Es wäre vermessen, von einem Crash am Anleihemarkt zu
reden. Dennoch geben die jüngsten Turbulenzen viel zu denken. Denn es ist nicht
einfach, zu lokalisieren, was der dahinter steckende Faktor ist. Griechenland
hat es, zumindest bis jetzt, vermieden, default
anzukündigen, was dazu beigetragen hat, dass das Phänomen „flight to safety“
inzwischen wesentlich nachgelassen hat.
Der wichtigste treibende Faktor, die die Rendite höher
geschossen hat, ist aber mehr technisch als fundamental begründet, wie Greg Ip in
einer Analyse im WSJ unterstreicht.
Es ist eine seltsame Art, dass das erfolgreiche
Ergebnis der Zentralbankpolitik die Renditen nach oben treibt. Denn es waren die
bisherigen erfolgreichen Bemühungen der Zentralbanken, eine Depression und
Deflation wie in den 1930er Jahren zu verhindern, weshalb Investoren und Trader
grössere Positionen am Anleihemarkt einnahmen, auf fallende Renditen zu setzen.
Wenn die Preise nun beginnen, sich wider Erwarten zu
bewegen, dann reagieren die Investoren und Trader mit Abbau der Positionen, was
die Preisbewegungen wiederum beschleunigt.
Es ist aber nicht zum ersten Mal, dass so etwas
passiert: 2014 in den USA, wo die Rendite der US-Treasury Bonds von 1,865% auf
2,15% geklettert ist und 2013 in Japan, im Frühling.
German Bund Renditen (mit 10 und 30 Jahren Laufzeit), Graph: Greg Ip, WSJ
Was alle drei Vorgänge gemeinsam haben, ist eine Risikomanagement-Technik,
die „Value at Risk“ (VaR) genannt wird,
die die Investoren dazu verleitet, grössere Position zu übernehmen, wenn die
Volatilität gering ist, weil starke Preisschwankungen und damit grosse
Verluste, weniger wahrscheinlich sind.
Die Zentralbanken haben im Rahmen ihrer QE-Politik
riesige Mengen an Staatsanleihen gekauft, und Forward Guidance (dazu mehr hier) an den Tag gelegt, um Investoren zu beruhigen,
dass die nominalen Zinsen nahe Null verweilen, und zwar eine lange Zeit; eine
Strategie, die darauf abzielt, die Kreditkosten zu senken, um die Wirtschaft
anzukurbeln, damit Unternehmen wieder investieren und die Inflation ansteigt.
In dem Prozess ist die Volatilität am Anleihemarkt
zusammengebrochen und der VaR-Ansatz hat Investoren ermutigt, immer grössere
Positionen zu übernehmen. Wenn man darüber nachdenkt, dass der Markt von
VaR-sensitiven Investoren bevölkert ist, wie z.B. von Hedge Funds, Mutual Fund
Managers, Traders und Banks, kann man sich besser vorstellen, dass der VaR-Ansatz
die Investoren veranlasst, Positionen Hals über Kopf wieder abzuwickeln, um
hohe Verluste zu vermeiden, wenn die Volatilität zunimmt, was aber am Ende die
Volatilität noch mehr steigert.
Dieser durch die Volatilität hervorgerufene Abbau von
Positionen verstärkt sich selbst, bis die Renditen ein Niveau erreichen, wo
VaR-insensitive Investoren wie z.B. Pensionskassen, Versicherungen oder private
Haushalte beginnen, Positionen zu übernehmen.
VaR-Einschränkungen sind bekannt. Von der Gestaltung
her schliesst der VaR-Ansatz seltene Episoden von extremer Volatilität aus. Es
ist ein Risikomanagement Instrument, nicht als ein robotisches Gerät für Kauf-
oder Verkauf-Orders.
Das heisst also, dass die Zentralbanken vorsichtig
sein sollten, bevor sie annehmen, dass die Marktpreise grundlegende
Entwicklungen widerspiegeln. Es wäre nicht angemessen, den jüngsten Ausverkauf
am Anleihemarkt als Beweis für das Scheitern der EZB-Politik à la PSPP zu werten.
Und es wäre verfrüht, von einer Zinswende zu reden. Die EZB hat angekündigt, bis September 2016 monatlich
öffentliche Anleihen im Wert von 60 Mrd. EUR zu kaufen. Zumal keine Anzeichen darauf hindeuten, dass sich am Markt für festverzinsliche Papiere eine Blase gebildet hat.
Update:
Zum Thema “VaR-Shock”
etwas mehr in FTAlphaville
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