Samstag, 16. Mai 2015

Staatsanleihen: Kurse fallen, Renditen steigen und andersrum

Es wäre vermessen, von einem Crash am Anleihemarkt zu reden. Dennoch geben die jüngsten Turbulenzen viel zu denken. Denn es ist nicht einfach, zu lokalisieren, was der dahinter steckende Faktor ist. Griechenland hat es, zumindest bis jetzt, vermieden, default anzukündigen, was dazu beigetragen hat, dass das Phänomen „flight to safety“ inzwischen wesentlich nachgelassen hat.

Der wichtigste treibende Faktor, die die Rendite höher geschossen hat, ist aber mehr technisch als fundamental begründet, wie Greg Ip in einer Analyse im WSJ unterstreicht.

Es ist eine seltsame Art, dass das erfolgreiche Ergebnis der Zentralbankpolitik die Renditen nach oben treibt. Denn es waren die bisherigen erfolgreichen Bemühungen der Zentralbanken, eine Depression und Deflation wie in den 1930er Jahren zu verhindern, weshalb Investoren und Trader grössere Positionen am Anleihemarkt einnahmen, auf fallende Renditen zu setzen.

Wenn die Preise nun beginnen, sich wider Erwarten zu bewegen, dann reagieren die Investoren und Trader mit Abbau der Positionen, was die Preisbewegungen wiederum beschleunigt.

Es ist aber nicht zum ersten Mal, dass so etwas passiert: 2014 in den USA, wo die Rendite der US-Treasury Bonds von 1,865% auf 2,15% geklettert ist und 2013 in Japan, im Frühling.


German Bund Renditen (mit 10 und 30 Jahren Laufzeit), Graph: Greg Ip, WSJ

Was alle drei Vorgänge gemeinsam haben, ist eine Risikomanagement-Technik, die „Value at Risk“ (VaR) genannt wird, die die Investoren dazu verleitet, grössere Position zu übernehmen, wenn die Volatilität gering ist, weil starke Preisschwankungen und damit grosse Verluste, weniger wahrscheinlich sind.

Die Zentralbanken haben im Rahmen ihrer QE-Politik riesige Mengen an Staatsanleihen gekauft, und Forward Guidance (dazu mehr hier) an den Tag gelegt, um Investoren zu beruhigen, dass die nominalen Zinsen nahe Null verweilen, und zwar eine lange Zeit; eine Strategie, die darauf abzielt, die Kreditkosten zu senken, um die Wirtschaft anzukurbeln, damit Unternehmen wieder investieren und die Inflation ansteigt.

In dem Prozess ist die Volatilität am Anleihemarkt zusammengebrochen und der VaR-Ansatz hat Investoren ermutigt, immer grössere Positionen zu übernehmen. Wenn man darüber nachdenkt, dass der Markt von VaR-sensitiven Investoren bevölkert ist, wie z.B. von Hedge Funds, Mutual Fund Managers, Traders und Banks, kann man sich besser vorstellen, dass der VaR-Ansatz die Investoren veranlasst, Positionen Hals über Kopf wieder abzuwickeln, um hohe Verluste zu vermeiden, wenn die Volatilität zunimmt, was aber am Ende die Volatilität noch mehr steigert.

Dieser durch die Volatilität hervorgerufene Abbau von Positionen verstärkt sich selbst, bis die Renditen ein Niveau erreichen, wo VaR-insensitive Investoren wie z.B. Pensionskassen, Versicherungen oder private Haushalte beginnen, Positionen zu übernehmen.

VaR-Einschränkungen sind bekannt. Von der Gestaltung her schliesst der VaR-Ansatz seltene Episoden von extremer Volatilität aus. Es ist ein Risikomanagement Instrument, nicht als ein robotisches Gerät für Kauf- oder Verkauf-Orders.

Das heisst also, dass die Zentralbanken vorsichtig sein sollten, bevor sie annehmen, dass die Marktpreise grundlegende Entwicklungen widerspiegeln. Es wäre nicht angemessen, den jüngsten Ausverkauf am Anleihemarkt als Beweis für das Scheitern der EZB-Politik à la PSPP zu werten.

Und es wäre verfrüht, von einer Zinswende zu reden. Die EZB hat angekündigt, bis September 2016 monatlich öffentliche Anleihen im Wert von 60 Mrd. EUR zu kaufen. Zumal keine Anzeichen darauf hindeuten, dass sich am Markt für festverzinsliche Papiere eine Blase gebildet hat.

Update:
Zum Thema “VaR-Shock” etwas mehr in FTAlphaville 


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