Dienstag, 2. August 2016

Wie der Fiskalpakt das Wachstum in Europa abbremst

Die Europäische Kommission hat am Mittwoch angekündigt, gegen Spanien und Portugal keine Sanktionen wegen der von EU-Finanzministern angekreideten Haushaltsdefizite (*) zu verhängen. 

Als Begründung wurde darauf hingewiesen, dass beide Länder vor grossen wirtschaftlichen Herausforderungen stünden. Die Brüsseler Behörde verzichte daher auf ein Geldstrafen-Verfahren.

Die Europäische Kommission will aber jetzt nach eigenen Angaben im September mit dem Europäischen Parlament in einen Dialog treten, über eine mögliche Aussetzung von sog EU-Strukturfonds (structural funds: EU’s regional development program) zu beraten.

EU-Wirtschaftskommissar Piere Moscovici hat hinzugefügt, dass die EU-Kommission am Einfrieren von Geldern aus dem Strukturfonds festhalten wolle.

Es ist unbestritten, dass die konjunkturellen Aussichten für beide „abtrünnigen“ Länder (Eurofinanzminister) sehr schwach sind: Die Arbeitslosigkeit verharrt auf einem extrem hohen Niveau und der deflationäre Druck bleibt bestehen. Und die ernste Notlage ist hauptsächlich auf die Austeritätspolitik der EU-Behörden zurückzuführen.

Wenn es zuletzt Anzeichen einer Erholung gegeben hat, dann ist es dank der Tatsache geschehen, dass sowohl die spanische (konservative) als auch die portugiesische Regierung (linke) von dem von Brüssel und Berlin verordneten Sparkurs etwas abgewichen sind.



Die Rendite der spanischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg


Es ist ein offenes Geheimnis, wie der restriktive EU-Fiskalpakt das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum abbremst. Die Eurozone hat heute sogar im schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft einen Primärüberschuss. Doch die Entscheidungsträger im Euro-Raum bestehen auf Haushaltskonsolidierung. Woher soll aber das Wachstum kommen, wenn alle Länder (und Wirtschaftssektoren) gleichzeitig sparen?



Die Rendite der italienischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: @FastFT

Die Krise im Euro-Raum war nie eine Fiskal-Krise; sie hatte ihren Ursprung von Anfang an in Zahlungsbilanz-Ungleichgewichten.

Das sieht man heute am Verlauf der Rendite der Staatsanleihen ganz deutlich. Die Rendite der spanischen Staatsanleihe beläuft sich auf rund 1 Prozent.

Auch die Rendite der italienischen Staatsanleihen mit vergleichbarer Laufzeit fallen weiter. Und der Rückgang des Anteils der ausländischen Investoren an den ausstehenden italienischen Staatsanleihen deutet darauf hin, dass die Spreads sogar tendenziell weiter abnehmen werden.



Anteil der ausländischen Investoren an European Government Bonds (EGB), Graph: Morgan Stanley

Deutschland hat genügend Spielraum, um im Euro-Raum etwas Stimulus beizusteuern. Der Bund hat im ersten Halbjahr 2016 aufgrund der Negativ-Zinsen für die aufgenommenen Schulden nichts zahlen müssen, sondern 1,5 Mrd. EUR von den Geldgebern eingenommen.


Der IWF empfiehlt der gesamten Eurozone, auch im nächsten Jahr trotz der offensichtlichen Widrigkeiten am Kurs der Haushaltskonsolidierung festzuhalten, während die europäische Wirtschaft einen erheblichen Überschuss im Aussenhandel (external surplus) aufweist und eine Produktionslücke hat, mit hoher Arbeitslosigkeit an der Peripherie. Das ist unverständlich, wie Brad Setser in seinem Blog zum Ausdruck bringt. 

Der IWF spricht sich zwar dafür aus, dass Deutschland es vermeidet, zu einem strukturellen Überschuss überzugehen und alle unerwarteten Einsparungen möglichst zu investieren.

Aber der IWF empfiehlt nicht, dass Deutschland mehr unternimmt. Dabei könnte Berlin mit einer lockeren Fiskalpolitik im Jahr 2017 und 2018 erstens die eigene schwache Binnennachfrage ankurbeln und zweitens den Druck auf die Geldpolitik der EZB an der Nullzins-Grenze (zero lower bound) erleichtern. 

Und damit wäre es auch für Spanien und Portugal einfacher, die Nachfrageschwäche, die aus der Austeritätspolitik hervorgeht, durch das Export-Geschäft anzupacken. Dadurch würde auch ein Beitrag dazu geleistet, die Last der bestehenden Handelsbilanzungleichgewichte im Euro-Raum etwas abzubauen.






(*)

EU-Vorschrift für ein Defizit: Max. 3% des BIP,
2015: Spanien: 5,1%, Portugal: 4,4%.










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