Streber der VWL warten immer gespannt
auf die nächste Ausgabe des World Economic Outlook (WEO) des Internationalen
Währungsfonds (IWF), schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Oligarchs and Money“) am Montag in NYTimes. Es ist immer interessant und sogar
provokativ. Auch die aktuelle Ausgabe bildet hierbei keine Ausnahme.
Der kürzlich vorgelegte WEO-Bericht bietet in der Tat ein überzeugendes Argument für die Anhebung des
Inflationsziels über 2%, was zur Zeit in den fortgeschrittenen
Volkswirtschaften die Norm ist.
Viele Menschen sehen ein, dass
ein sinkendes Preisniveau eine schlechte Sache ist. Niemand will japanische
Verhältnisse erleben. Die japanische Wirtschaft versucht, seit den 1990er
Jahren die Deflation zu bekämpfen. Was aber weniger eingesehen wird, ist, dass
es auf der Null-Grenze (zero lower bound)
keine rote Linie gibt.
Das heisst, dass eine Wirtschaft mit einer Inflation von
0,5% viele der gleichen Probleme bekommt wie eine Wirtschaft mit einer
Deflation von 0,5%. Aus diesem Grund hat der IWF neulich vor „lowinflation“ gewarnt, was Europa in eine
Stagnation à la Japan versetzen würde, auch wenn keine vollständige Deflation
stattfindet.
Was bedeutet aber in diesem
Zusammenhang eine höhere Inflation?
Eine höhere Inflation ist gut für
Schuldner und daher gut für die gesamte Wirtschaft mit einem Überhang an
Schulden, was zur Zeit das Wirtschaftswachstum und dadurch die Schaffung von
Arbeitsplätzen verhindert.
Eine höhere Inflation veranlasst in der Regel
Menschen, zu konsumieren, als auf dem Cash-Bestand zu sitzen. Und darauf kommt
es v.a. in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft sehr an.
Eine höhere
Inflation kann zudem als eine Art Schmierstoff in der Wirtschaft die Anpassung
von Preisen und Kosten erleichtern, erklärt Krugman weiter.
Realzinsen (für Staatsanleihen
mit 10 Jahren Laufzeit) im Vergleich, Graph:
IMF in: Chapter 3: „Perspectives on global real interest rates", April 2014“
Eine Frage, die sich stellt, ist,
ob es heute ausreichen würde, auf das offizielle Inflationsziel zurückzukommen?
Die Antwort lautet mit Sicherheit nicht. Die geldpolitischen Experten dachten,
dass ein Inflationsziel von 2% hoch genug wäre, um die Wirtschaft davor zu
hüten, in eine Liquiditätsfalle zu rutschen. Aber Amerika steckt mittlerweile
seit fünf Jahren in einer Liquiditätsfalle. Das heisst, dass die Experten damit
völlig falsch lagen.
Darüber hinaus gibt es heute deutliche
Hinweise darauf, dass die Investoren derzeit weltweit tendenziell Cash horten.
Und damit steigt das Risiko von Liquiditätsfallen. Es sei denn, das
Inflationsziel wird etwas angehoben. Aber der IWF-Bericht hüllt sich darüber in
Schweigen.
Warum wird das Offensichtliche
aber nicht geradeheraus ausgesprochen? Eine Antwort ist, dass die Very Serious
People (VSP) damit ihre Ernsthaftigkeit beweisen wollen, indem sie schwierige
Entscheidungen und Opferbereitschaft fordern. Und sie verabscheuen Antworten,
die nicht mehr Leid beinhalten, legt Krugman dar.
Dahinter steckt, wie Krugman
argwöhnt, klassenbedingte Voreingenommenheit. Was Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht hat (durch niedrige Zinsen die
Schuldenlast abzubauen),wird öfters als financial repression (mehr dazu auch hier) genannt, was sich zwar schlecht anhört.
Aber wer würde heute einer
moderaten Inflation und Asset-Erosion nicht den Vorrang gegenüber Massenarbeitslosigkeit
geben? Nun, ja, wir wissen es: 0,1%. Eine geringfügig höhere Inflation, sagen wir mal um 4%, wäre für die
überwiegende Mehrheit der Menschen gut, so Krugman. Aber es wäre schlecht für
die Super-Elite. Und man denke daran, wer die gängige Meinung prägt?
Das Klassen-Interesse ist aber
nicht allmächtig, fasst Krugman als Fazit zusammen. Gute Argumente und gute
Wirtschaftspolitik können manchmal vorgehen, auch wenn dadurch die 0,1 Prozent tangiert
wird. Sonst hätte Amerika nie eine gute Gesundheitspolitik bekommen. Aber es muss
klar gestellt und erkannt werden, was sich hier abspielt, was sowohl die
Geldpolitik als auch sonst viele andere Sachen betrifft: Was für Oligarchen gut
ist, ist für Amerika nicht gut.
1 Kommentar:
Ich glaube, dass statement zum Thema "Wer profitiert" ist zu kurz gesprungen: Eine Wirtschaft mit höherer Inflation bedeutet nicht automatisch, dass die 0,1% davon nicht - auch nicht ausschliesslich - davon profitieren könnten. Vielmehr wäre es auch möglich, dass gerade durch die höhere Geldumlaufgeschwindigkeit mehr Erträge genau bei dieser Gruppe hängen bleiben könnte. Sie könnten ihr Kapital zu entsprechend höheren Zinsen einsetzen und beim Konsum ihrer Produkte höhere Gewinne "abgreifen". Ich meine, eine höhere Inflationsrate und die Frage über eine Einkommens- und Vermögensumverteilung sind von einander zu trennen und gesondert zu lösen. Viele Grüsse
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