Donnerstag, 10. Dezember 2015

Euroraum, Austerität und Haushaltskonsolidierung

Die EZB geht davon aus, dass das Pro-Kopf-BIP im Euro-Raum am Ende des Jahres um 1,6% unter dem Wert liegt, wo es vor sieben Jahren war, am Ende des Jahres 2008.

Das sagte Vitor Constancio, Vize-Präsident der EZB vor rund vier Wochen im Rahmen eines Referats in Frankfurt.

Das heisst, dass die europäische Wirtschaft immer noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht hat. Dafür ist die übermässig restriktive Fiskalpolitik und die unzureichend lockere Geldpolitik verantwortlich.

Der Aufstieg der hegemonialen Austeritätspolitik, begleitet von einer merkantilistischen Lohndumping-Politik in Deutschland hat die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Europe praktisch zum Erliegen gebracht.

Im Ergebnis leiden über 22 Millionen Menschen unter Arbeitslosigkeit und stagnierenden Löhnen.

Selbst Constancio räumt ein, dass die Kombination aus niedriger Inflation und dem schwachen Wachstum im Wesentlichen auf einen Mangel an Nachfrage hindeuten, warum die Erholung der Wirtschaft sich verzögert.



Erholungszyklus der Wirtschaft im Euroraum im historischen Vergleich, Graph: Peter Praet, ECB in: „Monetary policy under uncertainty


Was heisst aber Austeritätspolitik (fiscal austerity) genau?

Im Allgemeinen wird darunter der Versuch, das Haushaltsdefizit zu verringern, durch Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen, verstanden.

Das Problem damit ist, dass die Beschreibung mit Haushaltskonsolidierung identisch ist, bemerkt Simon Wren-Lewis in seinem Blog. Man könnte sagen, dass die Austerität (fiscal austerity) eine Menge Haushaltskonsolidierung bedeutet. Aber das wäre eine schwache Definition.

Die geläufige Nutzung der Definition scheint davon auszugehen, wie wenn Austerität einige Schäden anrichten würde, nicht nur für die Menschen, die von Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen betroffen werden, sondern die Wirtschaft als Ganzes.

Google bietet die folgende Definition von Austerität: „schwierige wirtschaftliche Bedingungen, die durch die Massnahmen der Regierung, um die Staatsausgaben zu senken, entstehen“.

Das unterscheidet sich aber von der Haushaltskonsolidierung. Denn eine Konsolidierung an sich muss nicht zu „schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen“ führen, wie Wren-Lewis hervorhebt. Wenn die Haushaltskonsolidierung (fiscal consolidation) durch die expansive Geldpolitik ausgeglichen werden kann, gibt es für die Wirtschaft als Ganzes keinen Anlass, in irgendwelche Schwierigkeiten zu geraten.

Deswegen schlägt der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor die folgende Definition für die fiskalpolitische Austerität vor: 

„Haushaltskonsolidierung, die zu einem deutlichen Anstieg der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit führt oder vielleicht sogar mehr formal, zu einer negativen Produktionslücke (negative output gap)“.

Unter dieser Definition macht der Ausdruck „expansionary austerity“ natürlich keinen Sinn.

Fazit: Für die Weltwirtschaft oder eine Wirtschaft mit eigener Zentralbank und einem schwankenden Wechselkurs ist Austeritätspolitik daher im Allgemeinen völlig unnötig, weil die Haushaltskonsolidierung bis zu einem Zeitpunkt, wenn die Geldpolitik in der Lage ist, sie auszugleichen, hinausgeschoben werden kann, erklärt Wren-Lewis weiter.

Das bedeutet, dass die Austeritätspolitik in den USA, Grossbritannien und im Euroraum als Ganzes hätte völlig vermieden werden können.











1 Kommentar:

Johannes hat gesagt…

Was ich mich immer wieder frage: "Wann ist denn der richtige Zeitpunkt, ab dem die Haushaltskonsilidierung beginnen soll?" Dazu wurde bis jezt nichts veröffentlicht.