Donnerstag, 14. Juli 2016

Nullkuponanleihe und Anpassung der Austeritätskosten


Deutschland hat am Mittwoch zum ersten Mal eine 10-jährige Staatsanleihe mit einem Kupon von 0,0% angeboten.

Auf der Versteigerung hat sich eine Rendite von minus 0,05% ergeben. Geboten wurden 4,7 Mrd. EUR. Und die Finanzagentur hat 4 Mrd. EUR zugeteilt.

Im Vorfeld der Auktion wurden deutsche Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit bereits mit einer Rendite von minus 0,04% gehandelt.

Es lohnt sich, angesichts der anhaltenden hohen Arbeitslosigkeit, einer zu geringen Inflation und des hohen Leistungsbilanzüberschusses im Euro-Raum in Erinnerung zu rufen, dass die deutsche Regierung eine „schwarze Null“-Politik auf die Fahnen geschrieben hat.

Deutschlands Überschuss ist im vergangenen Jahr auf 249,1 Mrd. EUR geklettert, was 8,5% des BIP entspricht.

Obwohl der IWF und die EU-Kommission es der deutschen Regierung ans Herz legen, den Überschuss allmählich abzubauen, betrachtet Berlin den Zuwachs in der Leistungsbilanz als ökonomischen Erfolg.



Die erste deutsche Bundesanleihe (10 Jahre) mit einer Negativ-Rendite auf einer Versteigerung, Graph: FastFT


Die deutsche Leistungsbilanz war in den 1990er Jahren defizitär. Aber während der 2000er Jahren ist der Überschuss mit dem Rest der Eurozone stetig angestiegen, bemerkt Gavyn Davies in seiner Kolumne in FT, zum Teil infolge von Arbeitsmarkt-Reformen (genannt „Harzt“) und zum Teil wegen des Aufschwungs in der EU-Peripherie in der Phase der EUR-Einführung.

Nach dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 ist der Überschuss im Euro-Raum zwar etwas zurückgegangen, aber gegenüber dem Rest der Welt hat sich der Anstieg fortgesetzt, zum Teil durch den Rückgang der Energiepreise und zum Teil durch die EUR-Abwertung.



Deutschland begibt zum ersten Mal eine 10-jährige Staatsanleihe mit Negativ-Rendite, Graph: Bloomberg


Ein wichtiger Aspekt ist aber, dass der Überschuss eine sich öffnende Lücke zwischen den Ersparnissen und den Investitionen in Deutschland widerspiegelt: Hohen Ersparnissen der privaten Haushalte stehen kaum Investitionen der privaten Unternehmen gegenüber, was natürlich mit einem schwachen Wachstumsausblick der deutschen Wirtschaft einhergeht, argumentiert Davies weiter.

Während private Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand einen financial surplus ausweisen, fällt im deutschen Aussenhandel nur das Ausland mit einem Defizit im Finanzierungssaldo auf.

Warum ist es aber ein Problem? Weil es ein Nachteil für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Rest der Welt bedeutet. Und weil es schwierig wird, den Überschuss, wenn die nominalen Zinsen bereits nahe null liegen, mit einer Niedrigzinspolitik zurückzufahren.

Das Lehrbuch besagt, dass die Einnahmen des einen die Ausgaben des anderen sind. In der Welt, die derzeit durch die Gefahr einer „secular stagnation“ geprägt zu werden scheint, kann das nur ein schwaches Wachstum und weiterhin niedrige Zinsen implizieren.

Was ist zu tun?

Deutschland erwartet vom Rest der Eurozone, sich selbst auf die Schulter klopfend, „Arbeitsmarktflexibilisierung, Sozialabbau und Selbstverantwortung“.

Was aber nicht vergessen werden darf, ist, dass der Überschuss im Aussenhandel Deutschland damals nach den 1990er Jahren dank der Senkung der Lohnstückkosten gelungen ist. Dass nicht alle Länder gleichzeitig einen Überschuss erwirtschaften können, muss wahrscheinlich nicht näher erläutert werden. Deutschland hat dazumal eine Art „internal devaluation“ durchsetzen können, ohne Deflation auszulösen, weil die Inflation im Rest der Eurozone (wegen des oben erwähnten Aufschwungs) wesentlich höher lag.

Es ist aber heute vermessen, vom Rest der Eurozone zu erwarten, mit den gleichen Massnahmen wie Deutschland sie damals ergriffen hat, eine Anpassung (der Austeritätskosten) durchzuführen.

Nicht vergessen werden darf, dass die deutsche Wirtschaft gegenwärtig von einem schwachen EUR-Wechselkurs profitiert. Nach Einschätzung des IWF (Germany: 2016 Article IV Consultation) ist der reale Wechselkurs Deutschlands heute im Grunde genommen um 15 bis 20% unterbewertet. Ohne EUR würde der deutsche Export-Sektor einen schweren Schlag hinnehmen, weil der D-Mark sich stark aufwerten würde.

Wie verschroben ist es, dass Deutschland für 10 Jahre 4 Mrd. EUR Kredit aufnimmt, und zwar zu einem Zinssatz von minus 0,05% und trotzdem auf Haushaltskonsolidierung besteht und die Euro-Finanzminister zum ersten Mal in der Geschichte Sanktionen gegen Spanien und Portugal verhängen, weil die beiden Länder ein Defizit in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft verzeichnen.



PS:

Nach dem Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU ist maximal eine Neuverschuldung von 3% des BIP erlaubt. Spanien hat 2015 ein Defizit von 5% und Portugal ein Defizit von 4,4% ausgewiesen.

PPS:

Auch in der Schweiz wurde gestern eine Staatsanleihe in CHF mit sage und schreibe 42 Jahren Laufzeit versteigert. Im Ergebnis belief sich die Rendite auf der Auktion auf minus 0,023%. Es hat sich dabei um eine Aufstockung gehandelt, mit Geboten in Höhe von 184,9 Mio. CHF; zugeteilt wurden 131,4 Mio. CHF.


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