Freitag, 8. Mai 2009

EZB: Kurswechsel?

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern ihren Leitzins für den Euro-Raum auf ein Rekordtief gesenkt. Nach mehr als 22 Monaten seit dem Ausbruch der Krise hat sie nun endlich eine Reihe aussergewöhnlicher Massnahmen angekündigt. Grund: Die massive Verschlechterung der Kreditbedingungen im Euro-Raum. EZB-Chef Jean-Claude Trichet hat das gegenwärtige Zinsniveau als „angemessen“ bezeichnet. Zugleich deutete er an, dass weitere Senkungen nicht ausgeschlossen sind. Hier sind die Massnahmen im Einzelnen:

(1) Die EZB hat ihren Hauptrefinanzierungssatz um 0,25% auf 1,0% gesenkt.


ECB Refinance Rate, Graph: bloomberg.com

Spitzenrefinanzierungsfazilität: 1,75%
Das ist der Zinssatz, zu dem die Geschäftsbanken bei der EZB über Nacht Kredit in Anspruch nehmen dürfen

Einlagenfazilität: 0,25%
Das ist der Zinssatz, zu dem die Geschäftsbanken über Nacht Guthaben bei der EZB anlegen dürfen.

(2) Die EZB hat den Aufkauf von Euro-Anleihen („covered bonds“, d.h. Pfandbriefe) in der Euro-Zone angekündigt. Das Volumen: 60 Mrd. €. Die Einzelheiten werden nach der EZB-Sitzung am 4. Juni 2009 bekanntgegeben. Nach Einschätzung von Morgan Stanley Analysten machen 60 Mrd. € rund 10% des Jumbo Marktes aus.

PS: Mit diesem Entscheid wurde übrigens Axel Weber völlig übergangen, da der Bundesbankpräsident sich bislang stets gegen den Aufkauf von Anleihen durch die EZB ausgesprochen hatte.

(3) Die EZB hat die Laufzeit der Finanzierungsgeschäfte mit Banken verlängert, um das Finanzsystem zu stablisieren. Die Banken dürfen sich in Zukunft bei der EZB für bis zu 12 Monaten (bisher max. 6 Monate) Geld borgen. Das erste Refinanzierungsgeschäft („refi ops“) wird am 23. Juni ausgeschrieben.

(4) Die EZB hat die Europäische Investmentbank (EIB) zu einer berechtigten Gegenpartei im Euro System für geldpolitische Operationen erklärt. Das heisst, dass die EIB Zugang zur Liquidität bei der EZB erhält. Das gilt ab dem 8. Juli 2009.

Die EZB will den Kauf von Pfandbriefen durch die Ausgabe von Anleihen finanzieren. Trichet will damit den Markt wiederbeleben, der von der Krise stark betroffen ist. Den ungewöhnlichen geldpolitischen Kurs der EZB nennt Trichet „credit easing“ (Kreditlockerung). Ein Begriff, der auf den Fed-Chef Ben Bernanke zurückzuführen ist. Da das Aufkaufprogramm der EZB im Volumen wesentlich kleiner ist als das anderer Zentralbanken wie die der Fed oder BoE, kann dabei technisch noch nicht von „quantitative easing“ (QE: mengenmässige Lockerung) gesprochen werden. Die Inflation wird im Jahresverlauf 2009 weiter nachgeben und einen Wert von Minus aufweisen. Die EZB wird allmählich die Ausdauer der deflationären Tendenzen wahrnehmen müssen und die Zinsen weiter lockern. Ein Übergang zur Politik der QE ist daher nur eine Frage der Zeit.

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