Montag, 30. Januar 2012

Sparkurs-Katastrophe

Vergangene Woche hat die National Institute of Economic and Social Research, eine britische Think Tank eine verblüffende Abbildung veröffentlicht. Die Grafik vergleicht die aktuelle Krise mit früheren Rezessionen und Erholungen.

Es stellt sich heraus, dass Grossbritannien es, gemessen an Veränderungen des realen BIP, heute schlechter hat als während der Grossen Depression, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Montagskolumne („The Austerity Debacle“) in NYT.

Grossbritannien ist aber nicht das einzige Land. Auch Italien hat es heute schlechter als damals. Und Spanien ist eindeutig auf dem Weg in eine Double-dip-Rezession, was bedeutet, dass drei von fünf europäischen grossen Volkswirtschaften heute schlechter dran sind als während der Grossen Depression. Dies stellt aber laut Krugman dennoch kein atemberaubendes Versagen der Politik dar.

Es ist ein Scheitern, v.a. der Sparpolitik (austerity doctrine), die die politische Diskussion sowohl in Europa als auch in einem grossen Teil der USA in den vergangenen zwei Jahren beherrscht hat, unterstreicht der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Im Oktober hat David Broder, der praktisch die gängige Meinung verkörpert, Cameron für seine Kühnheit gelobt, insbesondere dafür, die Warnungen der Ökonomen beiseite geschoben zu haben, dass die schwere Medizin wirtschaftliche Erholung Grossbritanniens senken könnte und das Land wieder in eine Rezession schicken würde. Dann hat Broder Präsident Obama aufgefordert, Cameron zu folgen und den Wohlfahrtsstaat radikal zurückzufahren.

Seltsamerweise haben sich diese Warnungen der Ökonomen nur allzu genau erwiesen, hält Krugman ironisch fest. Und er ist froh, dass Obama es nicht so getan hat wie Cameron.

Was nicht bedeutet, dass in den USA alles in Ordnung ist. Die Regierung hat zwar auf uneingeschränkte Sparmassnahmen verzichtet. Aber die kommunalen Verwaltungen, welche mehr oder weniger einen ausgeglichenen Haushalt führen müssen, haben die Ausgaben und die Beschäftigung abgebaut, nachdem der Staat die Bundeshilfen hat auslaufen lassen. Und dies war ein grosser Hemmschuh für die gesamte Wirtschaft. Ohne diese Kürzungen hätte sich die Wirtschaft wahrscheinlich auf dem Weg des sich selbst tragenden Wachstums befunden. Daher hängt die Erholung der Konjunktur heute immer noch in der Schwebe, legt Krugman dar.

Und die USA wären beinahe durch Kontinentaleuropa in die falsche Richtung gelenkt worden, wo die Sparpolitik dieselben Auswirkungen wie in Grossbritannien entfaltet, mit vielen Anzeichen, die auf eine Rezession in diesem Jahr hindeuten.

Das Ärgerliche an dieser Tragödie ist, dass es völlig unnötig war. Vor einem halben Jahrhundert hätte jeder Ökonom (jeder Bachelor, das das Lehrbuch „Economics“ von Paul Samuelson gelesen hat) sagen können,  dass die Sparpolitik angesichts der Depression eine sehr schlechte Idee ist. Aber die politischen Entscheidungsträger, Experten und (was Krugman leid tut, zu sagen) viele Ökonomen haben beschlossen, vorwiegend aus politischen Gründen, zu vergessen, was sie gelernt hatten. Und Millionen von Arbeitnehmern zahlen nun den Preis für ihre vorsätzliche Amnesie.

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