Sonntag, 7. August 2016

Spanien und Portugal strafen Brüssel und Berlin Lügen

Brüssel war kurz davor, gegen Spanien und Portugal wegen mangelnder Haushaltsdisziplin Sanktionen zu erlassen.

Der Ministerrat hatte Mitte Juli auf Empfehlung der EU-Kommission festgehalten, dass Spanien und Portugal keine Anstalten machten, wirksame Massnahmen zum Defizitabbau zu treffen.

Doch die EU-Kommission hat vergangene Woche mit dem Hinweis auf die „labile politische Lage“ in beiden Ländern auf Geldstrafen verzichtet.

Im Vorfeld hatten Deutschland und die Niederlande Druck ausgeübt, die Regeln der EWU durchzusetzen, damit nicht wieder „eine Staatsschuldenkrise wie in Griechenland“ vorkommt.

Spanien und Portugal, die in EUR-Zwangsjacke feststecken, sollen also bestraft werden, weil sie in der schwersten Rezession (seit den 1930er Jahren) die Staatsausgaben erhöhen wollen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stützen.

Wie abwegig der restriktive Fiskal-Pakt der EU-Behörden ist, zeigt der Verlauf der Renditen der Staatsanleihen der beiden Länder. Denn was sich am Anleihemarkt seit geraumer Zeit abspielt, spricht gegen eine pro-zyklische Haushaltspolitik. Die Renditen der Staatsanleihen fallen, sie steigen nicht.



Die Rendite-Differenz zwischen deutschen und spanischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg


Die zusätzliche Rendite (spread), die die Investoren verlangen, um eine spanische Staatsanleihe zu kaufen oder zu halten, gegenüber einer deutschen Staatsanleihe mit der entsprechenden Laufzeit ist nach Daten von Bloomberg die vierte Woche in Folge zurückgegangen. Das ist der längste Ablauf in mehr als einem Jahr.



Die vom Markt implizierten Zinserhöhungen in den nächsten 12 Monaten in den USA und im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley


Und die Rally dürfte sich angesichts der wirtschaftlichen Daten, die bisher vorliegen, fortsetzen, weil die EZB keinen Anlass sieht, vom gegenwärtigen Kurs abzuweichen.

Die 10-jährigen spanischen Staatsanleihen wurden am Freitag mit einer Rendite von 1,02% gehandelt, nur 2 Basispunkte höher als der niedrigste Wert vom 1. August.



Wirtschaftswachstum im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Der Staatsanleihenmarkt mit der besten Performance in den letzten vier Wochen im Euro-Raum ist (berechnet bis zum 4. August) laut Bloomberg Portugal. Die portugiesischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit haben im letzten Monat einen Ertrag von 1.1% verbucht, doppelt so viel wie der durchschnittliche Ertrag (0,5%), gemessen am Bloomberg World Bond Index.



Lohnwachstum im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Fazit: Die empirisch widerlegte Haltung der EU-Behörden, dass die Haushaltsdefizite jetzt-jetzt-jetzt abgebaut werden müssen, weil die Renditen sonst durch die Decke schiessen würden, findet in den Märkten keinen Widerhall. Es sind weit und breit keine Bond-Vigilantes in Sicht.

Der Fiskalpakt löst im schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft ein Unwetter der Stufe rot aus, und erlaubt den Betroffenen nicht einmal, einen Schirm zu tragen. Wenn die EU-Behörden sich wider besseren Wissens daran festhalten, verlängern sie die Krise. 

Sparen in einer Liquiditätsfalle (paradox of thrift) öffnet die Produktionslücke und erhöht die Arbeitslosigkeit. Und Brüssel redet davon, dass Spanien und Portugal gegen die Auflagen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes verstossen. Woher soll aber das Wachstum kommen, solange der restriktive Fiskalpakt in Kraft bleibt?




3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Sparen in einer Liquiditätsfalle (paradox of thrift) öffnet die Produktionslücke und erhöht die Arbeitslosigkeit. Und Brüssel redet davon, dass Spanien und Portugal gegen die Auflagen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes verstossen. Woher soll aber das Wachstum kommen, solange der restriktive Fiskalpakt in Kraft bleibt?"


Wocher nehmen Sie den (mit Verlaub,naiven) Glauben, daß die Länder wachsen sollen??? Der Plan ist doch offensichtlich, daß die Krise zur Strukturveränderung in den Ländern der EU führen soll. Das Ziel ist die Idee der VSvE zu vollenden! Die "Entscheidungsträger" sind nicht dumm oder ideologisch verblendet sonder wissen ganz genau was sie tun!!! - das müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen, das ist die Realität - sonst ist Ihr Blog komplett sinnlos und Sie können noch xJahre das gleiche Wunschdenken schreiben (was noch dazu falsch ist! weil auf falschen Teorie aufgebaut)


Acemaxx-Analytics hat gesagt…

Wieso Wachstum?

Wirtschaftswachstum bedeutet in erster Linie mehr Beschäftigung.

Es kann kaum ein Zufall sein, dass die Jahrzehnte des maximalen Wachstums (1960er und 1990er Jahren) auch das schnellste Beschäftigungswachstum und den schnellsten Anstieg des Lebensstandards der Mittelschicht markieren.

Das Wachstum stellt die nötigen Mittel für erhöhte Einnahmen des Bundes zur Verfügung und fördert damit den Schutz der lebenswichtigen Sozialprogramme (wie z.B. Social Security und Medicare in den USA).

Und Wachstum schafft Spielraum für Initiativen wie z.B. Lohnsubvention (Erweiterung von Steuergutschriften).


Mehr dazu in einem neuen Eintrag in diesem Blog.

Anonym hat gesagt…

Das was Sie übers Wachstum schreiben ist alles richtig - kann ich nur unterstreichen!

Entscheidende Frage ist wie Wachstum entsteht u. wie kann man es steuern (und wie man Wachstum definiert)
Wenn man bei der üblichen Def. bleibt: BIP-Steigerung pro Jahr dann ist das Ziel klar - Produktionswert muß steigen.
Da wir aber in einer Geldwirtschaft leben - Anreize gehen vom Geld aus - ist die Geldpolitik entscheidend und Geld wird zum Steuerungsmittel. (Kommentar zum Artikel "Nachfrage nach sicheren Kapitalanlagen"

Geld (Giralgeld) entsteht bei Kreditvergabe einer Geschäftsbank (oder wenn eine Bank Vermögenswerte kauft). Also nur durch Kreditlenkung kann man die Wachstumsraten beeinflussen. Mehr Kredite (zusätzliches=„neues“ Geld) für BIP-relevante Transaktionen bewirken 1) mehr Investitionen in der Realwirtschaft = mehr Einkommen, mehr Beschäftigung oder 2) mehr Konsum bei Konsumkrediten = inflationär bei Konsumpreisen
Kredite für spekulative Zwecke (Immobilien,- Aktienkäufe usw.) = Assetpreisblasen, Immobilienblasen

Der Staat muß also die Kreditvergabe der Banken beeinflussen um die Wirtschaft effektiv steuern zu können. Diese Voraussetzung ist aber, besonders in der €-Zone, nicht gegeben! Die €-Staaten haben ihre Geldsouveränität an eine unabhängige Organisation abgegeben und sich damit dieser Möglichkeit beraubt.
(Rechtliche Regelungen des Maastrichtvertrages und deren Verschärfungen wie Fiskalpakt, „Sixpack“ usw. , absolute Unabhängigkeit der EZB, Deregulierung der Banken, Privatisierung, Liberalisierung u. andere „Strukturreformen“ beweisen daß die Ziele der „Entscheidungsträger“ andere sind als Wachstum und Wohlstand in Europa.