt Episoden, wo erhebliche Verluste entstehen, die politischer, nicht wirtschaftlicher Natur sind. Es kann z.B. sein, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank in Frage gestellt wird, wenn sie während einer Episode von negativem Cash-Flow die Geldüberweisungen an das Schatzamt vorübergehend stoppt. Es kann ausserdem auch sein, dass die Zentralbank aus Angst und Ungeduld mit weniger Unabhängigkeit arbeitet (d.h. mit weniger Glaubwürdigkeit), um Anforderungen der Behörden in Bezug auf die Rekapitalisierung zu erfüllen.

Die Theorie ist nicht falsch, halten die Autoren fest: Das Eigenkapital einer Zentralbank sollte nicht entscheidend sein, weil der Barwert der künftigen Einnahmen ausreichen, um sogar eine grosse Lücke an Eigenmitteln zu schliessen.

Auch Martin Hellwig befasst sich in einem lesenswerten Artikel mit den Verlusten der SNB auf Anlagen in fremden Währungen.

"Eine moderne Zentralbank kann praktisch nicht zahlungsunfähig werden, denn das Geld, das sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten braucht, produziert sie zumeist selbst. Das Geld, das die Zentralbank ausgibt, erscheint in der Bilanz als Verbindlichkeit, aber es verpflichtet sie zu nichts", unterstreicht der Direktor am Max-Planck-Institute.

"Als Banknoten noch in Gold einzulösen waren, war das anders. Damals begründete die Einlösepflicht eine echte Verbindlichkeit. Heute haben wir eine reine Papierwährung, ohne Einlösepflicht", so Prof. Hellwig als Fazit.


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