Sonntag, 24. Juli 2016

Keine Inflation - keine Zinserhöhung

Die Inflationsaussichten bleiben angesichts der trägen Handelsaktivitäten und der anhaltenden Überkapazitäten weiterhin gedämpft.

Der von der US-Notenbank besonders aufmerksam beobachtete Wert core PCE Inflation dürfte sich nach Einschätzung von Morgan Stanley Ökonomen weiterhin zwischen 1,6% und 1,7% bewegen.

Das bedeutet, dass die Fed das Inflationsziel (2%) auch im kommenden Jahr unterbieten würde, womit die Preisstabilität das 9. Jahr infolge (nach unten) verfehlt wäre.

Alle möglichen Messgrössen von Inflationsausgleich und Erwartungen verharren auf historisch niedrigen Niveaus. Und wie aus der Sitzungsnotizen der Fed vom Juni hervorgeht, werden die amerikanischen Geldpolitiker zunehmend bekümmert, dass der Weg hin zum Zielwert von 2% auf mittlere Sicht bricht.

Die Teilnehmer des geldpolitischen Ausschusses der Fed äussern Besorgnisse über wichtige Abwärtsrisiken einschliesslich des persistenten disinflationären Drucks aufgrund der schwachen Wachstumsaussichten im Ausland.



Die Fed dürfte im Jahr 2017 das eigene Inflationsziel (ca. 2%) das 9. Jahr in Folge unterbieten, Graph: Morgan Stanley

Die industrialisierte Welt scheint in der Tat von einer zunehmenden Neigung zu Ersparnissen und einer abnehmenden Neigung zu Investitionen geplagt zu sein. Das Ergebnis ist ein Rückgang des realen Gleichgewichtszinssatzes (equilibrium real interest rate).

Und dies erschwert die Aufgabe der Zentralbank, die Geldpolitik weiter zu lockern, weil die Zinsen nicht unter null gesenkt werden können.

Das ist genau die Situation, die Larry Summers als secular stagnation beschreibt. Summers und Gauti Eggertsson erklären nun einem Artikel in voxeu, dass ein bestimmendes Element der Theorie der säkularen Stagnation ist, dass im Gegensatz zu den Analysen von Liquiditätsfalle wie sie z.B. von Paul Krugman vorgestellt werden, heute nicht notwendigerweise angenommen werden kann, dass der Realzins wieder auf ein positives „normales Niveau“ zurückkommt.

In einer Welt der säkularen Stagnation ist also die Annahme einer automatischen Rückkehr zum Normalen nicht berechtigt, weil der natürliche Zinssatz anhaltend oder sogar dauerhaft negativ sein kann, unterstreichen die Autoren mit Nachdruck.

Die Theorie der secular stagnation mag vor ein paar Jahren noch als unrealistisch wahrgenommen worden sein. Aber sie sieht heute glaubwürdig aus. Im Durchschnitt sind die langfristigen Zinsen in der industrialisierten Welt heute wesentlich niedriger als vor fünf Jahren.



Inflationsausgleich (inflation compensation); eine Entschädigung in der vollen Inflationshöhe, um die Inflation (zur Beibehaltung der Kaufkraft) auszugleichen, Graph: Morgan Stanley


Deshalb können Vorkommnisse wie Brexit heute viel mehr spilover effects entfalten als sonst unter normalen Umständen, so die Autoren

Im Allgemeinen überträgt sich die säkulare Stagnation zwischen Ländern über zwei komplementäre Kanäle, erklären Summers und Eggertsson:

(1) Nachfrageschwäche im Ausland und die Nullzins-Grenze (zero lower bound), wodurch der reale Wechselkurs im Inland ansteigt und die Zentralbank unter Druck gerät, die Zinsen niedrig zu halten, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stützen.

(2) Kapitalströme: Ein Land findet sich in einer secular stagnation vor, wenn die geplanten Ersparnisse die geplanten Investitionen übersteigen. Wenn Kreditvergabe und Kreditaufnahme grenzüberschreitend möglich sind, dann wandern die Ersparnisse ins Ausland via Leistungsbilanzüberschuss. Und das erhöht den Stress in den Ländern, wo das Kapital hin fliesst. Die Stärke dieses Übertragungskanals hängt natürlich von dem Aussmas der Kapitalmarkt-Integration ab.

Was ist nun daraus zu schliessen? Die Autoren bieten im Wesentlichen drei Schlussfolgerungen für die Wirtschaftspolitik:

(I) Kapitalzuflüsse sind schädlich für ein Land, das an der Nullzins-Grenze angekommen ist und ein Leistungsbilanzdefizit hat. Die Kapitalzuflüsse verschlechtern die Fehlanpassung zwischen den geplanten Ersparnissen und den geplanten Investitionen.

(II) Im Allgemeinen entfalten Geldpolitik und die Massnahmen, die ergriffen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, negative externe Effekte.

Fiskalpolitik und die Massnahmen, die getroffen werden, um die Binnennachfrage anzukurbeln, beinhalten hingegen positive Externalitäten.

Eine entscheidende Überlegung ist die Auswirkung einer gegebenen Massnahme auf die Unterschiede zwischen den Zinsen in den betreffenden Ländern, die mitberücksichtigt werden muss.

Die Autoren betonen noch einmal, dass die Ergebnisse ihrer Untersuchung die Zweckmässigkeit einer robusten fiskalpolitischen Antwort nahelegen, die in den einzelnen Ländern koordiniert werden soll.

(III) Fiskalpolitik lohnt sich in einer säkularen Stagnation und steht nicht im Widerspruch einer Politik der Haushaltskonsolidierung. Ein monostabiler Anstieg der Staatsausgaben erhöht die Nachfrage und ist in einer säkularen Stagnation eindeutig nachhaltig.

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