Dienstag, 2. Dezember 2014

Nicht die schwarze Null, sondern die zweifache Null ist entscheidend

Während das Wirtschaftswachstum ins Stocken gerät und die Inflationserwartungen sich zurückbilden, fallen auch die Renditen der Staatsanleihen weltweit. Ein Gradmesser für Staatsanleihen in der ganzen Welt ist laut Bloomberg inzwischen auf ein 18-Monats-Tief gesunken.

Auch der Ausblick für 2015 bleibt getrübt. Das vorherrschende makroökonomische Thema im kommenden Jahr dürfte demnach der Kampf der Zentralbanken gegen niedrige Inflationsraten sein, verkündet Joachim Fels von Morgan Stanley in einer am Sonntag veröffentlichten Studie.

Dass die Inflationsrate in vielen Volkswirtschaften unter dem Ziel der Preisstabilität der Zentralbanken verläuft, verheisst in der Tat nichts Gutes. Die Fed hat beispielsweise ein festes Inflationsziel (keine Schwelle) von 2 Prozent genau wie die EZB und die SNB. Es ist unumstritten: Wenn von der Zielinflation dauerhaft nach unten abgewichen wird, entsteht Deflationsgefahr.

Warum streben aber moderne Notenbanken (seit den 1990er Jahren) ein Inflationsziel von 2% pro Jahr an? Warum nicht etwas mehr (z.B. 3%) oder weniger (z.B. 1%)?

Die Frage ist heute insofern von Bedeutung, als eine Vielzahl von renommierten Ökonomen vorschlagen, dass z.B. die EZB vorübergehend eine Inflationsrate von rund 4% anvisieren soll, um die Wirtschaft aus der Depression zu holen.

Das heisst andererseits, dass das feste Inflationsziel von 2% infolge der Finanzkrise von 2008 auf dem Prüfstand steht.



Nullzinsgrenze (zero lower bound) für viele Zentralbanken, Graph: Morgan Stanley

Wie Paul Krugman in einer lesenswerten Analyse („Inflation Target Reconsidered“, May 2014) erklärt, handelt es sich bei Inflation Targeting von 2% um einen Kompromiss im ökonomischen und politischen Sinne.

Die Ziel-Inflationsrate von 2% wurde gewählt, weil sie hoch genug war, um diejenigen, die sich um die Nullzins-Grenze (zero lower bound) Sorgen machen, zu beruhigen und niedrig genug, um diejenigen, die um die Preisstabilität bangen, zufriedenzustellen.

Die Letzteren sind sogar auf Null-Inflation versessen, da die Geldwertstabilität ihrer Ansicht nach sonst nicht gewährleistet ist. Ein Dollar muss also für immer ein Dollar bleiben.


Inflation unter dem Zielwert der Preisstabilität einer Vielzahl von Zentralbanken, Graph: Morgan Stanley

Auf der anderen Seite deuten die Realisten auf die Schwierigkeiten in Form von Starrheit hin, die mit zweifacher Null zu tun hat: (1) Die Zinssätze können nicht unter null fallen und (2) Kein Arbeitnehmer erfreut sich über nominale Lohnkürzungen.

Diese Überlegungen legen nahe, dass ein positives Inflationsziel angestrebt werden soll, um Spielraum zur Senkung von Realzinsen unter Null zu schaffen. Und damit auch relative Löhne sich ohne eigentliche Kürzungen anpassen können.

Die Ziel-Inflationsrate von 2% soll also dazu beitragen, dass (a) eine anhaltend lange Zeitperiode auf der Nullzinsgrenze (zero lower bound) unwahrscheinlich wird und dass (b) der Arbeitsmarkt so angekurbelt, dass die Lohnrigidität (downward wage stickeness) möglichst wenig Schaden anrichtet.

So haben sich die Experten auf 2% Zielinflationsrate als Blickpunkt in modernen Volkswirtschaften geeinigt. Das derzeitige Problem, mit dem die Zentralbanken sich zanken, ist, dass die Nullzinsgrenze mittlerweile seit mehr als sechs Jahren anhält und und die nach unten starren Löhne eine grössere Schwierigkeit darstellen als man sich bisher ausgedacht hat wie die Entwicklung (internal devaluation) in der Eurozone offen darlegt.

Eine schwere Finanzkrise und Balance-Sheet Recession (Bilanz-Rezession) können also Situationen auslösen, wo die zweifache Null die Erholung der Wirtschaft unheimlich erschwert.

Die Idee, dass die schwarze Null stehen muss, ist abwegig. Zumal Austerität in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft ein Trugschluss der Komposition ist. Es kommt vielmehr auf die zweifache Null an.

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