Samstag, 29. September 2012

Warum die SNB nicht in Hosenknöpfe investiert


Daniel Gros kritisiert in einem Interview („Die Schweiz ist Weltmeister in der Währungsmanipulation“) mit Finanz und Wirtschaft die von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) verfolgte Geldpolitik in einer Extremsituation.

Der Vorwurf lautet: Währungsmanipulation. Es ist bemerkenswert, dass der Leiter der Brüsseler Denkfabrik Ceps (Centre for European Policy Studies) nicht von einem „weltweiten Währungskrieg“ spricht. Es gebe einige Scharmützel. Die Überfälle, die stattfinden, werden nicht so sehr als feindlicher Akt wahrgenommen.

Und „die USA manipulieren den Dollar nicht. Sie intervenieren nicht. Sie machen einfach ihre Politik und konzentrieren sich auf ihre eigene Prioritäten“, erklärt Gros. Die konkrete Kritik an die Schweiz läuft darauf hinaus, dass die SNB interveniert, um den Leistungsbilanzüberschuss beizubehalten.

Gros‘ Argumentation hat zwar einen roten Faden, aber sie sieht das grosse Bild nicht. Die EZB hat das OMT-Programm angekündigt. Die Fed hat die dritte Runde der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (QE3) in Angriff genommen. Die Bank of Japan (BoJ) hat mitgeteilt, dass sie ihr Anleihenkauf-Programm aufstockt.

Wie Barry Eichengreen in einem lesenswerten Artikel („From currency warfare to lasting peache“) in voxeu vor genau zwei Jahren hervorgehoben hat, müssen alle führenden Zentralbank an einem Strang ziehen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln. Die USA, Japan und Europa haben jeweils eine angeschlagene Wirtschaft. Sie alle profitieren von einer neuen Runde der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik. Wenn die Fed, die EZB und BoJ alle gleichzeitig die monetären Bedingungen lockern würden, gäbe es keinen Grund die eine Währung der anderen vorzuziehen, bzw. von einem „weltweiten Währungskrieg“ zu reden.


Wechselkurse, Graph: SNB, Quartalsheft 3/2012

Das Problem ist, dass die EZB Winkelzüge macht. Die EZB hat zwar OMT-Programm angekündigt, aber die Umsetzung des Hilfsprogramms ist an restriktiven Konditionen geknüpft.

Das heisst, dass die EZB sich immer noch weigert, die natürliche Rolle einer Zentralbank als lender of last resort zu übernehmen. Wenn z.B. Spanien die Konditionalität nicht erfüllt, bekommt es keine Hilfe, weil die Aktivierung der Anleihekäufe durch die EZB nicht automatisch erfolgt. Das heisst, dass die EZB keine spanischen Staatsanleihen am offenen Markt aufkaufen wird. Deshalb ist Spanien wieder in den Fokus der Spekulanten gerückt. Die Rendite der spanischen Staatspapiere mit 10 Jahren Laufzeit ist diese Woche erneut auf mehr als 6% geklettert, was bedeutet, dass die Finanzierungskosten des Landes wieder ansteigen. Der Grund ist, wie gesagt, dass die EZB nicht ohne wenn und aber agiert, was die potenzielle Feuerkraft des OMT-Programms relativiert.

Während die EZB also weiter restriktiv zuschaut, wie der Euro sich abwertet und der Abschwung sich vertieft, bleibt die SNB mit der Praxis aktiv. Die Rezession, die sich im Euro-Raum aus der Untätigkeit der EZB weiter verschlechtert, ist aber auf alle Fälle schlimmer als die Festhaltung der SNB am Mindestkurs des Franken von 1,20 pro Euro.

Gros sagt, dass die Schweiz ja nur in Hartwährungsanlagen investiere und damit die Target-Ungleichgewichte der Deutschen Bundesbank vergrössere.

Die Anlage der Aktiven der SNB untersteht dem Primat der Geld- und Währungspolitik und erfolgt nach den Kriterien Sicherheit, Liquidität und Ertrag. Die SNB verwaltet ihre Aktiven nach den Grundsätzen einer zeitgemässen Asset-Allokation. Die Devisenreserven werden daher zum grossen Teil in sicheren und liquiden Wertpapieren angelegt, und nicht in Hosenknöpfe oder in Glasperlen.

Gros sagt, dass es keine grosse Deflation droht.

Doch. Es droht Deflationsgefahr. Warum? Eine übermässige Aufwertung des Frankens kann durchaus deflationäre Tendenzen stärken. Die Teuerungsrate ist in der Schweiz negativ. Die Kerninflation weist den 11. Monat in Folge einen Minus-Wert auf.  Hier ist der mögliche Ablauf:

Eine Aufwertung des Frankens macht die Importe billiger, was über die Zeit die Erwartungen der Verbraucher und Unternehmen auf einen anhaltenden Rückgang der Preise schüren kann.

Die Gefahren für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sind vielfältig:

Das Geld wird gehortet. Die Konsumausgaben gehen zurück. Warum? Weil Konsumenten noch tiefere Preise in Zukunft erwarten. Gleichzeitig halten sich auch die Unternehmen mit Investitionen zurück, weil die Realzinsen steigen. Die Aufwertung des Frankens führt dazu, dass die Exporte abnehmen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpft. Folglich steigt die Arbeitslosigkeit.

Die SNB kann also nicht zulassen, wenn sie die Preisstabilität erhalten will, dass die Deflationsrisiken in der Schweiz zunehmen. Deshalb versucht sie, sich gegen die übermässige Aufwertung des Frankens zu stellen.

Im Übrigen legt Gros in einem Ende August veröffentlichten Artikel („Eurozone needs a German sovereign wealth fund“) in FT im Zusammenhang mit seinem Vorschlag zur Gründung eines deutschen Staatsfonds nahe, dass sich der Euro auf diese Weise abwerten würde, was dem Exportgeschäft zu Gute käme.

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