Paul Krugman ist ohne Zweifel für eine bessere Bildung. Bildung
ist ein Freund von mir, schreibt der am Graudierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende
Wirtschaftsprofessor in seiner lesenswerten Kolumne („Knowledge isn’t power“) am Montag in NYTimes. Und die Bildung sollte für alle zugänglich und erschwinglich sein.
Aber es gibt
Leute, die darauf bestehen, zu behaupten, dass pädogogische Mängel an der
Wurzel der noch immer schwachen Schaffung von Arbeitsplätzen, der stagnierenden
Löhne und der wachsenden Ungleichheit liege.
Das hört
sich ernsthaft und nachdenklich an. Aber es ist tatsächlich eine Sicht, die
sehr im Widerspruch zu Beweisen steht, erst recht eine Möglichkeit, sich vor der
realen, unweigerlich parteiischen Debatte zu verstecken, so Krugman.
Die die
Bildung ins Zentrum setzende Geschichte unserer Probleme läuft heute so: Wir
leben in einer Zeit des beispiellosen technologischen Wandels, und zu viele
amerikanische Arbeitnehmer verfügen nicht über die Fähigkeiten, mit diesem
Wandel Schritt zu halten, wie Krugman schildert.
Diese „skills gap“ („Qualifikationslücke“ bzw. „Arbeitskräftemängel“)
lastet auf dem Wirtschaftswachstum, weil Unternehmen die Arbeitnehmer, die sie
brauchen, nicht finden können. Auch die Ungleichheit wird dadurch weiter gestützt,
weil die Löhne für die Arbeitnehmer mit den richtigen Fähigkeiten durch die
Decke schiessen. Wir brauchen also mehr Bildung, und v.a. eine bessere Bildung,
so die Meinung.
Der Mythos
über Fachkräftemangel (skills gap), Graph:
Prof. Paul Krugman in NYTimes
Diese Story
wird so weit verbreitet, dass viele Menschen wohl davon ausgehen, dass es
zweifellos wahr ist, so Krugman. Aber es ist nicht. Es gibt keinen Beweis, dass
skills gap die Beschäftigung zurückhält.
Schliesslich
zeichnet es, während die Bildung/Ungleichheit-Story vielleicht einmal plausibel
erscheinen mag, nicht die Realität nach. Die um die Inflation bereinigten Löhne der gut ausgebildeten Amerikaner kommt seit
den späten 1990er Jahren kaum vom Fleck.
Was geht
also vor sich? Unternehmensgewinne sind als Anteil am Nationaleinkommen stark
gestiegen. Es gibt aber keine Anzeichen für einen Anstieg der Kapitalrentabilität
(return on investment). Es ist genau
das, was man erwarten würde, wenn steigende Gewinne Monopolmacht reflektiert
und nicht Kapitalertrag (return on
capital).
All die
grossen Gewinne fliessen zu einer winzige Gruppe von Einzelpersonen, die
strategische Positionen in Unternehmen-Suiten innehalten oder ganz oben des
Finanzwesens thronen. Steigende Ungleichheit hat mit dem Wissen nichts zu tun;
es geht darum, wer die Macht hat, unterstreicht Krugman als Fazit.
Nun, wir
könnten eine Menge tun, um die Ungleichheit der Macht zu beseitigen. Wir
könnten die Steuern für Konzerne und Reiche erheben und den Ertrag daraus in
Programme investieren, um Arbeitnehmer-Familien zu helfen. Wir könnten den
Mindestlohn erhöhen und dafür sorgen, dass Arbeitnehmer sich einfacher
organisieren. Es ist nicht schwer, sich eine wirklich ernsthafte Anstrengung
vorzustellen, um Amerika weniger ungleich zu machen, legt Krugman dar.
Aber
angesichts der Entschlossenheit einer grossen Partei, die Politik in die genau
entgegengesetzte Richtung zu lenken, entsteht aus der Befürwortung einer solchen
Bemühung der Eindruck, als ob man ein Parteigänger wäre. Daher kommt
der Wunsch, die ganze Sache, weil es einfach ist, als Bildungsproblem zu sehen. Wir sollten aber laut
Krugman die populäre Ausflucht so erkennen, wie sie ist: eine zutiefst
unseriöse Fantasie.
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