Sonntag, 1. Februar 2015

Europa’s Problem und Lohnstückkosten

Nirgendwo in den Industrieländern ist die „säkulare Stagnation“-Hypothese sichtbarer als in der Eurozone, schreibt Paul De Grauwe in einem lesenswerten Artikel („Secular stagnation in the Eurozone“) in voxeu.

Warum ist aber die Eurozone eine Insel der Stagnation? Die Antwort hat viel mit der asymmetrischen Art und Weise zu tun, wie die (aussenwirtschaftlichen) Ungleichgewichte innerhalb der EWU korrigiert werden.

Die Verantwortung für den Abbau der Ungleichgewichte in der Eurozone werden zwischen den Schuldner- und Gläubiger-Ländern nicht gleichmässig verteilt, so De Grauwe:

Vor der Krise hatten die südeuropäischen Länder (einschliesslich Irland) hohe Leistungsbilanzdefizite angehäuft, während die nördlichen Ländern hohe Leistungsbilanzüberschüsse einarbeiteten. Daraus ergab sich, dass die Länder des Südens zu Schuldnern und die nordischen Länder zu Gläubigern wurden.

Die Kreditgeber-Länder schrieben darauf hin den durch den plötzlichen liquidity-stop arg gebeutelten Kreditnehmer-Ländern sofort eine Austeritätspolitik vor: Die Gürtel müssen enger geschnallt werden.

Für jeden sorglosen Schuldner gibt es aber einen sorglosen Gläubiger, wie der an der London School of Economics lehrende Wirtschaftsprofessor unterstreicht. Doch wurde Südeuropa von Brüssel und Berlin gezwungen, die Last der Anpassung allein zu tragen.

In Abwesenheit der Option, abzuwerten, wurden die Schuldner-Länder angehalten, Löhne und Preise zu senken („internal devaluation“), ohne einen ausgleichenden Lohn- und Preisanstieg in den Gläubiger-Ländern („internal revaluation“).



Entwicklung der Lohnstückkosten in der Eurozone im Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman


Der harsche Sparkurs im Süden wurde m.a.W. nicht durch einen Stimulus im Norden begleitet. Kein Wunder, dass die konjunkturelle Situation sich nun verschlechtert hat und die gesamte Wirtschaft vor einer Deflationsspirale steht.

Wie ist die Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit aber in erster Linie entstanden? Dazu liefert Paul Krugman in seinem Blog die folgende Abbildung.

Der am Graudierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor bemerkt, dass es auffällig ist, wie Deutschland sich mit seiner beggar-they-neighbor Politik (relative Lohn-Deflation) übervorteilt hat, wie auch Francesco Saraceno in seinem Blog ausführlich dargelegt hat.

Der Fairness halber muss erwähnt werden, dass Heiner Flassbeck seit Jahren darauf hinweist, dass Inflation und Deflation keine monetären Phänomene sind, sondern i.d.R. durch Über- und Unterschiessen der Löhne über die Produktivität entstehen.

Die Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit ist nicht durch unverantwortliche Haushaltsführung entstanden, sondern fast ausschliesslich durch Unterschiede in der Lohnentwicklung im Verhältnis zur nationalen Produktivität.

Eine Konvergenz der Wettbewerbsfähigkeit ergibt sich, wenn jedes Land in der Eurozone die Löhne nach der Produktivität plus Zielinflation der EZB ausrichtet, wenn die Lohnstückkosten also in jedem Land an die eigene Produktivität unter Beachtung des Inflationsziels der Notenbank angepasst werden.

Auch Jan Hatzius, Chef-Ökonom von Goldman Sachs hat stets hervorgehoben, dass die Fed sich am Lohnwachstum orientieren soll, nicht an Inflation, um den Kurs der Geldpolitik zu bestimmen.


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