Wie sich die Änderung der Bemessungsgrundlage am Finanzmarkt auswirkt:
Die US-Notenbank (Fed) hat seitdem Ausbruch der Kreditmarktkrise im vergangenen Sommer ihren Leitzins um 325 Basispunkte (d.h. 3,25%) auf 2,0% gesenkt. Seit Oktober liegen die Leitzinsen im Euroland höher als in den USA. Das war zuletzt 2003 der Fall. Aus dem aktuellen Sitzungsprotokoll der Fed geht hervor, dass eine weitere Lockerung der Zinspolitik für nicht angemessen gehalten wird, auch wenn die Wirtschaft noch etwas schwächer werden sollte. Die Fed-Mitglieder scheinen zu glauben, dass die US-Wirtschaft in einem zyklischen Abschwung steckt. Zugleich mehren sich Anzeichen, dass die Fed die Inflationsgefahr inzwischen ernst nimmt. Die Fed werde dafür sorgen, dass die Inflationsspirale nicht ausser Kontrolle gerät, sagte Janet Yellen gestern, die Präsidentin der Federal Reserve von San Francisco.
Es ist bemerkenswert, dass auch Bill Gross, der den weltgrössten Anleihenfonds (Pimco) führt, in seinem „Investment Outlook June 2008“ gerade auf dieses Thema eingeht. Er schreibt, dass sich manche Schwellenländer heute für „real growth“ Investitionen besser eignen. Der Grund: Die USA unterschätzen die Inflation wegen ihrer Methodologie zur Messung der Verbraucherpreise (CPI). Die Pimco ziehe es vor, in ausländische Aktien in fremder Währung und rohstoffbasierte Anlageklassen zu investieren, wo das reale Wachstum und die Inflationsrate „authentisch“ sind. Gross rät derzeit davon ab, US-Staatsanleihen oder inflationsgebundene Treasuries (TIPs) zu kaufen, weil deren Renditen wegen der „künstlich niedrigen“ Inflation real negativ sind. Die US-Notenbank hat am 21. Mai ihre Inflationsprognose für 2008 nach oben revidiert, von bisher 2,1 bis 2,4% auf neu 3,1 bis 3,4%. Was hat das alles mit der anrollenden Kreditmarktkrise zu tun? Vermögenswerte-Blasen (financial asset bubble) entstehen historisch gesehen in Zeiten niedriger Inflation. Investoren fangen an, sich über Kredite zu finanzieren. Plötzlich wachsen Kredite. Alan Greenspan, dem ehemaligen Fed-Chef wird bekanntlich seit geraumer Zeit vorgeworfen, die Spekulationsblase wenn nicht ausgelöst, aber doch gefördert zu haben, indem die Zinsen von ihm „zu lange zu tief“ gehalten wurden. Greenspan seinerseits hatte seine Zinspolitik zum Teil dadurch begründet, dass die amerikanische Inflationsrate um 0,5 bis 1,5% überschätzt sei. Daher hätte er mehr Spielraum. Die Debatte über die Inflationsbemessung war immer eine politische. Viele Staatsausgaben hängen von der Inflationsrate ab. Sinkt die Inflation, kann die Regierung die Ausgaben für z.B. die Sozialleistungen, Teuerungszuschlag usw. kürzen und das Geld für anderweitige Zwecke ausgeben. In den 1990er Jahre wurde in den USA in der Methodologie zur CPI-Ermittlung drei hauptsächliche Veränderungen vorgenommen: 1) Die arithmetische Kalkulation wurde durch die geometrische Berechnung ersetzt. 2) Substitutionseffekt wurde eingeführt: Würde der Preis von Rindfleisch relativ zum Huhnpreis steigen, würden mehr Hähnchen konsumiert, weil die Leute Rindfleisch durch mehr Huhn-Konsum ersetzen würden, so die Annahme. Der höhere Rindfleischpreis wird also in der Bemessung nicht berücksichtigt. 3) Hedonistische Anpassung: wenn der Preis eines Produktes steigt und zugleich die Qualität verbessert wird, sollte der Preisanstieg um den Dollar-Betrag, welcher die Leistungsverbesserung ausmacht, reduziert werden. Das betrifft v.a. Computer bzw. Software. Fazit: Die Änderung in der Bemessungsmethode führt dazu, dass die Inflationsrate (ca. um 1,0%) tiefer erscheint, d.h. unterschätzt wird, während das Wirtschaftswachstum (um den gleichen Prozentpunkt) höher ausfällt, d.h. überschätzt wird. Weitere Verästelungen betreffen die Bewertung von Finanzanlagen wie Aktien, Bonds und Immobilien.
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