Mehr als die Hälfte der ausstehenden
Staatsanleihen im Euro-Raum werden z.Z. mit einer Negativ-Rendite gehandelt.
Die Basis ist der Bloomberg Eurozone
Sovereign Bond Index, der Staatsanleihen im Wert von 6'400 Mrd. EUR
erfasst.
Eine Frage, die in diesen Tagen immer öfters
aufgeworfen wird, ist, wie weit die Zinsen vor einer Normalisierung noch entfernt
sind? Das heisst, wann kommt die Zinswende?
Die Bank of England (BoE) hat vergangene Woche
die Zinsen gesenkt und zugleich mitgeteilt, dass sie sie weiter lockern kann,
wenn es notwendig werde. Davor hatten auch die Bank of Japan und die EZB eine
ähnliche Botschaft gesendet. Das heisst, dass auch sie bereit sind, falls
nötig, die Zinsen weiter zu senken.
Was passiert aber währenddessen? Die Ertragskurve
(yield curve) verflacht sich. Das
bedeutet, dass die Spanne (spread)
zwischen den kurzfristigen und den längerfristigen Zinsen kleiner wird.
Der Rückgang der Renditen am langen Ende der
Ertragskurve wird im Allgemeinen auf die QE-Politik (Ankauf von Staatsanleihen
am offenen Markt) durch die Notenbanken zurückgeführt. Und die Entwicklung wird
dann mehr oder weniger als Erfolg der proaktiv agierenden Zentralbanken
gefeiert.
Mehr als die Hälfte der ausstehenden
Staatsanleihen im Euro-Raum werden mit einer negativen Rendite gehandelt, Graph: Bloomberg
Wenn die Geldpolitik aber erfolgreich ist, dann
erwarten wir, dass die Inflationserwartungen steigen und die
Wachstumsaussichten sich verbessern. Und beide Kräfte sollten die
längerfristigen Rendite höher treiben, nicht tiefer, bemerkt Antonio Fatas in seinem Blog.
Etwas stimmt daher mit der gegenwärtigen
Geldpolitik grundsätzlich nicht, bemerkt der an der INSEAD lehrende
Wirtschaftsprofessor weiter.
Liegt es daran, dass die Notenbanken nicht
angemessen kommunizieren? (*) Denn niedrigere Nominalzinsen über alle
Laufzeiten hinaus kann kein Ziel sein, wenn die Inflation kaum vorhanden ist
und das Wachstum all zu niedrig erscheint. Wäre die Geldpolitik erfolgreich,
müssten die Renditen am langen Ende der Ertragskurve viel höher liegen. Und die
Ertragskurve müsste einen steileren Verlauf ausweisen, nicht einen völlig
flachen.
Es ist vermutlich eine Kombination von im
historischen Vergleich ungewöhnlichen Umständen und die Schwierigkeiten, mit
denen die Zentralbanken ringen, der Öffentlichkeit eine komplexe Strategie für
die Geldpolitik zu erklären. Im Ergebnis kippen auch die längerfristigen
Renditen um.
Solche Werte stehen aber mit keinem vernünftigen
Szenario für das Wachstum oder die Zinsen in den nächsten Jahrzehnten im
Einklang, bekräftigt Fatas seine Einschätzung mit Nachdruck:
„Wenn 30- und sogar 50-jährige Zinsen nahe Null
liegen oder sogar negativ sind, dann stimmt etwas nicht. Entweder es ist das
Ende des Wachstums wie wir es kennen oder der Beginn eines 30-jährigen
Zeitraums von extrem niedrigen Inflation kombiniert mit einer Deflation. Oder
unsere Erwartungen liegen völlig abseits und wir stehen kurz vor einer
interessanten Überraschung“.
Der Wert der Anleihen, die mit einer
Negativ-Rendite gehandelt werden, ist weltweit gestiegen, Graph: WSJ
(*)
Manche Ökonomen scheinen sich einig, dass
negative Zinsen eine Art unbeabsichtigte psychologische Wirkung via
Angst-Verbreitung über die Wachstumsaussichten entfalten können. Und es kommt
auf die Fähigkeit der Notenbanken an, damit umzugehen.
Miles
Kimball sagt zum Beispiel, dass es nicht die Zinspolitik per se ist, sondern die
Unfähigkeit der Notenbanken, effektiv zu kommunizieren, wenn die Menschen durch
die Negativ-Zinsen Angst bekommen. Die Notenbanker sollen Öffentlichkeit erklären,
dass es sich um ein ganz normales Instrument der Geldpolitik handelt.
Ersparnisse steigen in manchen Ländern, wo die
Staatsanleihen negative Renditen ausweisen, Graph:
WSJ
PS:
Was an Fatas Argumentation besonders interessant
ist, dass es an Neo-Fisherian Konzept
(vertreten von Prof. Michael Woodford) erinnert. Es handelt sich dabei um eine Präposition, wonach wir an der Nullzinsgrenze (zero lower bound) mit Geld oder mit Verzinsung der Reserven (bei
der Notenbank) irgendwie gedeckt (gesättigt) sind und nur daher eine
Zinserhöhung Inflation auslösen kann.
Die Idee ist kurz, dass niedrige Inflation
Deflation verursacht und höhere Zinsen Inflation auslösen. Der Ausgangspunkt ist
die Gleichung: nom. Zinsen = real Zinsen + Inflation.
Was ist davon zu halten? Stimmt es? Die
Lebensweisheit sagt, nein. Anhebung der Zinsen senkt die Inflation auf kurze
Sicht und erhöht sie auf eine sehr lange Zeit, wenn überhaupt. Andererseits
unterliegt die Weltwirtschaft derzeit einem epischen Wandel. Was wissen wir, was wir nicht wissen. Alles fliesst.
1 Kommentar:
" PS:
Was an Fatas Argumentation besonders interessant ist, dass es an Neo-Fisherian Konzept (vertreten von Prof. Michael Woodford) erinnert. Es handelt sich dabei um eine Präposition, wonach wir an der Nullzinsgrenze (zero lower bound) mit Geld oder mit Verzinsung der Reserven (bei der Notenbank) irgendwie gedeckt (gesättigt) sind und nur daher eine Zinserhöhung Inflation auslösen kann.
Die Idee ist kurz, dass niedrige Inflation Deflation verursacht und höhere Zinsen Inflation auslösen. Der Ausgangspunkt ist die Gleichung: nom. Zinsen = real Zinsen + Inflation.
Was ist davon zu halten? Stimmt es? Die Lebensweisheit sagt, nein. Anhebung der Zinsen senkt die Inflation auf kurze Sicht und erhöht sie auf eine sehr lange Zeit, wenn überhaupt. Andererseits unterliegt die Weltwirtschaft derzeit einem epischen Wandel. Was wissen wir, was wir nicht wissen. Alles fliesst."
Inflation entsteht, wenn Nachfrage nach Wirtschaftsgütern das Angebot übersteigt also die Produktionskapaziäten nicht mit der Nachfrage schritt halten. Heutzutage ist die Situation genau umgekehrt - es mangelt an Nachfrage, und die Unternehmer stocken ihre Läger auf. Deswegen haben wir Deflation (oder 0-Inflation). Durch die (fast) weltweiten "Strukturreformen"=Angebotspolitik erleben wir "einem epischen Wandel". Die Geldpolitik der ZB ist schon entscheidend aber das Zinsniveau hat damit nichts zu tun!
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