Samstag, 5. März 2016

Fallende Inflationserwartungen und Zweitrundeneffekte

Die jährliche Inflation ist im Euro-Raum im Februar auf minus 0,20% gesunken, wie eurostat am 29. Februar gemeldet hat.

Die EZB hat den Rückgang der Teuerung bislang stets mit den gesunkenen Preisen für Erdöl und andere Rohstoffen begründet. Das heisst im Grunde genommen, dass keine Deflationsgefahr vorliegt, solange die Kerninflation um 1% notiert.

Bemerkenswert ist, dass Jens Weidmann vergangene Woche in der Eingangsstellungnahme zur Vorstellung des Bundesbank-Jahresabschlusses 2015 vor Deflation-Angst gewarnt hat.

Präsident der Deutschen Bundesbank vertritt auch die Meinung, dass „die nochmals gefallenen Energiepreise den ohnehin nur schleppenden Anstieg der Inflation in Richtung der Definition von Preisstabilität des EZB-Rats weiter verzögern“.

Für die Geldpolitik sei der kurzfristige Inflationsausblick weniger entscheidend. Rechnet man Energiepreisschwankungen heraus, liegt die entsprechende Inflationsrate im Euro-Raum derzeit bei 1%, so Weidmann weiter.

Allerdings ist die Kerninflation inzwischen auf 0,7% gefallen.

Für die Geldpolitik sind die mittelfristigen Preisaussichten entscheidend. Und bei Ihnen kommt es v.a. darauf an, wie gross das Risiko von Zweirundeneffekten des Ölpreisrückganges und der niedrigen Inflationsraten ist, ergänzt Weidmann.



Kreditübertragungskanal im Euro-Raum, Graph: Pictet WM via Bloomberg


Genau auf diese Zweitrundeneffekten geht das Pictet Wealth Management in einer am Freitag vorgelegten Analyse ein: Die grösste Komponente des Preisverfalls entfalle auf die Energie, aber die EZB sei zunehmend besorgt über Zweitrundeneffekte, weil die Aussicht auf den Ölpreisverfall den Druck auf den Euro-Raum erhöhe, in Deflation zu geraten.

Die jüngsten PMI-Daten aus Europa zeigen, dass die Unternehmen im Euro-Raum die Preise zuletzt so schnell gesenkt haben wie seit drei Jahren nicht mehr. Es bestehen zwar keine Risiken für eine Deflationsspirale. Aber es sei ein Risiko, das die EZB im aktuellen Markt-Umfeld nicht ignorieren kann, so die Studie weiter.

Der Verfasser des Berichts warnt zum Schluss davor, dass die EZB die Gefahr einer möglichen Beeinträchtigung des Kreditübertragungskanals sehr ernst nehmen soll.

Ein besonders wichtiger Faktor ist andererseits, wie Stephen Williamson in seinem Blog mit Bezug auf die Entwicklung der Inflation in der US-Wirtschaft hervorhebt, dass die Verbraucher möglicherweise weniger Geld zum Ausgeben für andere Waren und Dienstleistungen gehabt hätten, und die anderen Preise niedriger wären als sie tatsächlich sind, wenn die Energiepreise nicht dramatisch gefallen wären. (*)

Wer den Ölpreisverfall als eine Art Konjunktur-Programm ansieht, soll es sich nochmals überlegen.



(*)

Damit es keine Missverständnisse gibt: Der Ölpreisverfall ist kein Konjunktur-Stimulus für die Weltwirtschaft. Die Konsumenten können wohl davon profitieren, weil sie mit dem gegebenen Einkommen mehr Güter kaufen können. Aber die Produzenten von Öl leiden darunter, weil ihre Einnahmen abnehmen, was weniger Nachfrage im Rest der Welt bedeutet. Und am Einkommen der Welt insgesamt ändert sich zunächst gar nicht, wie Heiner Flassbeck betont.

Die entscheidende Frage für die Konjunktur ist, wie die Hersteller und Verbraucher auf die Einkommensentwicklung reagieren, was die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen betrifft.

Ein wirkliches Konjunkturprogramm ist viel effektiver (wegen der steigenden Nachfrage nach Kapital) als der Umverteilungseffekt fallender Ölpreise, wie Flassbeck weiter erläutert. Das ist ein wesentlicher Punkt, der in der Debatte nicht ausser Acht gelassen werden darf.






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