Sonntag, 9. August 2015

QE für Menschen: Geldabwurf aus dem Hubschrauber

Es lag von Anfang an auf der Hand, dass die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (genannt QE: quantitative easing), wenn das Thema Fiskal-Politik vom Tisch ist, eine Art Not-Lösung (second-best choice) war, in der Zeit, wo die herkömmliche Geldpolitik zu kurz greift und die nominalen Zinsen nahe null (zero lower bound) liegen.

Wenn der fiskalpolitische Ansatz politisch nicht angestrebt wird und die geldpolitischen Instrumente ausgeschöpft sind, könnte die Zentralbank, ermächtigt durch die öffentliche Hand, Zahlungen direkt an den Haushaltssektor liefern. 

Der als “QE for People” geprägte Vorschlag wurde zuletzt im Mai 2015 von Mark Blyth, Eric Lonergan und Simon Wren-Lewis in einem lesenswerten Artikel ("Now the Bank of England needs to deliver QE for the people") in The Guardian vorgestellt.

Die britische Zentralbank (BoE) wäre damit befähigt, einen weiteren Absturz der Wirtschaft abzumildern, ausgelöst durch interne oder externe Faktoren wie z.B. einen deflationären Schock aus China oder einen drastischen Abschwung in der Eurozone.

Die Autoren unterstreichen ferner die empirische Evidenz, dass Überweisungen an den Haushaltssektor als ein Bruchteil von QE eine weit grössere Auswirkung auf die Nachfrage hätten.

Verbraucher scheinen nämlich schnell zwischen einem Drittel und der Hälfte aller cash windfalls auszugeben. Wenn wir also den privaten Verbrauch um 1% im Verhältnis zum BIP erhöhen wollen, brauchen wird eine Übertragung (transfer) in Höhe von 3% des BIP. 

In Grossbritannien entspricht QE rund 20% des jährlichen BIP. Nach einer Schätzung der BoE würde dadurch das BIP um 3% gesteigert.

Weitere QE-Politik hätte daher allem Anschein nach weniger Wirkung. Geldtransfers an die Konsumenten hätten vor diesem Hintergrund einen weitaus effektiveren Stimulus als durch die QE, und zwar mit weniger Kosten.

QE für Menschen ist im Grunde genommen eine andere Beschreibung für Helicopter Money (HM). Da das HM wie eine Fiskal-Politik aussieht, wirft es auch ethische Fragen auf, bemerkt Simon Wren-Lewis am Sonntag in seinem Blog.

Der Staat würde dabei den Verteilungsmechanismus festlegen; die Flugbahn des Hubschraubers, sozusagen, die die Zentralbank ansteuern soll, um ihren Auftrag (Preisstabilität) zu erfüllen, wenn die nominalen Zinsen auf der Null-Grenze aufprallen (zero lower bound). Ohne den beschriebenen Mechanismus würde die Zentralbank würde sonst das eigene Inflationsziel unterlaufen.

Das HM wird also angewendet, um zu vermeiden, dass das Inflationsziel (inflation targeting) in der nahen Zukunft unterboten wird, erklärt der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Im Gegensatz zu einer expansiven Fiskalpolitik kann es mit dem HM in Zukunft zu einer Steuererhöhung kommen oder nicht. Es hängt davon ab, ob die Zentralbank Rekapitalisierungsbedarf hat oder nicht, ergänzt Wren-Lewis.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Jeremy Corbyn, der britische Politiker der Labour Party, der nach dem Rücktritt von Ed Miliband als Parteivorsitzender als Kandidat für den Parteivorsitz antritt, mit seinem Hinweis auf QE for People in einer inzwischen viel zitierten Rede am 22. Juli eine rege Aufmerksamkeit ausgelöst hat.

Der Wiederausgleich (rebalancing), worüber er gesprochen habe, bedeute, Neuabgleich weg von Kapital hin zu wachstumsstarken, nachhaltigen Zukunftsbranchen. Eine Option wäre dabei, so Corbyn, die BoE zu ermächtigen, mit einem neuen Mandat die Wirtschaft anzukurbeln, durch Investitionen in den Wohnungsbau, die Energie, den Verkehr und digitale Projekte: Das ist QE für Menschen anstatt für Banken.

In einer ausführlichen Zusammenfassung gibt Matthew C. Klein in FTAlphaville etwas mehr Einblick in das Thema “QE for People”.






Keine Kommentare: