Montag, 7. April 2008

Nahrungsmittelkrise

Alle reden von der Finanzkrise. Aber es bahnt sich gleichzeitig eine weitere Krise an, und zwar auf dem Nahrungsmittelsektor. Die Weltbevölkerung wächst. Der Wohlstand nimmt zu. Vor allem in den sog. Schwellenländern steigt das Einkommen und Verbraucher ändern dadurch ihre Ernährungsgewohnheiten. Es wird mehr gegessen und mehr Energie verbraucht. Der dritte Grund für den steigenden Bedarf im Agrarsegment ist die vom ansteigenden Erdölpreis ausgelöste Suche nach alternativen Energieträgern.

Gemeint sind die Agrarerzeugnisse, welche als Grundstoffe für die Produktion von Ethanol und Biodiesel die Nachfrage zusätzlich ankurbeln. Das Angebot kann aber nicht Schritt halten. Konsequenz: die Preise steigen. Reis, Mais und Weizen, die meistangebauten Getreidesorten der Welt erleben derzeit einen Preisboom. Der Weizen verteuerte sich in den vergangenen fünf Monaten um mehr als 30%. Der Maispreis ist seit 2005 um 170% gestiegen. In den USA wird der Maisanbau im Rahmen der Biokraftstoff-Fördermassnahmen subventioniert. Amerikanische Farmer gehen deshalb dazu über, Ackerflächen für Weizen und Sojabohnen auf den lukrativeren Maisanbau umzustellen. Das verringert natürlich das Angebot. Die Preise steigen. Der Agrarrohstoffe-Boom ist auch an Reis nicht vorbeigegangen. Reis stellt für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung das Hauptnahrungsmittel dar. Insbesondere in Asien ist der Reis das Nahrungsmittel schlechthin. Der Preis hat sich in den vergangenen vier Jahren vervierfacht. Mit 20,26 Dollar je Pfund hat der Preis an der Terminbörse in Chicago vergangene Woche einen neuen Rekord verbucht. Pro Kopf und Jahr beträgt der Reisverzehr in Asien rund 150 Kilogramm. Im Vergleich: in Amerika nur 11 Kilo und in Deutschland ca. 3 Kilo. Die Jahresproduktion hat im Vorjahr weltweit 650 Mio. Tonnen betragen. Das entspricht einem Anstieg um 1% im Vergleich zum Jahr 2006. Tiefe Lagerbestände haben inzwischen in Indien zu einem Exportverbot für Reis geführt. Die Philippinen, weltweit grösster Reisimporteur wollen die ostasiatische Reisnotfallreserve anzapfen. Reisexportstaaten wie China und Vietnam schränken ihre Ausfuhren über Quoten und Steuern ein. Experten befürchten daher soziale Unruhen, da besonders ärmere Bevölkerungsschichten vom Preisanstieg betroffen sind. Die Preise von Getreide hängen ferner von der jeweiligen Jahreszeit ab. Paul Krugman, Wirtschaftsprofessor an der Princeton University, thematisiert in seiner aktuellen Kolumne in The New York Times energisch den wachsenden Kostendruck und die sozialen Folgen. Er bezeichnet in diesem Zusammenhang die Biokraftpolitik der Regierung als einen „schrecklichen Fehler“ und sieht Parallelen zwischen der Verwundbarkeit des hochverschuldeten und verbrieften Finanzsystems und des von der tiefen Lagerbeständen geprägten Nahrungsmittelsektors. Neuere Studien behaupten, dass der Ethanolboom einen grösseren ökologischen Schaden verursache als die Verbrennung von fossilen Energieträgern. Dazu kommt die Konkurrenz um die Anbaufläche. Die Abholzung von Regenwäldern, der verstärkte Einsatz von chemischen Düngern usw. In den USA ist der Nahrungsmittel-Preisindex im Vorjahr um ca. 5% gestiegen. Die Risiken für Preisstabilität und Umwelt sind unübersehbar.

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