Martin
Wolf will Banken die Geldschöpfung unterbinden. Der Mitherausgeber und
Chef-Kommentator von Financial Times (FT) aus London plädiert in einem
Meinungsartikel („Strip private banks of
their power to create money“) in FT für den
Aufbau von „100% reserve banking“.
Zur Erinnerung: Die Banken schöpfen Geld, indem sie
Kredite vergeben. Die Kredite werden i.d.R. nicht von den Einlagen der anderen
Bankkunden finanziert. Das heisst, dass die Banken das Geld „aus dem Nichts“ (out of thin air)
schaffen. Nimmt jemand Kredit auf, wird ihm der entsprechende Betrag seinem
Konto auf der Bank gutgeschrieben.
Wolf will mit dem Vollgeld-System
den Banken übermässige Kreditvergabe verunmöglichen. Beim „100% reserve system“ können die Banken nur dann Geld ausleihen, was
ihnen als Einlagen zur Verfügung gestellt wird.
Da die private Buchgeldschöpfung durch die Banken Instabilität in der Wirtschaft verursache, soll laut Wolf die Notenbank die Aufgabe der Geldschöpfung übernehmen, um für einen ausgeglichenen Konjunkturzyklus zu sorgen.
Da die private Buchgeldschöpfung durch die Banken Instabilität in der Wirtschaft verursache, soll laut Wolf die Notenbank die Aufgabe der Geldschöpfung übernehmen, um für einen ausgeglichenen Konjunkturzyklus zu sorgen.
Mit Bezugnahme auf Wolfs Kommentar rufen Atif Mian und Amir Sufi in ihrem Blog den in den 1930er Jahren unterbreiteten und als „Chicago Plan“ bekannten
Vorschlag zur Unterbindung der Geldschöpfung mit einem Mindestreservesatz von
100% in Erinnerung. Irving Fisher
hatte damals im Sog der Great Depression
die Idee tatkräftig unterstützt. Eine „lockere Schraube“ im gegenwärtigen amerikanischen Geld- und
Bankensystem ist die Anforderung von nur „fractional
reserves“, lautete damals eine Bemerkung unter einigen Ökonomen.
Die Autoren deuten darauf hin, dass sie in ihrem neuen Buch auf
das Thema „fractional reserves versus
100% reserve banking“ ausführlich
eingehen.
Financial Stress Index, Graph: FRED, Fed St. Louis
Auch Paul Krugman findet die Debatte „echt interessant“.
Die Befürworter des Vollgeldmodells vertreten die Meinung, dass die Tatsache,
dass die Banken nur einen Teil (fraction) der Einlagen (bzw. der
möglichen Nachfrage) bei der Zentralbank als Reserve halten müssen, naturgemäss
den Weg für Bank Runs bereite und zu
sich selbst erfüllenden Vertrauensverlusten führe. Deshalb setzen sie sich
dafür ein, den Banken die Geldschöpfung zu entnehmen.
Wolf scheint sich dabei nur auf kurzfristige
Schuldtitel (short-term debt) zu
fokussieren, was im Angesicht der Natur der Finanzkrise von 2008 eine enge Sicht
darstellt, argumentiert Krugman zu Recht.
Denn es gab im Verlauf der Finanzkrise von 2008 kaum
Bank Runs wegen Kundeneinlagen, sondern massive Stürme im Shadow Banking System, und zwar in Sachen Repo (d.h. Kreditgeschäfte über Nacht).
Das Overnight-Repo
Geschäft ist eine Finanztransaktion, die einen gleichzeitigen Verkauf und
Rückkauf eines Wertpapiers kombiniert. Es sind m.a.W.
Wertpapierpensionsgeschäfte, die über Nacht mit einer Rückkaufvereinbarung
abgeschlossen werden. Die Kreditvergabe über Nacht erfüllt im Grunde genommen
die Funktionen eines Einlagengeschäftes (deposit
banking), schafft aber die gleiche Art von Risiken, legt Krugman dar.
Wolfs Versäumnis ist gross, ergänzt der
Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften: Wenn wir einen
Mindestreservesatz von 100% einführen, treiben wir mehr Finanzinstitute in das
Schatten Bankensystem, was das System noch riskanter machen würde.
Krugman wirft v.a. die Frage auf, ob wir uns wirklich
sicher sind, dass die von Banken verursachten Probleme die ganze Geschichte
ausmachen, was schief gelaufen ist.
Ein Blick auf den Finanzmarkt Stress-Index
legt nahe, dass die Rückkehr zur Normalität in den Finanzmärkten (durch
Rettungsmassnahmen, d.h. bailouts und
staatliche Garantien usw.) nicht eine schnelle Erholung der realen Wirtschaft
zur Folge hat. Die Wirtschaft ist immer noch schwer angeschlagen (depression) und viele fortgeschrittene
Volkswirtschaften sind am Rande einer Deflation, und zwar seit mehr als fünf
Jahren.
Die Stürme auf Banken (bank runs) mögen die Dinge auf die Spitze getrieben haben. Aber die
Probleme sind tiefer. Das Kernproblem betrifft übermässige Verschuldung (leverage) und die daraus resultierende
Bilanz-Probleme der privaten Haushalte (balance
sheet recession), so Krugman als Fazit:
Weder das 100%
reserve banking noch die Besteuerung von Repo-Geschäften (wie John Cochrane es vorschlägt) kann den übermässigen Einsatz von Fremdkapital wirksam angehen.
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