Mittwoch, 20. Mai 2015

Fallstricke der Austeritätspolitik

Joseph Stiglitz hat am Dienstag in einem Gespräch mit Francine Lacqua am BloombergTV mit Bezug auf Griechenland gesagt, dass die Austerität für das Land Kosten bedeute. Warum? Um es kurz zusammenzufassen, weil die Güter-enger-Schnallen-Politik den Menschen Schmerzen zufügt und die Erholung der Wirtschaft verzögert.

Simon Wren-Lewis setzt sich in seinem Blog seit ein paar Tagen mit dem „Marketing“ der Austeritätspolitik der Cameron-Regierung in Grossbritannien auseinander. Die britische Regierung hat in den ersten zwei Jahren in der Tat viel straffe Fiskalpolitik an den Tag gelegt. Danach wurde aber die fiskalpolitische Straffung zurückgefahren, wie in der folgenden Abbildung deutlich zu sehen ist, anhand von dem um die konjunkturellen Effekte bereinigten Haushaltssaldo (cyclically-adjusted balance).

Nun ist es so, dass die Anhänger der Regierung das BIP-Wachstum im Jahre 2013 wider besseren Wissens der Austeritätspolitik anrechnen. Wren-Lewis hingegen betont, dass Mehr-Wachstum seither nicht im Widerspruch zu der Ansicht stehe, dass die Austerität auf der Wirtschaft laste.

Denn wie Paul Krugman unterstreicht, ist aus Sicht des zeitlichen Verlaufs der Haushaltskonsolidierung zu erwarten, dass das derzeitige Niveau des BIP immer noch darunter Wert bleibt, was es sonst der Fall gewesen wäre, d.h. wenn es keine Austeritätspolitik gäbe. Die negative Auswirkung auf die Wachstumsrate des BIP findet nämlich nur in den ersten paar Jahren statt, danach nicht mehr.


Der um konjunkturelle Effekte bereinigte Haushaltssaldo Grossbritannies (cyclically-adjusted balance), Graph: Paul Krugman in The Guardian

Die Erholung der Wirtschaft hat m.a.W. erst nach der Abbremsung des Tempos der Haushaltskonsolidierung durch die Regierung begonnen. Das heisst, dass die wirtschaftliche Erholung nicht der Austeritätspolitik zu verdanken ist, sondern einem weniger aggressiven Ansatz zur Verringerung des Haushaltsdefizits.

Wie Krugman zum Ausdruck bringt, würde eine einmalige Straffung der Fiskalpolitik die Wirtschaft nur einmal treffen, nicht aber eine dauerhafte Verringerung der Wachstumsrate der Wirtschaft auslösen.

Die Rückkehr zum Wachstum, nach dem die Austerität aufs Eis gelegt wurde, ist daher nicht überraschend. Wenn das als politischer Erfolg gewertet würde, könnte man darüber scherzen, dass man, wenn man seinen Kopf ein paar Minuten lang an die Wand schlägt, dann tief einatmet, weil es gut tut, wenn man damit aufhört.

Eine harsche Austeritätspolitik in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft ist nicht notwendig. Die konservative Politiker und Medien-Vertreter sind aber stets bemüht, mit dem Hinweis auf die Gefahren der Verschuldung und der Defizite im Haushalt, soziale Leistungen der öffentlichen Hand zu kürzen und den Sozialstaat nach und nach abzubauen.

Dass die rigorose Austeritätspolitik in Grossbritannien von Anfang an nicht erforderlich war, zeigen auch die vom Statistikamt ONS am Dienstag vorgelegten Inflationsdaten: Die jährliche Inflationsrate lag im April bei minus 0,1%. Das letzte Mal, als Grossbritannien einer Verbraucherpreis-Deflation gegenübersah, war im März 1960. Damals fielen die Preis um geschätzte 0,6%.




Grossbritanniens Inflation wird negativ, Graph: Office for National Statistics, ONS

Kurzum: Die Austerität hat der britischen Wirtschaft geschadet, wie das Office of Budget Responsibility (OBR), eine von Osborne eingerichtete unabhängige Behörde, gerade festgestellt hat: Das BIP wurde zwischen 2010 und 2012 um 2% reduziert. Wren-Lewis schätzt, dass sich der Schaden bis auf 15% des BIP belaufen könnte.


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