Freitag, 29. Mai 2015

Was bedeuten negative Interbankenzinssätze?

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am 15. Januar 2015 den Mindestkurs von 1,20 CHF pro EUR aufgehoben und gleichzeitig den Zins für Guthaben auf den Girokonten (die einen bestimmten Freibetrag übersteigen) um 0,5% auf minus 0,75% gesenkt.

Das Zielband für den 3-Monats-Libor hat die SNB damit weiter in den negativen Bereich verschoben, von bisher -0,75% bis 0,25% auf -1,25% bis -0,25%.

Ziel ist es, 1) um eine massive Überbewertung des CHF zu verhindern, 2) um das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung zu fördern und 3) um die Inflation zu erhöhen.

Ein negativer LIBOR-Satz bedeutet theoretisch, dass die kreditaufnehmende Bank durch die kreditgebende Bank für die Geldaufnahme vergütet wird. Der LIBOR ist der täglich festgelegte Referenzzinssatz für unbesicherte Geldmarktkredite zwischen den international tätigen Banken. Der LIBOR wird für sehr kurze und monatliche Notierungen fixiert.

Wie funktioniert aber ein negativer Interbankenzins? Warum lässt sich eine Bank darauf ein?

Der IWF hat im LänderberichtSwitzerland: 2015 Article IV Consultation“ May 2015 am Dienstag u.a. die folgende bemerkenswerte Abbildung veröffentlicht.


Negative Schweizer Interbankenzinssätze, Graph: IMF Switzerland 2015 Article IV Consultation

Die SNB will, wie gesagt, mehr Geld in die Wirtschaft fliessen lassen, um auf diese Weise der Deflationsgefahr zu begegnen. Während durch die Mehr-Liquidität das Kreditgeschäft im Interbanken-Handel erleichtert wird, werden Frankenanlagen angesicht der nochmals tieferen Zinsen deutlich weniger attraktiv. Und die SNB gibt sich nachträglich entschlossen, eine weitere CHF-Aufwertung zu unterbinden.

Um zu verstehen, wie negative Interbanken-Zinssätze funktionieren können, muss man sich vergegenwärtigen, dass wir in ungewöhnlichen Zeiten leben: Die Finanzkrise von 2008 (Great Recession) ist ohne Zweifel die schwerste Krise seit der Great Depression in den 1930er Jahren. Die nominalen Zinsen liegen nahe null (zero lower bound). Die Wirtschaft steckt in einer Liquiditätsfalle. Das Wirtschaftswachstum ist schwach. Es mangelt an Nachfrage. Die Arbeitslosigkeit verharrt in den grössten Volkswirtschaften der Welt auf hohem Niveau. Und die Zentralbanken unterbieten die eigene Zielinflation seit langer Zeit.

In der Eurozone, Dänemark, Schweden und der Schweiz werden auf überschüssige Mittel der Geschäftsbanken, die bei der Zentralbank geparkt werden, Negativzinsen erhoben.

Es kann sich aber u.U. lohnen, das Geld zu negativen Zinsen (zu LIBOR, EUR oder CHF) an eine andere Bank zu leihen, als bei der Zentralbank zu einem negativen Zinssatz (negative deposit rate) zu hinterlegen, wenn sich dadurch Kosten sparen lässt.

Das heisst, dass es auch vorteilhaft (günstiger) sein kann, eine sichere Staatsanleihe mit einer negativen Rendite zu kaufen, als die überschüssigen Mitteln zu einem negativen Einlagesatz bei der EZB zu parken. Man denke an die Gesellschaften, die passive investment vorziehen, weil die Anleger mit sicheren und liquiden Staatspapieren besser bedient sind.

In der Tat ist es in einigen Fällen möglich, dass eine negative Rendite sich als profitabel erweist, wenn die bevorzugte Währung sich aufwertet: Wenn man z.B. auf eine CHF-Aufwertung setzt, kauft man trotz der gegenwärtig unter der Null-Marke verlaufenden Rendite eine Staatsanleihe in CHF. Die Wette kann aufgehen, wenn der Franken im Verlauf der Zeit tatsächlich an Wert gewinnt.

Man denke an die Investoren, die vermehrt deutsche Staatspapiere gekauft haben, weil sie befürchtet haben, dass die Eurozone auseinanderfallen würde. Die Flucht in die Sicherheit (d.h. Qualität) hat damit den Rückgang der Renditen an den Anleihemärkten zusätzlich beschleunigt.

Negative Zinsen können in einem Umfeld des schwachen Wirtschaftswachstums und der besonders niedrigen Inflation helfen, die Effektivität der Geldpolitik zu erhöhen.

PS:
Der EONIA (Euro OverNight Index Average) war im August 2018 erstmals negativ: -0,004%. Das ist der Zinssatz, zu dem sich Banken einander über Nacht Kredite in EUR gewähren.

PPS:
Der Euribor (EUR Interbankenzinssatz) für drei Monate rutschte im April 2015 erstmals unter null: -0.001%.

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