Bereits am Vortag hatte der ehemalige Fed-Präsident die
Problematik angesprochen: In einer Welt, in der die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage zu kurz greift, ist „das Fortbestehen eines grossen deutschen
Leistungsbilanzüberschusses beunruhigend“.
Auf die
Frage, warum Deutschlands Überschuss im Aussenhandel so gross ist, nennt
Bernanke vorerst „zwei wichtige Gründe“:
(1) Der Euro: Es mag dahingestellt
sein, ob die Gemeinschaftswährung sich derzeit für alle 19 Länder in der
Eurozone auf dem richtigen Niveau befindet, oder nicht. Aber der Euro ist zu
schwach angesichts der tiefen Löhne und der Produktionskosten in Deutschland,
um mit einem ausgewogenen deutschen Handel im Einklang zu stehen.
Nach der
IWF-Schätzung vom Juli 2014 ist der um die Inflation angepasste Wechselkurs um
5 bis 15% unterbewertet. Seither hat sich der Euro um weitere 20% (gegenüber
dem USD) abgewertet, unterstreicht Bernanke.
Der
vergleichsweise schwache Euro ist ein unterschätzter Nutzen für Deutschlands
Teilnahme an der Währungsunion. Wenn Deutschland die D-Mark hätte, wäre die
Währung heute wesentlich stärker als der Euro, was die Kostenvorteile der
deutschen Exporte erheblich reduzieren würde.
Aussenhandel,
USA, China und Deutschland im Vergleich, Graph:
Prof. Ben Bernanke in: Brookings Blog
(2) Der
deutsche Aussenhandelsüberschuss wird durch die politische Praxis wie z.B.
durch die restriktive Fiskalpolitik gefördert, die die inländischen Ausgaben
des Landes unterdrückt, einschliesslich die Ausgaben für die Einfuhren. In der
träge wachsenden Weltwirtschaft bedeutet es Mangel an Nachfrage, weshalb
Deutschlands Handelsüberschuss ein Problem ist.
Die
Tatsache, dass Deutschland so viel verkauft als es einkauft, leitet die
Nachfrage von seinen Nachbarn (genauso von anderen Ländern in der Welt) um, was
die Produktion und die Beschäftigung ausser Deutschland reduziert, und zwar zu
einem Zeitpunkt, wo die Geldpolitik in vielen Ländern an ihre Grenzen stösst.
Idealerweise
müssten die Löhne im Rest der Eurozone im Verhältnis zu Löhnen in Deutschland
fallen, um die relativen Produktionskosten zu senken und die
Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Das führt aber zu Deflation, da die EZB
derzeit das eigene Inflationsziel unterläuft.
Deutschland
verfügt dennoch über einige politische Instrumente, um den Überschuss im
Aussenhandel zu reduzieren:
(a) Investitionen in die öffentliche Infrastruktur.
Deutschland kann sich heute auf 10 Jahre für weniger als ein Fünftel
Prozentpunkt (um die Inflation bereinigt sogar unter null) Kapital am Markt
leihen. Investitionen in die Infrastruktur würden den Überschuss abbauen und
die inländische Nachfrage stimulieren, während die Beschäftigung und die Löhne
steigen würden.
(b) Erhöhung
der Löhne der deutschen Arbeitnehmer: Deutsche Arbeiter verdienen eine wesentliche
Lohnerhöhung. Höhere Löhne würden zu einem Anstieg des Einkommens und des
Konsums führen. Tendenziell würde der Handelsüberschuss abgebaut.
(c) Reformen:
Deutschland könnte durch gezielte Reformen die Inlandsausgaben erhöhen,
darunter mit steuerlichen Anreizen für private Investitionen, durch die
Beseitigung von Hindernissen im Wohnungsneubau, Reformen im Einzelhandel und im
Dienstleistungssektor.
PS:
Dass die Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Eurozone über die Anpassung
der Lohnstückkosten geschlossen werden kann, schreibt Heiner Flassbeck seit vielen Jahren. In einer Währungsunion wie beispielsweise der EWU müssen
Löhne an die Produktivität plus Inflationsziel der EZB angepasst werden, damit
sich eine Konvergenz der Wettbewerbsfähigkeit ergibt. Deutschland muss die
Löhne erhöhen, sagte der Chefökonom der UNO-Organisation für Handel und
Entwicklung (UNCTAD) z.B. vor zwei Jahren in einem lesenswerten Interview mit der FuW aus
der Schweiz. Bitte nachlesen.
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