In einem aktuellen Eintrag im Blog iMFdirect
gehen Maurice Obstfeld, Gian Maria Milesi-Ferretti und Rabah Arezki der Frage
nach, warum die Wirtschaft auf den Rückgang des Ölpreises so schwach reagiert.
Die Autoren postulieren, dass der hohe Realzins
die Ursache für die fallenden Inflationserwartungen ist.
Auch wenn Öl heute ein weniger wichtiger
Produktion-Input ist als es vor drei Jahrzehnten war, sollte es in umgekehrter
Richtung gelten, dass die fallenden Ölpreise zu fallenden Produktionskosten, zu
Mehr-Beschäftigung und zum Rückgang der Inflation führen, argumentieren die
Verfasser der Studie.
Dieser Kanal funktioniere aber heute nicht, weil
die nominalen Zinsen nahe null liegen. Und weil die Zentralbank die Zinsen
nicht weiter senken kann, erhöht der Rückgang der aktuellen und erwarteten
Inflation den Realzins, was auf der Nachfrage lastet und den potentiellen
Anstieg in Produktion und Beschäftigung beeinträchtigt.
Die Autoren verweisen als Beleg für die
„deprimierende Wirkung niedriger erwarteten Ölpreise“ auf die
Inflationserwartungen auf die folgende Abbildung, die einen starken direkten
Zusammenhang zwischen den US-Öl-Futures-Preisen und den marktbasierten
langfristigen Inflationserwartungen zeigt.
Ölpreise versus Inflationserwartungen, Graph: „Oil Prices and the Global
Economy“, in: iMFdirect, March 2016
Das hört sich intuitiv vernünftig an. Aber was sich hier fragt, ist im Grunde genommen, wie es um die
Verankerung von Inflationserwartungen bestellt ist. Gibt es Anlass zur Sorge?
Denn es geht schliesslich um die Geldpolitik und die
Glaubwürdigkeit der Zentralbank, (die Preisstabilität sicherzustellen und für die Beschäftigung zu sorgen) wie Tim
Duy in seinem Blog als Antwort darauf schreibt.
Der an der Oregon
University lehrende Wirtschaftsprofessor bemerkt, dass die von den Autoren hervorgehobene
Korrelation hin und wieder verschwindet, wenn man z.B. einen längeren Zeitraum
an den Tag legt.
Worauf Duy hindeutet ist, ob wir in der
Zeitreihen-Analyse mit einem stationären oder nicht-stationären Prozess zu tun
haben. Denn die Eigenschaften, die man mit Stationarität erhält, gelten nicht
nur für einzelne Zeitpunkte, sondern sie sind Invarianzen über die Zeit hinweg.
Zum Beispiel: Ölpreise sind nicht-stationär. Dollar-Index ist
nicht-stationär. Inflationserwartungen sind stationär, erläutert Duy.
Wenn die Inflationserwartungen eine
nicht-stationäre Zeitreihe wären, dann würden Inflationserwartungen via Schocks
vom Zielwert der Zentralbank abdriften. Denn die Inflationserwartungen würden
ent-ankert (unanchored). Und wir
hätten in der Tat ein Problem, wenn Inflationserwartungen nicht-stationär
wären.
Das führt zum Schluss, dass die jüngste
Korrelation zwischen Ölpreisen und 5y5y forward Inflationserwartungen nicht auf
einen dazu zugrundeliegenden Zusammenhang hinweisen und die Zentralbanken der
im IWF-Blog aufgestellten Hypothese deshalb nicht folgen sollten.
Die hohe Variabilität der 5-jährigen
termin-basierten Inflationserwartungen in 5 Jahren (5y5y forward inflation expectations) ist eher auf strukturelle
Probleme (z.B. die Tiefe des TIPS-Markets) an den Finanzmärkten zurückzuführen
als auf einen raschen Wandel in Inflationserwartungen, erklärt Duy weiter.
Sollten sich die genannten strukturellen
Unzulänglichkeiten zurückbilden, ist zu erwarten, dass sich der von den
Inflationserwartungen gemessene Wert dem Mittelwert annähert („mean-reversion
Effekt“).
Wir sollten daher in die Inflationserwartungen,
die auf den Markt basieren, nicht allzu viel hineinlesen. Schliesslich
betrachtet auch Janet Yellen die 5y5y forward inflation expectations als
„Ausgleich“ (compensation) für die
erwartete Inflation, und nicht als „Erwartungen“ (expectations) per se, wie sie im Januar 2015 einmal angesprochen und dann
am 16. März noch einmal betont hat.
Es ist deswegen Vorsicht geboten, wenn es um
Behauptungen geht, wonach die Ölpreise die Inflationserwartungen beeinflussen
würden. Die in der jüngsten Zeit beobachtete Korrelation ist wahrscheinlich
fadenscheinig. Inflationserwartungen sind voraussichtlich „Mittelwertrückkehrer“, d.h. ein „mean
reverting process“, was zugleich auch die Glaubwürdigkeit der US-Notenbank, den
Inflation-Zielwert zu erfüllen, unterstreichen würde.
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