Freitag, 19. Juli 2013

Chinas Wirtschaftsdaten: Ein Buch mit sieben Siegeln

Wirtschaftsdaten werden am besten als eine besonders langweilige Genre der Science-Fiction angesehen. Aber die chinesischen Daten sind noch fiktiver als die meisten, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Hitting China’s Wall“) am Freitag in NYTimes: Bedenkt man die schiere Grösse des Landes mit einer geheimnisvollen Regierung und einer kontrollierten Presse, erweist sich als schwierig, herauszufinden, war in China wirklich passiert, im Vergleich zu jeder anderen bedeutenden Volkswirtschaft auf der Welt.

Doch die Zeichen sind jetzt unverkennbar. China is in grossen Schwierigkeiten. Die Rede ist nicht von irgendeinem kleinen Rückschlag. Es ist viel mehr: etwas Fundamentales. Die ganze Art und Weise, wie das Land im ökonomischen System Geschäfte (unglaubliches Wachstum in drei Jahrzehnten) macht, hat auf seine Grenzen gestossen. Man könnte sagen, dass Chinas Modell sich gerade anschickt, gegen die Wand zu fahren. Und es ist nur die Frage dessen, wie schlimm der Absturz sein wird.

Krugman fährt dann mit den Daten fort, wie unzuverlässig sie auch sein mögen. Was sofort auffällt, ist das schiefe Gleichgewicht zwischen Konsum und Investitionen. Fast die Hälfte von BIP entfällt auf Investitionen. Wie ist das überhaupt möglich? Die Geschichte, die am meisten Sinn macht, beruht auf einer alten Einsicht des Ökonomen Arthur W. Lewis, erklärt der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Lewis hat argumentiert, dass die Länder in den früheren Stadien der wirtschaftlichen Entwicklung  i.d.R. einen kleinen modernen Sektor neben einem grossen traditionellen Sektor mit einem „Überschuss an Arbeit“ (surplus labor) haben: unterbeschäftigte Bauern steuern im besten Fall einen marginalen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Leistung bei.

Die Existenz von Überschuss an Arbeit hat laut Krugman wiederum zwei Effekte: (1) Solche Länder können für eine Weile massiv in neue Fabriken, den Bausektor und so weiter investieren, ohne abnehmende Erträge, weil sie aus den ländlichen Gegenden Arbeitskräfte beziehen können. (2) Die Konkurrenz aus dieser Reserve an Mehr-Arbeitskräfte sorgt dafür, dass die Löhne niedrig bleiben, auch wenn die Wirtschaft weiter wächst.

Die Überschuss an Bauern wird, grob ausgedrückt, langsam knapp. Das sollte eine gute Sache sein, wie Krugman darlegt. Die Löhne steigen endlich. Gewöhnliche Chinesen fangen an, die Früchte  des Wachstums zu teilen. Aber es bedeutet auch, dass die chinesische Wirtschaft plötzlich mit der Notwendigkeit für ein drastisches „Rebalancing“ konfrontiert wird. Investitionen stehen jetzt vor dem Gesetz des abnehmenden Ertrags. Und der Konsum muss nun drastisch steigen, um seinen Platz einzunehmen. Die Frage ist, ob dies schnell genug geschehen kann, um einen bösen Einbruch zu vermeiden.

Die Antwort darauf scheint laut Krugman ein Nein zu sein. Die Notwendigkeit für Rebalancing war seit Jahren offensichtlich. Aber China hat die erforderlichen Änderungen auf die lange Bank geschoben. 

Was hat das Ganze für den Rest der Welt zu bedeuten? Westliche Volkswirtschaften gehen zur Zeit durch ihren „Minsky Moment“, einen Punkt, wo überschuldete Kreditnehmer im privaten Sektor alle gleichzeitig versuchen, ihre Schulden abbauen, was einen allgemeinen Einbruch provoziert. Chinas wirtschaftliche Probleme sind das letzte, was der Rest von uns benötigen, fasst Krugman als Fazit zusammen: „Viele Leser mögen jetzt ohne Zweifel ein intellektuelles Schleudertrama spüren. Erst neulich hatten wir Angst vor Chinesen. Jetzt haben wir Angst um sie. Aber die Situation hat sich nicht verbessert“.

Keine Kommentare: