Sonntag, 16. August 2015

Wettbewerb unter Nationen

Der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg der Länder in der Eurozone hat mit dem internationalen Wettbewerb nichts zu tun. Doch hängt die Vorstellung, die die Schulder zu Schuldigen erklärt, von Beginn der Euro-Krise an wie ein Damoklesschwert über Europa.

Es ist das einzelwirtschaftliche Denken, das das Zepter schwingt: Die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge werden nach dem Ansatz der schwäbischen Hausfrau betrachtet.

Der Wettbewerb unter Nationen hat aber mit dem sinnvollen Wettbewerb unter Unternehmen nichts zu tun. Wenn das Land A mit seiner Standortpolitik das Land B bekämpft, schadet es nicht nur dem Konkurrenten Land B, sondern gleichzeitig einem Kunden.

Das einzelwirtschaftliche Denken ist für die Gesamtheit falsch, wie Heiner Flassbeck vor einigen Jahren in einem lesenswerten Interview treffend festgehalten hat.

Es kann nicht lange funktionieren, wenn Deutschland gewaltige Überschüsse erwirtschaftet, während die Peripherie gewaltige Defizite hat. Ohne Ausgleich geht es nur im Wettbewerb unter Unternehmen, unterstreicht der ehemalige Chef-Ökonom von UNCTAD in Genf. Die Ausgaben des einen sind nämlich die Einnahmen des anderen. Das ist in der ökonomischen Literatur als „Paradox of thrift“ bekannt.

Wettbewerbsfähigkeit ist ein relatives Konzept. Die Eurozone kann als Ganzes die Wettbewerbsfähigkeit nicht verbessern. Daher macht ein von der neoliberalen Wirtschaftskonzeption gefördertes rat race unter Nationen keinen Sinn.

Der internationale Wettbewerb ist weit weniger wichtig als die Legende als Erzählung, hält Paul Krugman in seinem Blog fest. Das Wirtschaftswachstum ist ziemlich unempfindlich gegenüber Politik.


Das reale BIP für die Bevölkerung (*) im erwerbstätigen Alter (15-64), Graph: Paul Krugman in NYTimes


USA und Frankreich stellen gemessen am internationalen Standard unter fortentwickelten Ländern zwei extreme Beispiele dar. Doch gibt es nicht viel Unterschied, was die langfristige Performance betrifft, wie der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor betont.

Heisst es aber, dass die Politik keine Rolle spielt? Gar nicht. Denn während es so etwas wie Null-Summen-Wettbewerb unter Nationen nicht gibt, ist die Frage, die sich stellt, wer die Gewinne erhält.

Das amerikanische Wirtschaftswachstum war in den vergangenen 25 Jahren in Ordnung. Das Einkommen der privaten Haushalte hingegen nicht so, weil ein grosser Anteil des Wachstums auf die Spitze entfällt.

Der internationale Wettbewerb ist daher die falsche Vorstellung. Der Klassenkampf ist aber sehr real.

(*) Was hier auffällt, ist, wie ähnlich die drei Volkswirtschaften aussehen. Japan lag in den 1990er und frühen 2000er Jahren zurück. Dann hat es sich erholt. Frankreich liegt seit 2010 zurück, v.a. wegen der Krise in der Eurozone und der fehlgeleiteten Austeritätspolitik (gerückt durch Brüssel und Berlin). Trotz aller Rhetorik in allen Ecken und Enden der Politik, dass es strukturelle Probleme gebe, ist es auffallend, wie wenig Divergenz es unter den fortgeschrittenen Ländern gibt.








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