Sonntag, 15. Dezember 2013

Neue Debatte in der Ökonomen-Blogosphäre: Ungleichheit versus Arbeitslosigkeit

Ezra Klein hat am Wochenende im Wonkblog von WaPo mit der Aussage, dass die Ungleichheit nicht „die bestimmende Herausforderung unserer Zeit“ ist, eine heisse Debatte unter Ökonomen in der amerikanischen Blogosphäre ausgelöst.

Ausgangspunkt ist, dass Präsident Obama die Ungleichheit neulich als „the defining challenge of our time“ bezeichnet hat.

Klein sagt, dass das Wirtschaftswachstum und die Arbeitslosigkeit diese Herausforderung vielleicht besser darstellen. Die Demokraten sollen sich deshalb besser auf das Thema Arbeitslosigkeit konzentrieren.

Klein übersieht aber, dass die Ungleichheit das Wachstum schädigt, schreibt  Dean Baker in seinem Blog als Antwort darauf und fügt hinzu, dass Ungleichheit und Arbeitslosigkeit das gleiche Problem sind. Es sei ernsthaft fehl am Platz, die Ungleichheit und Arbeitslosigkeit als separate Probleme anzusehen.

Es mag sein, dass die Beweise weniger schlüssig sind als wir denken, aber die Möglichkeit soll trotz der weitgehenden Zurückhaltung der Ökonomen nicht ausser Acht gelassen werden, unterstreicht der Direktor des Center for Economic and Policy Research (CEPR) in Washington.

Es sei schwierig, eine Verbindung zwischen der steigenden Ungleichheit und dem schwachen Verbrauch zu finden. Aber es ist auch offensichtlich, dass die jahrzehntelange zunehmende Ungleichheit mit den jahrzehntelang anhaltenden Bubbles am Aktien- und Immobilienmarkt einhergeht, so Baker weiter. Man denke daran, dass der private Konsum ein Teil des Einkommens ist.

Jared Bernstein, der mit Dean Baker kürzlich ein Buch („Getting Back to Full Employment“) zum Thema vorgelegt hat, vertritt in seinem Blog die Ansicht, dass die nachfrage-orientierte wirtschaftspolitische Massnahmen sowohl die Arbeitslosigkeit senken als auch die Ungleichheit reduzieren.
 


Die Entwicklung des niedrigen, mittleren und hohen Einkommens in den USA, Graph: Jared Bernstein in: Picture of Job Market Slack, Nov 2013

Ein wesentlicher Faktor für die wachsende Ungleichheit ist insbesondere die verminderte Verhandlungsmacht der Mittel- und Niedriglohn-Arbeiter. In einer Wirtschaft wie der der USA mit wenig Druck von Tarifverhandlungen, niedrigen Löhnen und einem grossen Niedriglohnsektor im Vergleich zu anderen Industrieländern sind die strengen Arbeitsmärkte der einzige Freund, den die Arbeiter-Familien haben, hebt Bernstein hervor.

In den Zeiten, wo die Arbeitsmärkte 2/3 der Zeit fest waren, sind die Einkommen gewachsen. In den Zeiten, wo die Arbeitsmärkte 1/3 der Zeit fest waren, ist das Wachstum auseinandergeraten, bemerkt Bernstein weiter. Bekämpft man die schwache gesamtwirtschaftliche Nachfrage, kann man damit auch die Ungleichheit verringern, lautet seine Schlussfolgerung.



Prozentuale Anzahl der Quartale mit „zu hohen“ Arbeitslosigkeit in den USA, Graph: Jared Bernstein in: Picture of Job Market Slack, Nov 2013


Das Wirtschaftswachstum alleine reicht aber nicht aus, um die Ungleichheit zu unterbinden. Bernsteins Argument ist daher, dass Vollbeschäftigung eine gerechtere Verteilung des Wachstums erzwingt, wofür man sich einsetzen müsse.

Auch Paul Krugman ist mit Ezra Klein nicht einverstanden. Sein Hauptargument ist, dass die steigende Ungleichheit mehr Schaden angerichtet hat als der Abschwung, um die Einkommen der Mittelschicht zu drücken.

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor nennt in seinem Blog vier Gründe, warum es wichtig ist, das Augenmerk auf Ungleichheit zu richten.

(1) Der Anteil der unteren 90% am Einkommen (ohne Kapitalgewinne) ist von 54,7% im Jahre 2000 auf 50,4% im Jahr 2012 gesunken. Das bedeutet, dass das Einkommen der unteren 90% heute um ca. 8% niedriger ist als es gewesen wäre wenn die Ungleichheit stabil geblieben wäre.

(2) Für die Wirtschaftskrise ist zum Teil die steigende Ungleichheit verantwortlich. Die hohen Ersparnisse der oberen 1%, erhöhen die Verschuldung weiter unter auf der Skala, während die Nachfrage nachhaltig nur geringfügig steigt. Und die Kreditaufnahme wird durch die Ungleichheit weiter angetrieben, was zu Ausgaben-Kaskaden führt.

(3) Der Aspekt der politischen Ökonomie: Die politischen Fehler sind vor und vielleicht sogar noch mehr nach der Krise durch steigende Ungleichheit verzerrt worden, was mit einem Anstieg der politischen Macht der 1% einherging.

Vor der Krise hat ein Elite-Konsens Deregulierung und Financialization gefördert, obwohl das Ganze durch die Evidenz nicht gestützt wurde, aber den Interessen einer kleinen, wohlhabenden Minderheit diente. Nach der Krise kam es rasch zu einer Wende, weg von der Idee für die Schaffung von Arbeitsplätzen hin zu dem Ansatz der Bekämpfung der Haushaltsdefizite. War das alles aber im Interesse des durchschnittlichen Wählers? Nein. Es war eine Widerspiegelung der Prioritäten der Reichen. Und damit wurden mit der Zeit auch Forderungen laut, die Unterstützung für Langzeitarbeitslose und Menschen in Not zu kürzen, weil die Wirtschaft sich sonst erholen könne.

(4) Die Frage ist laut Krugman, was die progressiven Think Tanks in den USA erforschen sollen. Klein sagt, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt stehen soll anstelle von Bemühungen, die Ungleichheit zu reduzieren. Wir wissen aber, wenn auch nicht vollkommen, wie die Arbeitslosigkeit angegangen werden kann. Es ist kein Geheimnis, dass die Erholung der Wirtschaft langsam vor sich geht. Was wäre anders zu erwarten gewesen, wenn man imitten des Schuldenabbau-Prozesses im privaten Sektor die Fiskalpolitik restriktiv gestaltet und die Geldpolitik angesichts der Null-Zinsen (zero lower bound) keine Wirksamkeit entfalten kann. Die Frage ist also, warum die Politik alles, was die Makroökonomie gezeigt hat, einfach ignoriert. Die Antwort auf diese Frage hat viel mit dem Thema Ungleichheit zu tun.

Fazit: Die Ungleichheit ist bestimmt „die“ bestimmende Herausforderung unserer Zeit.


PS: Auch Robert Reich sagte in einem Interview (vor rund zwei Monaten) mit Yahoo Finance, dass die Einkommensungleichheit der Feind des Wirtschaftswachstums ist.

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