Dienstag, 12. Juli 2016

Das britische Pfund nach dem Brexit-Votum

Das britische Pfund hat im Juni gegenüber dem USD um 8,77% an Wert verloren. Seit Jahresbeginn hat die britische Landeswährung infolge der Brexit-Volksbefragung insgesamt um mehr als 12% abgewertet. Damit markiert GBP ein 31-Jahres-Tief.

Bemerkenswert ist, dass die inflationsindexierten Staatsanleihen Grossbritanniens mit einer Performance von rund 20% die vergleichbaren Anleihen aus den USA (TIPS) und Deutschland (Linker) in den Schatten stellen, in Erwartung von geld- und fiskalpolitischen Stimulierungsmassnahmen.

Während Sterling Pound sich als das unmittelbare Opfer der „Leave“-Entscheidung entpuppt, erfreuen sich Staatsanleihen grosser Nachfrage.

Da die starke Abwertung erwartungsgemäss die Preise der importierten Güter erhöhen dürfte, sind die Inflationserwartungen über die nächsten 5 Jahre (gemessen an Index Swaps) inzwischen auf 3,07% geklettert. Auch die 10-jährigen Break-even Sätze (Differenz zwischen nominal und real-Renditen) verbuchen derzeit den höchsten Wert seit Januar.



Die inflationsgeschützte Staatsanleihen Grossbritanniens, Ertrag im Vergleich zu US TIPS und German Linkers, Graph: Bloomberg


Deutsche Bank Analysten wagen vor diesem Hintergrund eine extreme Prognose: Das britische Pfund wird weiter fallen, um 10% und die Inflation steigt auf 5,2%.



Das britische Pfund hat 2016 gegenüber dem USD weltweit am schlechtesten abgeschnitten, Graph: Bloomberg


Einer von Bloomberg durchgeführten Umfrage zufolge dürfte die britische Notenbank (BoE) noch in dieser Woche die Zinsen senken, zum ersten Mal seit 2009. Erwartet wird eine Zinssenkung um 25 Basispunkte (d.h. 0,25%) auf 0,25 Prozent.



Grossbritannien: Inflationserwartungen, Graph: FastFT

Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass auch die Versicherungsprämien (gemessen an CDS) für die britischen Staatsanleihen in den vergangenen Tagen gestiegen sind, was in erster Linie damit zu tun haben dürfte, dass die zwei (S&P und Fitch) von drei bekanntesten Rating-Agenturen Grossbritannien die Bestnote in Bezug auf die Kreditwürdigkeit entzogen haben.



Die erste Zinssenkung in Grossbritannien seit 2009, Graph: Bloomberg


Es ist angesichts der fallenden Renditen der Staatsanleihen kein Widerspruch, weil die Marktteilnehmer davon ausgehen, dass die Finanzierung der Staatsschulden derzeit kein Problem darstellt, solange Grossbritannien über eine eigene Notenbank verfügt und eine eigene Währung hat.



CDS für Staatsanleihen Grossbritanniens, Graph: DIW, Berlin


Die Pfund-Abwertung für ein Land, das ein übermässiges Leistungsbilanzdefizit hat und über eigene Währung verfügt, ist an sich keine schlechte Sache.

Ein Land in der Eurozone hätte jetzt aufgrund der Bonitätskürzung grosse Probleme. Zur Erinnerung:

Der Ruf der EU-Behörden nach Austerität hatte ein grosses technisches Problem der Anpassung nach dem sog. Sudden Stop in der Eurozone nach 2012 ausgelöst, weil die politischen Entscheidungsträger aus der ganzen Entwicklung bereitwillig eine Moralfabel basteln. Die Wirtschaft ist aber keine Moralfabel.


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