Dienstag, 24. Februar 2015

Es geht nicht um Fachkräftemangel, sondern um die wirtschaftliche Macht

Paul Krugman ist ohne Zweifel für eine bessere Bildung. Bildung ist ein Freund von mir, schreibt der am Graudierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor in seiner lesenswerten Kolumne („Knowledge isn’t power“) am Montag in NYTimes. Und die Bildung sollte für alle zugänglich und erschwinglich sein.

Aber es gibt Leute, die darauf bestehen, zu behaupten, dass pädogogische Mängel an der Wurzel der noch immer schwachen Schaffung von Arbeitsplätzen, der stagnierenden Löhne und der wachsenden Ungleichheit liege.

Das hört sich ernsthaft und nachdenklich an. Aber es ist tatsächlich eine Sicht, die sehr im Widerspruch zu Beweisen steht, erst recht eine Möglichkeit, sich vor der realen, unweigerlich parteiischen Debatte zu verstecken, so Krugman.

Die die Bildung ins Zentrum setzende Geschichte unserer Probleme läuft heute so: Wir leben in einer Zeit des beispiellosen technologischen Wandels, und zu viele amerikanische Arbeitnehmer verfügen nicht über die Fähigkeiten, mit diesem Wandel Schritt zu halten, wie Krugman schildert.

Diese „skills gap“ („Qualifikationslücke“ bzw. „Arbeitskräftemängel“) lastet auf dem Wirtschaftswachstum, weil Unternehmen die Arbeitnehmer, die sie brauchen, nicht finden können. Auch die Ungleichheit wird dadurch weiter gestützt, weil die Löhne für die Arbeitnehmer mit den richtigen Fähigkeiten durch die Decke schiessen. Wir brauchen also mehr Bildung, und v.a. eine bessere Bildung, so die Meinung.


Der Mythos über Fachkräftemangel (skills gap), Graph: Prof. Paul Krugman in NYTimes


Diese Story wird so weit verbreitet, dass viele Menschen wohl davon ausgehen, dass es zweifellos wahr ist, so Krugman. Aber es ist nicht. Es gibt keinen Beweis, dass skills gap die Beschäftigung zurückhält.

Schliesslich zeichnet es, während die Bildung/Ungleichheit-Story vielleicht einmal plausibel erscheinen mag, nicht die Realität nach. Die um die Inflation bereinigten Löhne der gut ausgebildeten Amerikaner kommt seit den späten 1990er Jahren kaum vom Fleck.

Was geht also vor sich? Unternehmensgewinne sind als Anteil am Nationaleinkommen stark gestiegen. Es gibt aber keine Anzeichen für einen Anstieg der Kapitalrentabilität (return on investment). Es ist genau das, was man erwarten würde, wenn steigende Gewinne Monopolmacht reflektiert und nicht Kapitalertrag (return on capital).

All die grossen Gewinne fliessen zu einer winzige Gruppe von Einzelpersonen, die strategische Positionen in Unternehmen-Suiten innehalten oder ganz oben des Finanzwesens thronen. Steigende Ungleichheit hat mit dem Wissen nichts zu tun; es geht darum, wer die Macht hat, unterstreicht Krugman als Fazit.

Nun, wir könnten eine Menge tun, um die Ungleichheit der Macht zu beseitigen. Wir könnten die Steuern für Konzerne und Reiche erheben und den Ertrag daraus in Programme investieren, um Arbeitnehmer-Familien zu helfen. Wir könnten den Mindestlohn erhöhen und dafür sorgen, dass Arbeitnehmer sich einfacher organisieren. Es ist nicht schwer, sich eine wirklich ernsthafte Anstrengung vorzustellen, um Amerika weniger ungleich zu machen, legt Krugman dar.

Aber angesichts der Entschlossenheit einer grossen Partei, die Politik in die genau entgegengesetzte Richtung zu lenken, entsteht aus der Befürwortung einer solchen Bemühung der Eindruck, als ob man ein Parteigänger wäre. Daher kommt der Wunsch, die ganze Sache, weil es einfach ist, als Bildungsproblem zu sehen. Wir sollten aber laut Krugman die populäre Ausflucht so erkennen, wie sie ist: eine zutiefst unseriöse Fantasie.



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