Freitag, 22. Mai 2015

Was sagt eigentlich „im Einklang stehend mit“ aus?

Paul Romers Aufstand in Form einer tiefsinnigen Forschungsarbeit gegen die "mathiness“ (die oft verwirrende und zum falschen Zweck dienende Verwendung von Mathematik in ökonomischen Analysen) in der Volkswirtschaftslehre hat in den vergangenen Tagen ein Spektakel ausgelöst. 

Der an der NYU lehrende Wirtschaftsprofessor ist ein Experte des wirtschaftlichen Wachstums. In seinem Artikel kreidet er v.a. die subtile Vermischung von Politik und wissenschaftlichen Erkenntnissen in ökonomischen Analysen an.

In diesem Zusammenhang kritisiert Peter Dorman die Angewohnheit der Ökonomen, eine Theorie für erfolgreich zu erklären, nur weil sie mit der Evidenz im Einklang steht.

Dormans Argument verdient Hervorhebung, bemerkt Chris Dillow in seinem Blog. Das ist nämlich ein Aspekt, den die Verteidiger der Ungleichheit übersehen. Natürlich kann man Theorien so zurechtbiegen, dass sie mit der wachsenden Ungleichheit „im Einklang stehen“, stammend aus vertretbaren Unterschieden in Auswahlmöglichkeiten und marginalen Produkten.

Solche Theorien werfen dennoch die Frage auf: Ist das, wie Ungleichheit wirklich entstanden ist? Und die Antwort ist, um es milde auszudrücken, nur teilsweise. Die Ungleichheit entstand auch aus Glück, ineffizienten Entscheidungen, manipulierten Märkten, rent-seeking und glattem Diebstahl.

Oft stehen die Fakten im Einklang mit jeder Theorie. Zum Beispiel ist die gut-bescheinigte Momentum-Anomalie, d.h. die Tendenz, dass Vermögenswerte, die kürzlich im Preis gestiegen sind, weiterhin steigen, sowohl mit einer kognitiven Verzerrung (under-reaction) als auch mit dem rationalem Verhalten, d.h. der Wunsch der Fondsmanager, Benchmark-Risiken zu vermeiden.

Dorman bemerkt, dass sein Argument bekannt sein sollte. Die Duhem-Quine-These warnt uns, dass Tatsachen die Theorie unterdeterminieren (unterdetermination): sie sind „im Einklang mit“ mehreren Theorien.

Wie können wir uns also vor dem „im Einklang mit“-Fehler hüten? Eine Sache ist, dass wir Geschichte brauchen, die uns hilft, wie die Dinge wirklich passiert sind. Und auch wenn es einigen Ökonomen schrecklich erscheinen mag, brauchen wir auch Soziologie: 

Wir müssen wissen, wie die Menschen sich tatsächlich verhalten und nicht nur, dass ihr Verhalten mit einigen Theorien „im Einklang stehen“. Volkswirtschaftslehre kann somit nicht mehr eine alleinstehende Disziplin sein, sondern ein Teil der Sozial- und Geisteswissenschaften.


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