Montag, 28. Februar 2011

Pakt für Wettbewerbsfähigkeit: Der deutsch-französische Diktat

Auf dem EU-Gipfel im März werden angeblich grosse europäische Entscheidungen auf höchster Ebene getroffen. Eine Gruppe von deutschen Ökonomen hat im Vorfeld die Gedankengänge für eine Ausweitung des Euro-Hilfsfonds zurückgeworfen und sich damit einer heftigen Kritik ausgesetzt. „In der Stellungnahme der Ökonomen schimmert ein starker Glaube an die Effizienz der Finanzmärkte durch“, sagte Markus Brunnermeier, Professor an der Princeton University dazu. Auch Peter Bofinger, Mitglied im Swachverständigenrat und Wirtschaftsprofessor an der Uni Würzburg liess kein gutes Haar an den dogmatischen Argumenten der Plenum-Forderungen: „Es ist bekannt, dass Finanzmärkte überreagieren können. Daher sollte der Rettungsschirm so gross sein, dass im Zweifel auch Italien darunterpassen würde“. Es ist Zeit, damit aufzuhören, so zu tun, als ob wir ein grandioses Schnäppchen für die Eurozone im März machen würden, schreibt Wolfgang Münchau dazu in einem lesenswerten Kommentar („Say no to Germany’s competitiveness pact“) in FT.

Interview: Prof. Lane Kenworthy, University of Arizona

Lane Kenworthy is Professor of Sociology and Political Science, University of Arizona.


Corporate profits are up, but jobs and wages remain weak. How can competitiveness help to tackle important economic and social issues?

Competitiveness clearly helps, if we think of it, following the World Economic Forum, as "the set of institutions, policies, and factors that determine the level of productivity in a country." But competitiveness is no guarantee of rising wages or employment. In the United States, productivity has risen in recent decades. But wages in the bottom half of the distribution have been stagnant. And during recent recessions employment in low-end households has tended to fall sharply, erasing gains made during the growth phase of the business cycle.

Sonntag, 27. Februar 2011

US-Notenbank versus globale Produktionslücke

James Bullard, Federal Reserve St. Louis Präsident hat diese Woche seine Ansicht zu den drei am häufigsten angesprochenen Themen in Bezug auf die aktuelle Geldpolitik dargelegt: Quantitative Easing, Globale Inflation und Commodity Standards. Die Fed hat im vergangenen November bekanntlich angekündigt, jeden Monat amerikanische Staatsanleihen im Wert von jeweils 75 Mrd. $ zu kaufen, und zwar bis Mitte 2011. Das Anleihekaufprogramm wird im allgemeinen als QEII bezeichnet. Angesichts der nahezu Null Zinsen können die Ankäufe von Staatspapieren die konventionelle Geldpolitik (interest rate targeting) ergänzen, hebt Bullard hervor. Die QE hat sich als ein wirksames Instrument erwiesen, auch wenn die Leitzinsen nahe Null liegen, so Bullard. Die realen Zinsen sind gesunken, die Inflationserwartungen sind gestiegen, der US-Dollar hat sich abgewertet und die Aktienkurse haben zugelegt. Das sind die klassischen Auswirkungen auf den Finanzmarkt, die man beobachten kann, wenn die Fed den geldpolitischen Kurs in gewöhnlichen Zeiten lockert.


Global Output Gap, Graph: James Bullard, Federal Reserve Bank St. Louis, Februar 2011

Samstag, 26. Februar 2011

USA und die finanzpolitische Frage

Die USA stehen vor einigen gravierenden mittelfristigen finanzpolitischen Fragen. Aber gemessen am Richtmass steht das Land nicht vor einer sofortigen Finanzkrise, bemerkt Simon Johnson in seinem lesenswerten Essay („Does the US Really Have a Fiscal Crisis?“) in NYT. Die wichtigsten fiskalpolitischen Fragen sind drei, hebt der ehem. Chefökonom des IWF hervor: (1) Das unmittelbarste Problem ist, dass die grössten Banken und die damit eng verbundenen Teile des Finanzsystems sich in den Jahren 2007-2008 selbst in die Luft gesprengt haben. Die anhaltende Rezession und der damit verbundene Verlust an Steuereinnahmen werden am Ende die Staatsschulden auf 40% des BIP steigen lassen. Es gilt anzumerken, dass nur ein wenig des Anstiegs der öffentlichen Verschuldung auf Konjunkturprogramme zurückzuführen ist. Der meiste davon ist durch geringere Steuereinnahmen verursacht worden, weil die Produktion und die Beschäftigung ausgefallen sind.

USA: Erneut eine Bank geschlossen

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag laut Washington Post eine weitere Bank in Illinois geschlossen. Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahr 2011 verstaatlicht wurden, auf 23 gestiegen. Die verstaatliche Bank verfügt über ein Anlagevermögen von 123,8 Mio. $ und Einlagen von 124,2 Mio. $. Die Kosten für die Behörden belaufen sich auf 22,8 Mio. $.

Bankpleiten:
2011: 23
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Japan in Deflation: Sind steigende Rohstoffpreise hilfreich?

Es gibt einige Marktbeobachter, die derzeit die Ansicht vertreten, dass der Anstieg der Rohstoffpreise gut für Japan ist, weil die Deflation auf diese Weise verschwinden würde, wie FT Alphaville auf einen Artikel in WSJ hinweist. Die Kosten für Japans Einfuhren sind im Januar laut BoJ annualisiert um 4,7% gestiegen. Hat sich das Deflationsproblem damit etwas entschärft? Nein, nicht unbedingt. Es ist daher wichtig, bei dieser Gelegenheit den Grundsatz der Deflation in Erinnerung zu rufen, wie Paul Krugman in seinem Blog hervorhebt. Warum wirkt Deflation depressiv auf die Wirtschaft aus? Aus zwei Gründen: (1) Deflation reduziert das Geldeinkommen, während Schulden unverändert bleiben, sodass die Probleme in Bezug auf die Bilanz sich verschlechtern und die Ausgaben zurückgehen.

Freitag, 25. Februar 2011

VIX: Was sagt der Volatilitätsindex aus?

In Folge des Volksaufstands in Libyen ist der Preis für die US-Ölsorte WTI am Donnerstag mit 103,41$ je Fass (157 Liter) laut Bloomberg den höchsten Stand seit September 2008 erreicht. Auch der Volatilitätsindex (VIX) ist inzwischen durch die Decke geschossen. Der von der Chicago Board Options Exchange (CBOE) betriebene, aus dem Wert von S&P-500 Optionen abgeleitete VIX hat am Mittwoch seinen grössten zweitätigen Anstieg in den vergangenen 9 Monaten verbucht. Das sind "gute Nachrichten" für die CBOE, die Hüterin der VIX-Future-Kontrakte, zumal das Produkt als eines der wichtigesten Wachstumsfelder betrachtet wird und einen grossen Teil der Performance des Unternehmens ausmacht, wie Izabella Kaminska von FT Alphaville hervorhebt. Bemerkenswert ist aber, dass der grösste Anstieg im Volumen von VIX-Futures im Verlauf des vergangenen Jahres geschehen ist, während die Volatilität weitgehend gering war.


Volatilitätsindex Laufzeitstruktur (Term Structure), Graph: VIX via FT Alphaville

Donnerstag, 24. Februar 2011

Wall Street: Cash Bonus hinunter, Gesamtvergütung hinauf

Während Tausende von Menschen in Wisconsin und in Ohio auf die Strasse gehen, um gegen Sozialkürzungen zu demonstrieren, erfreuen sich Menschen in einer anderen Strasse, der Wall Street über weiterhin steigende Entlohnung. Der Finanzsektor hat zwar im vergangenen Jahr beschlossen, die Mitarbeiter mit weniger Cash und dafür mit mehr Aktien zu vergüten, um dem regulatorischen Druck auszuweichen. Die Gesamtvergütungen sind aber im vergangenen Jahr laut Deal Book von NYT um 6% gestiegen, während die Cash Boni um 8% auf 20,8 Mrd. US-Dollar zurückgegangen sind. Die Basis-Salär wurde beispielsweise bei Goldman Sachs von 300'000 $ auf 500'000 $ erhöht. Bei Morgan Stanley und Credit Suisse legte die Grundvergütung von 200'000 $ auf 400'000 $ zu. Manche CEOs haben sogar einen höheren Anstieg in Basis-Salär geniessen können.  Für Lloyd C. Blankfein, den Goldman Sachs CEO bedeutet dies ein Sprung von 600'000 $ auf 2'000’000 $.

Vier Fragen an die Ersparnisschwemme-Hypothese

Ben Bernanke hat am vergangenen Freitag in einem Vortrag seine Ersparnisschwemme-Hypothese (Global Saving Glut: GSG) weiter entwickelt. Fed-Präsident hält die Ersparnisschwemme in den sog. Schwellenländern für die Ursache der niedrigen langfristigen Zinsen in den USA in den früheren und Mitte der 2000er Jahren. Demnach drückte das aus diesen Ländern (v.a. aus China und dem Mittleren Osten) in die US-Wirtschaft strömende Kapital die Zinsen nach unten. Der günstige Kredit hat folglich den Immobilien-Boom in Amerika angeheizt. In einem Vortrag in Paris hat Bernanke danach seine Hypothese von Ersparnisschwemme weiter verfeinert, indem er die Vermögenswerte, die von den sog. Entwicklungsländern gesucht sind, namentlich aufzählte. Die Investoren aus diesen Ländern, aber auch aus Europa haben laut Bernanke einen starken Appetit für Wertpapiere mit AAA-Rating an den Tag gelegt. Angesichts des begrenzten Angebots an US-Treasury Bonds und Agency-Securities (Hypotheken-Bonds von staatlichen Finanzierungsgesellschaften) habe das US-Finanzsystem darauf mit der Umwandlung von riskanten Vermögenswerten in sichere Anlagen reagiert.


Taylor Regel Lücke, Graph: Prof. David Beckworth

Mehr Führungsrolle für die US-Banken?

Tim Geithner, der amerikanische Finanzminister hat neulich in einem Interview seine Ansichten über das Wesen des Weltwirtschaftswachstums und die Rolle des US-Finanzsektors dargelegt. Es ist eine zutiefst beunruhigende Vision, schreibt Simon Johnson in einem lesenswerten Essay („Geithner’s Gamble“) in Project Syndicate. Geithner ist der eigennützigen Ideologie der grossen Banken weltweit am meisten verfallen, bemerkt der ehem. Chefökonom des IWF. Geithner behauptet, dass die Welt aufgrund der steigenden Nachfrage nach Finanzprodukten in den Schwellenländern eine grosse Vertiefung der Finanzmärkte erleben wird. Er will, dass die US-Banken bei der Entwicklung der Finanzmärkte dieser Länder die Führung übernehmen. Johnson sieht dabei ernsthafte Probleme: (1) Geithner ignoriert die Tatsache, dass Länder, wenn sie wachsen und Ersparnisse anhäufen, zunehmend anfällig für finanzielle Zusammenbrüche werden. (2) Geithner nimmt an, dass die Risiken bei grossen US-Unternehmen durch Regulierung eingedämmt werden können. Aber die Anreize für grosse Finanzinstitute, übermässige Risiken einzugehen, konnte durch das Dodd-Frank-Reform-Gesetz nur teilweise verringert werden, legt der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor dar.

Mittwoch, 23. Februar 2011

Wie die Politik die Wirtschaft untergräbt

Warum steckt der amerikanische Arbeitsmarkt derzeit in einer Depression? Ein Argument lautet, dass der ehem. Fed-Präsident Alan Greenspan dafür verantwortlich ist, weil er die Zinsen „zu lange und zu niedrig“ gehalten habe. Greenspan habe es zudem abgelehnt, die Möchte-gern-Hausbesitzer von der Kreditaufnahme bei den Möchte-gern-Hypothekenbanken abzuhalten. Brad DeLong ist damit nicht einverstanden. Der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor schreibt in einem lesenswerten Artikel in The Week, dass die gewählten Politiker für die aktuelle depressive Lage am Arbeitsmarkt verantwortlich sind, weil sie andere politische Ziele setzen, weit im Voraus davon, Vollbeschäftigung aufrechtzuerhalten. DeLong hält im Übrigen nicht viel vom Argument der Bilanz-Rezession (balance-sheet-recession). Der ehem. Staatssekräter im amerikanischen Schatzamt vertritt die Ansicht, dass die Verbraucher nicht die einzigen Akteure in der Wirtschaft sind, die Geld ausgeben.

Preisunterschied: Nordseesorte Brent versus US-Leichtölsorte WTI

Die Unruhen in Nordafrika und die sich zuspitzende Lage im Nahen Osten treiben den Preis für Erdöl weiter in die Höhe. Der Preis für die US-Ölsorte WTI (West Texas Intermediate) kletterte gestern auf 96 Dollar je Barrel (159 Liter) und ist damit so teuer wie seit Oktober 2008 nicht mehr. Das Nordsee-Öl Brent legte auf 106,47 Dollar zu und erreicht damit ein Zwei-Jahres-Hoch. Die Internationale Energieagentur (IEA) ist um grössere Lieferausfälle besorgt. Es steht fest, dass der drastische Anstieg der Ölpreise die Erholung der Wirtschaft gefährdet. James Hamilton befasst sich in seinem Blog mit dem sich weiter vergrössenden Preisunterschied zwischen den beiden wichtigsten Ölsorten der Welt. Normalerweise liegen die beiden Ölpreise ca. 2 Dollar auseinander, weil ihre Eigenschaften ähnlich beschaffen sind.


WTI (Cushing, Oklahoma) versus Brent (North Sea Brent, Europa), Graph: Prof. James Hamilton in Econbrowser

Swap Forwards: Bond-Märkte begleiten Bernanke

Interest Rate Swap, d.h. Zinsderivate wie z.B. Anleiheoptionen, Zinscaps und Swaptions deuten darauf hin, dass die Händler nicht damit rechnen, dass das Wirtschaftswachstum eine galoppierende Inflation auslösen wird, auch wenn die Nahrungsmittel- und Energiepreise weltweit kräftig zulegen und die US-Notenbank 600 Mrd. US-Dollar im Finanzmarkt einsetzt, um Staatspapiere zu kaufen. Basierend darauf, wo die Händler die 10-Jahres-Swap-Sätze in einem Jahrzehnt sehen, betragen die Kosten der Absicherung in festen- gegen variable Zinszahlungen genau so viel wie vor dem Ausbruch der Finanzkrise, berichtet Bloomberg Businessweek.


Swap Spreads (7-10 Jahre), Graph: Igor Cashyn, Morgan Stanley

Dienstag, 22. Februar 2011

No Taxation Without Representation: Tee oder Whisky?

Zu Ehren von George Washingtons Geburtstag am 22. Februar möchte Jeff Frankel vor dem Hintergrund der „Tea Party“-Bewegung die Geschichte in Erinnerung rufen. Die „Tea Partiers“ verehren nämlich die Verfassung. Aber einige scheinen keine Ahnung von der amerikanischen Geschichte zu haben, die sie in Anspruch nehmen. Die Boston Tea Party ist in der Tat nicht der am besten geeignete Präzendezfall für die Grasswurzeln-Proteste, die im vergangenen Jahr so viel Aufmerksamkeit genossen haben, erklärt der Wirtschaftsprofessor an der Harvard University in seinem Blog. Der berühmte Slogan, der die Patrioten in Boston Harbor im Jahre 1773 motivierte, lautete: „No Taxation Without Representation“ (dt. Keine Besteuerung ohne Vertretung). Die demokratische Vertretung wurde aber erst mit der amerikanischen Revolution erreicht. Die Whisky Rebellion von 1794 stellt eine viel engere Parallele zu heutigen Demonstrationen dar, argumentiert Frankel.

Wann wird die Fed die Zinsen erhöhen?

Sehr wahrscheinlich nicht in diesem Jahr, bemerkt Calculated Risk. Die Fed könnte die Leitzinsen frühestens später im Jahre 2012 oder noch später anheben, so der anspruchsvolle Wirtschaftsblog. Auch Glenn Rudebusch, Senior Vice President und Associate Director of Research bei der Federal Reserve Bank of San Francisco glaubt, dass es einige Zeit dauern wird, bis die Fed die Fed Funds Rate erhöht werden. Aufgrund einer solch grossen Produktionslücke (output gap), der hohen Arbeitslosigkeit und der niedrigen Inflation ist in absehbarer Zeit mit keiner Zinserhöhung zu rechnen.


Produktionslücke, Graph: Glenn Rudebusch, Federal Reserve Bank of San Francisco

Ist die moderne Zentralbank reformbedürftig?

In der jüngsten Finanzkrise waren die Zentralbanken zentrale Figuren, die stark interveniert haben, um die Finanzmärkte und Volkswirtschaften zu unterstützen. Die Eingriffe haben aber eine Welle von Kritik an die Adresse der Zentralbanken ausgelöst. The Economist möchte vor diesem Hintergrund von einer Reihe von Ökonomen wissen, ob die moderne Zentralbank reformbedürftig ist? Ökonomen antworten. Markus Brunnermeier schreibt in einer lesenswerten Stellungnahme, dass die Zentralbanken mehr Instrumente nutzen müssen, um Bubbles zu bekämpfen. „Die Preisstabilität ist von primärer Bedeutung, aber auch die finanzielle Stabilität muss als Priorität wahrgenommen werden, wenn Bankpleiten die realwirtschaftlichen Aktivitäten belasten. In der Tat war die Funktion „lender of last resort“ die ursprüngliche Motivation, um Zentralbanken einzurichten“, erklärt der an der Princeton University (Edwards S. Sanford) lehrende Wirtschaftsprofessor. Die jüngsten Ereignisse haben deutlich gemacht, dass diese Funktion durch präventive Massnahmen ergänzt werden muss. „Aufwischen“, nach der eine Blase geplatzt ist, reicht nicht mehr aus. Die Zentralbanken müssen gegen Ungleichgewichte präventiv vorgehen, argumentiert der wissenschaftliche Mitarbeiter bei CEPR, NBER und CESifo.

Israelische Zentralbank erhöht Zinsen auf 2,50 Prozent

Die Bank of Israel (BoI) hat gestern wie erwartet ihren Benchmark-Zins  um 25 Basispunkte auf 2,50% angehoben. Die BoI hatte zuletzt im vergangenen Monat die Zinsen erhöht. Die Konsumentenpreise (CPI) sind im Januar annualisiert auf 3,6% gestiegen. Der Zinsentscheid steht laut BoI im Einklang mit dem schrittweise erfolgenden Prozess der Rückkehr der Zinsen auf ein „normales“ Niveau, in der Absicht, die Inflation im Zielbereich fest zu verankern und zur Erholung der Wirtschaft weiter beizutragen, bei gleichzeitiger Unterstützung der Stabilität des Finanzsystems. Aufgrund der starken Beiträge des privaten Verbrauchs und der Ausfuhren zum Wirtschaftswachstum (+7,8% im IV. Quartal 2010) ist zu erwarten, dass BoI-Governor Stanley Fischer in den nächsten Monaten die Zinsen weiter anheben wird.


Israel Inflationserwartungen, Graph: Morgan Stanley

Montag, 21. Februar 2011

Wie Deutschland EU-Finanzkrise umwickelt

Wolfgang Münchau sieht in der Art und Weise, wie Deutschland die EU-Finanzkrise, seine Besorgnisse über den europäischen Finanzstabilität-Mechanismus (EFSF) und seinen Einfluss auf die Ernennung des nächsten EZB-Präsidenten in eine Erzählung umwickelt, eine Gefahr für die EU. Am Schluss werde die falsche Krise angegangen, mit Veto belegt oder einfach gepfuscht und mit einer nicht glaubwürdigen Lösung für die Banken, einem drittklassigen Zentralbanker an der Spitze der EZB und einem Prozess der Koordinierungspolitik, wo Entscheidungen von zwei Oberhäuptern auf langen Spaziergängen an den Stränden getroffen werden, beschreibt der Kolumnist in einem lesenswerten Kommentar („A misguided German narrative of the crisis“) in der britischen Tageszeitung FT. Münchau schildert, warum es wichtig ist, um den nächsten strategischen Schritt von Angela Merkel zu verstehen, sich zunächst mit der deutschen Erzählung der Krise in der Euro-Zone vertraut zu machen: „Es ist eine Erzählung von fiskalpolitischer Verantwortungslosigkeit und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Es gibt zwar eine Bankkrise, aber sie ist nicht zentral. Es ist die Krise, die die EU versucht, gerade jetzt zu lösen“.

Schweiz: Null-Inflation hält an

Die Kerninflation lag in der Schweiz nach Dezember 2010 auch im Januar 2011 bei Null Prozent. Davor belief sich die Kernrate, die die Preisentwicklung ohne Nahrung, Getränke, Tabak, Saisonprodukte, Energie und Treibstoffe widerspiegelt, im September auf Minus 0,1%, im Oktober auf Minus 0,2% und im November auf Minus 0,1%.
  

Schweiz: Konsumentenpreise und Kerninflation, Graph: SNB, Statistisches Monatsheft Febr. 2011

Vögel, Bienen und Grossbanken

Regulierungsbehörden fordern, dass die grossen, komplexen Banken grössere Puffer des Kapitals halten müssen, um das Finanzsystem zu schützen. Grossbanken argumentieren, dass das nicht nötig ist, weil die Gefahr durch ihre grössere Bilanz diversifiziert sei. Wer hat Recht? Naturwissenschaften, insbesondere der Epidemiologie, Ökologie und Genetik liefern Hinweise, schreiben Andrew Haldane und Robert May in einem lesenswerten Essay („The Birds and the bees, and the big banks“) in FT. Sind Grossbanken tatsächlich weniger anfällig fürs Scheitern? Die traditionelle Ökonomie der Diverzifizierung legt das nahe. Aber komplexe Systeme in der Natur wie im Finanzwesen präsentieren eine andere Geschichte. Risikoaufstockung kann zu einem Absturz führen, anstatt zum Ausgleich, bemerken der Direktor der Finanzstabilität bei der Bank of England (BoE) und der Professor für Zoologie an der Oxford University. Je grösser und komplexer die Struktur, desto grösser das Risiko.

CoCo-Bonds: Warum nicht mehr Eigenkapital?

Die Credit Suisse hat am vergangenen Montag zwei CoCo-Bonds (Contingent Convertible Bonds) im Wert von 3,5 Mrd. $ und 2,5 Mrd. Schweizer Franken bei arabischen Investoren (Qatar Holding und Olayan Group) platziert. Die Schweizer Grossbank zahlt für die in US-Dollar denominierten CoCo-Bonds 9,5% Zinsen, und für die in Schweizer Franken denominierten CoCo-Bonds 9% Zinsen. Am Donnerstag hat die Credit Suisse (CS) eine weitere bedingte Pflichtwandelanleihe (CoCo-Bonds) begeben: Im Volumen von 2 Mrd. $ mit einem Kupon von 7,875%. Die Anleihe wird in Aktien der CS gewandelt, wenn die ausgewiesene risikobasierte Kapitalquote der CS Group am Ende eines Quartals unter 7% (trigger) sinken. Die Anleihe wird auch dann gewandelt, wenn die Schweizer Regulierungsbehörde befindet, dass die CS Group staatliche Unterstützung braucht, um Insolvenz oder Bankrott abzuwenden oder um einen wesentlichen Anteil des Fremdkapitals zurückzuzahlen oder wenn andere Umstände dies erfordern würden. Der Zinssatz gilt zunächst für 5 Jahre. Danach (ab August 2016) kann die Anleihe mit 30 Jahren Laufzeit von der CS jederzeit getilgt werden.




Wandlungskapital im Vergleich mit Eigenkapital, Graph: Prof. Anat Admati in: „Fallacies, Irrelevant Facts and Myths in the Discussion of Capital Regulation: Why Bank Equity is Not Expensive”, Oct. 2010

Armut ist Gefahr, nicht Inflation

Für die USA ist die Gefahr nicht unbedingt ein Ausbruch der Inflation durch steigende Lohn-Preis-Spirale, sondern viel mehr ein Lebensstandard-Schock. In der Tat haben Haushaltseinkommen die Inflation seit 1975 kaum übertroffen. Gewinne an Haushaltseinkommen sind v.a. auf Frauen, die in die Arbeitswelt eintreten, zurückzuführen. Das Median-Einkommen für Männer lag 1973 real höher als im Jahre 2009. Die wirkliche Gefahr ist, dass die USA einem Armut-Zyklus gegenübersehen als einem inflationären, schreibt WSJ in einem kurzen Artikel.

Sonntag, 20. Februar 2011

Partisan Zentralbanker

Eine Verwandlung, die für politische Schlagzeilen sorgt. Ed Balls, Schatten-Kanzler hat in kürzlich Mervyn King, Gouverneur der Bank of England (BoE) kritisiert, die Glaubwürdigkeit der Zentralbank zu verspielen. King hat nämlich angefangen, sich wie ein Cheerleader für die aktuelle britische Regierungspolitik zu verhalten. Er liegt falsch, nicht weil er eine vorderlastige Ausgabenkürzungen begrüsst, sondern weil die Leute, die Zentralbanken führen, vorsichtig sein müssten, um über dem politischen Gefecht zu bleiben. Das weckt Erinnerungen an Alan Greenspan, wie Paul Krugman in seinem Blog beschreibt. Greenspan war ein strenger Verfechter der Haushaltsdisziplin, bis ein Republikaner im Weissen Haus das Ruder übernahm. Dann erklärt der ehem. Fed-Präsident, dass Steuersenkungen notwendig sind, um eine zu schnelle Senkung der US-Schulden zu verhindern. Krugman bedauert es, dass King, der ja bisher einen guten Ruf genossen hat, nun den gleichen Weg geht.

Bank of Israel: Negative Realzinsen

Die Bank of Israel (BoI) dürfte im Einklang mit dem schrittweise erfolgenden Prozess der Rückkehr der Zinsen auf ein normales Niveau den geldpolitischen Kurs weiter straffen. Angesichts der verschiedenen Faktoren wie des Kreditwachstums, des anhaltenden Anstiegs der Häuserpreise, der Wachstumsdynamik und der sich verschlechternden Inflationserwartungen wäre ein Zinsanstieg nicht unangemessen. Die Reallöhne steigen und die Produktionslücke (output gap) schliesst sich.


Israel, negative Realzinsen, Graph: Tevfik Aksoy, Morgan Stanley

Global Saving Glut: Hypothese von Ersparnisschwemme

Welcome back to Matrix! Ben Bernanke hatte 2005 in einem einflussreichen Vortrag („Global Saving Glut“) festgehalten, dass die weltweiten Handelsungleichgewichte auf die globalen Ersparnisschwemme zurückzuführen sind. Unter „Ersparnisschwemme“ ist der Anstieg des Angebots an Ersparnissen zu verstehen. Insbesondere stellt China dafür das weltweit deutlichste Beispiel dar. Während die Ungleichgewichte Bernankes Hypothese nach durch eine globale Ersparnisschwemme verursacht wurden, sehen die Anhänger der neoklassichen Ökonomie „Geldschwemme“ (d.h. lockere Geld- und Fiskalpolitik) als Ursache der Weltwirtschaftskrise. Nach mehr als sechs Jahren hat Bernanke in Paris vorgestern wieder auf diese Thematik zurückgegriffen. In einem 35-Seiten umfassenden Paper („International Capital Flows and the Returns to Safe Assets in the United States, 2003-2007“) begleitet durch drei andere Ökonomen der US-Notenbank verfeinert Bernanke jetzt seine Hypothese von „Ersparnisschwemme“ auf einer internationalen Veranstaltung im Rahmen des G-20-Treffens in Frankreich.


Kapitalströme aus Europa in die US-Wertpapiere nach Typus, Graph: Prof. Ben Bernanke, International Capital Flows and the Returns to Safe Assets in the United States

Samstag, 19. Februar 2011

USA: Bankschliessungen steigen weiter

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag laut NYT zwei Banken in Georgia und zwei in Kalifornien geschlossen. Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2011 verstaatlicht wurden, auf 22 gestiegen, nachdem im Vorjahr insgesamt 157 Banken gescheitert sind.

Die verstaatlichten vier Banken verfügen über ein Anlagevermögen von insgesamt  1’055,3 Mio. $.

Bankpleiten:
2011: 22
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

G-20-Treffen in Paris: Ben Bernanke verteidigt US-Geldpolitik

Auf dem G-20-Treffen in Paris sind gestern Finanzminister und Notenbank-Gouverneure aus 20 Ländern zusammengekommen. Die wichtigsten Volkswirtschaften wollen sich v.a. zwei Themen annehmen: globale Ungleichgewichte und steigende Rohstoffpreise. Fed-Präsident Ben Bernanke hat auf einer von der Banque de France organisierten Veranstaltung „Financial Stability Review Launch“ Event zum Thema „Global Imbalances“ einen Vortrag gehalten. Bernanke hat dabei die US-Geldpolitik gegen die Vorwürfe in Schutz genommen, dass die US-Notenbank aufgrund ihrer Politik des billigen Geldes Inflation exportiere und „asset bubbles“ im Ausland verursache.


International Capital Flows, Graph: Prof. Ben Bernanke, International Finance Discussion Papers, Nr. 1014, Febr. 2011

Inflation: Was sagt „MIT Billion Price Index“ aus?

Stimmt es, wie manche Marktbeobachter behaupten, dass der MIT Billion Price Index über die Inflationsentwicklung in den USA etwas anderes aussagt als der CPI? Handelt es sich dabei also um eine ganz andere Geschichte im Vergleich zum offiziellen Verbraucher-Preisindex (CPI)? Überhaupt nicht. Wie Paul Krugman in seinem Blog argumentiert, passen die beiden Indizes recht gut zusammen. Um es gleich vorwegzunehmen: Der Billion Price Index erfasst zwangsläufig nur Güter, nicht Dienstleistungen. Der MIT Index hat daher einen engeren Fokus als der Konsumenten-Preisindex (CPI). Und die Waren-Preise, welche einen viel grösseren Rohstoff-Inhalt enthalten, sind deutlich volatiler, erklärt Krugman. Die Preise sind im Jahr 2009 abgestürzt und sie sind im vergangenen Jahr viel stärker gestiegen als die der Dienstleistungen.



The Billion Prices Index (MIT), Graph: Daily Price Indexes (MIT)

Freitag, 18. Februar 2011

USA: Inflation im Sog von einmaligen Faktoren

Die Fed kommt mit der QEII-Politik gut voran. Es ist Ben Bernanke, dem Fed-Präsidenten gelungen, das Deflationsrisiko erheblich zu reduzieren. Die Inflation ist zwar im vergangenen Monat gestiegen, aber v.a. wegen des Benzinpreises. Zudem hat der Index für Nahrungsmittelpreise den stärksten Anstieg seit über zwei Jahren aufgewiesen. Abgesehen von einmaligen Faktoren verläuft die Kerninflation weiterhin niedrig, zumindest unterhalb der Zielwerte der Fed. Die mangelnde Nachfrage lastet noch immer auf der gesamten Wirtschaft, wie die anhaltende hohe Arbeitslosigkeit andeutet.

Der Median CPI (Median Konsumenten-Preisindex) stieg im Januar nach den gestern vorgelegten Angaben der Fed nur geringfügig um 0,2% (Jahresrate: 2,0%). Der 16%-Trimmed Mittelwert legte im vergangenen Monat um 0,2% (Jahresrate: 2,7%) zu.

Bei Median CPI und 16%-Trimmed Mean CPI handelt es sich um Messgrössen der Kerninflation. Die Daten der Fed Cleveland beruhen auf Inflationswerte, die von Bureau of Labor Statistics (BLS) monatlich veröffentlicht werden.


Median CPI, Graph: Brent Meyer, Fed Cleveland

GDP-linked Bonds

Während sich eine erbitterte Konfrontation in der US-Haushaltsdebatte zwischen den Demokraten und Republikaner im Kongress abzeichnet, bringt Robert Shiller ein neues Konzept ins Spiel: GDP-linked Bonds. Es handelt sich dabei um eine Idee, die der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor bereits im Jahr 1993 in seinem Buch „Macro Markets“ vorgestellt hatte. In einem lesenswerten Essay („A bond that insures against instability“) in FT vom 10. Juli 2006 hatte Shiller mit Stephany Griffith-Jones weitere Einzelheiten dargelegt. Nachdem Ausbruch der Finanzkrise hat der Autor des Buches „Animal Spirits“ das Konzept der Anleihen, die am Wirtschaftswachstum (BIP) verknüpft sind zuletzt im Dezember 2009 in einem Artikel („A way to share in a Nation’s Growth“) in NYT geschildert. Unternehmen geben Aktien und Anleihen aus, um sich Kapital zu beschaffen. Warum sollen Staaten nicht eine neue Art von Wertpapieren, die sich auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beziehen, begeben: Anteile am BIP. Shiller nennt sie „Trills“. Jedes Trill würde ein Billionstel des BIP eines Landes darstellen, und eine vierteljährliche Dividende in Höhe von einem Billionsten des vierteljährlichen nominalen BIP auf Dauer und in inländischer Währung auszahlen.

Aktuelle US-Haushaltsdebatte

Es gibt drei Dinge, die man über die aktuelle US-Haushaltsdebatte wissen sollte: (1) Es ist im Wesentlichen verlogen, (2) die meisten Menschen, die sich als Defizit-Falken geben, täuschen es vor, und (3) während der Präsident die Verlogenheit nicht ganz vermieden hat, verdient er viel mehr Anerkennung für eine verantwortungsvolle Finanzpolitik als bisher der Fall ist, bemerkt Paul Krugman in seiner Freitagskolumne in NYT. Was die Verlogenheit betrifft: im vergangenen Monat beschrieb Howard Gleckman von Tax Policy Center den Präsidenten als „anti-Willi Sutton“, weil Obama dahin geht, wo das Geld nicht ist, indem er aus dem Einfrieren der nicht sicherheitsrelevanten diskretionären Ausgaben, welche 12% des Haushalts ausmachen, eine grosse Sache macht. Das ist aber das, was jeder tut, legt Krugman dar. Republikaner konzentrieren sich ausschliesslich auf das gleiche kleine Budget-Scheibchen. Die ganze Haushaltsdebatte ist eine Farce, schildert der Nobelpreisträger (2008) für Wirtschaftswissenschaften. Republikaner, die buchstäblich Lebensmittel aus dem Mund der Babys stehlen (Ernährungshilfe für schwangere Frauen und Kleinkinder werden gestrichen), stellen sich fälschlich als Defizit-Falken dar.

Donnerstag, 17. Februar 2011

Euro-Zone: Leistungsbilanz im Defizit

Einem aktuellen Bericht der Europäischen Zentralbank (EZB) nach hat die Leistungsbilanz der Euro-Zone im Dezember 2010 (November: 10,5 Mrd. Euro) saisonbereinigt ein Defizit von 13,3 Mrd. Euro ergeben. Das Defizit reflektiert laufende Übertragungen (8,2 Mrd. Euro), Erträge (4,4 Mrd. Euro) und Dienstleistungen (1,1 Mrd. Euro). Die Güter-Bilanz war laut EZB-Pressemitteilung nahezu ausgeglichen. Das Leistungsbilanzdefizit ist im Gesamtjahr 2010 auf 56,4 Mrd. Euro (2009: 51,4 Mrd. Euro) gestiegen. Das entspricht rund 0,6% des aggregierten BIP der gemeinsamen Euro-Zone.


Euro-Zone Zahlungsbilanz, Leistungsbilanz, Graph: EZB

Druckt die Fed nun Geld oder nicht?

In der Debatte, ob die Federal Reserve (Fed) derzeit Geld druckt oder nicht, kommt es vorerst darauf an, festzuhalten, was man unter „Geld“ (money) und „Gelddrucken“ (money printing) versteht. James Hamilton erklärt in einem lesenswerten Beitrag im Blog Econbrowser, dass die Leute, wenn sie von „Gelddrucken“ reden, zunächst an die grünen Noten mit Bildern der toten Präsidenten darauf denken. Die nachstehende Abbildung zeichnet die Wachstumsrate des Bargeldumlaufs im letzten Jahrzehnt. Hamilton hat dabei die Wachstumsraten über 2 Jahres- anstatt 1-Jahres-Intervalle ausgewählt, weil er (1) die Auswirkungen des abrupten Rückgangs der Geldmenge im Jahr 2008 auf diese Weise etwas ausgleichen will und (2) sowohl die ökonomische Theorie als auch die empirischen Befunde es nahelegen, dass es besser ist, die durchschnittlichen Wachstumsraten über längere Zeiträume zu verwenden, wenn man v.a. Geldmengenwachstumsrate als einen möglichen Inflationsindikator erfasst.


Wachstumsrate des Bargeldumlaufs in den vergangenen 10 Jahren, Graph: Prof. James Hamilton

Wie nah ist Amerika einer Haushaltskrise?

The Economist will wissen, wie nah Amerika einer Fiskal-Krise ist. Ökonomen antworten. Darunter Brad DeLong. Der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor liefert die folgende Abbildung und bemerkt, dass Amerika jetzt ein grosses kurzfristiges Defizit hat: „Wir sind immer noch in einem tiefen Abschwung und als Ergebnis liegen die Staatseinnahmen vorübergehend unter dem Trend und die Staatsausgaben vorübergehend über dem Trend. Aber das CBO prognostiziert in seinem aktuellen Ausgangswert, dass die Staatseinnahmen, wenn die Wirtschaft sich erholt, zunehmen und die Staatsausgaben abnehmen werden“, beschreibt DeLong. Die gepunktete Linie der Staatseinnahmen auf der Abbildung entspricht ab 2015 der Spitze der primären Staatsausgaben.


Staatseinnahmen und Primärausgaben, Graph: CBO via Prof. Brad DeLong

Mittwoch, 16. Februar 2011

Thema Ägypten und Fortschritte in Demokratie

Martin Wolf befasst sich in einem lesenswerten Essay („Egypt has history on its side“) in FT mit dem Thema Ägypten im Lichte des Demokratisierungsprozesses im Verlauf der Geschichte. Im Jahr 508 vor unserer Zeitrechnung war nach dem Sturz eines Tyrannen eine Demokratie in Athen gegründet. Wenn die Demokratie heute 2'519 Jahre alt ist, ist Ägypten wesentlich älter, es ist der älteste Staat auf dem Planeten, bemerkt der Chef Wirtschaftskommentator der britischen Zeitung. Das „Polity IV Projekt“ am Zentrum für Systemic Peace an der George Manson University präsentiert in einer Analyse der politischen Regimes von 1800 bis 2009, dass im Jahr 2009 92 von insgesamt 162 untersuchten Länder Demokratien sind, während nur 23 Länder Autokratien darstellen, gegenüber 89 im Jahre 1977. Ach! 47 Länder waren „anocracies“, d.h. fragile Staaten mit beiden Elementen einer Demokratie und Autokratie. Dennoch ist die Welt zum ersten Mal in der Geschichte überwiegend demokratisch.


Globale Trends in Staatsformen (1946-2008), blau: Demokratien, schwarz: „Anocracies“ und rot: Autokratien, Graph: Polity IV Country Reports 2008, George Manson University

Was ist die „neue normale“ Arbeitslosenquote?

Eine kürzlich von der San Francisco Fed vorgelegte Forschungsarbeit („What ist the new normal unemployment rate?“) sorgt für viel Stimmengewirr. Die Quintessenz ist, dass die „neue normale“ Arbeitslosenquote zwischen 6 und 7% liegen dürfte. Zur Zeit gibt es nur sehr wenige offene Stellen im Verhältnis zur Anzahl der Arbeitslosen. Paul Krugman liefert dazu die folgende Abbildung in seinem Blog. Es steht ausser Frage, dass es die Nachfrage ist, die auf Arbeitslosigkeit lastet. Was die Forschungsarbeit der San Francisco Fed andeutet, ist, dass wir jetzt angesichts der Höhe der Arbeitslosigkeit mit noch weniger Stellenangeboten rechnen müssen. Und das legt nahe, dass wir, wenn und wann die Wirtschaft sich erholt, Angebotsengpässen gegenüberstehen würden, und zwar früher als man denkt.


Stellenangebote im Vergleich zu Arbeitslosenzahl, Graph: Prof. Paul Krugman

Betrügerischer Lobbyismus in der „Forschung“ für Derivate

Eine neue Studie, die durch pro-Business Gruppen unterstützt wird, legt eine harte Haltung gegen die geplanten Bestimmungen in bezug auf den 600'000 Mrd. US-Dollar schweren Derivate-Markt an den Tag. Im Bericht, der am Montag veröffentlicht wurde, wird behauptet, dass die geplante Regulierung 130'000 Arbeitsplätze kosten und eine Kürzung der Unternehmensausgaben um 6,7 Mrd. US-Dollar verursachen würde, wie DealBook, NYT berichtet. Die Untersuchungsergebnisse sind sicherlich darauf ausgerichtet, um die Politiker zu erschrecken und öffentliche Unterstützung zu gewinnen, bevor die Finanz- und Regulierungsbehörden vor dem Kongress-Ausschuss am Dienstag aussagen. Die Studie wurde von Keybridge Research, einem scheinbar unabhängigen Wirtschafts- und Public Policy Beratungsunternehmen geleitet. Unternehmens bona fides schliesst All-Star-Kader Wissenschaftler wie Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, David Laibson, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Harvard University und Stephen Zeldes, Professer für Wirtschaftswissenschaften an der Columbia’s Graduate School of Business ein.

Dienstag, 15. Februar 2011

Sackgasse Wall Street

Die Deutsche Börse will die New York Stock Exchange (NYSE) kaufen. Die Schlagzeile hat in den USA für einen Aufruhr gesorgt, weil sie wichtige Trends in der amerikanischen Wirtschaft zu veranschaulichen scheint. Wie kann die kleine Frankfurter Börse es wagen, die altherwürdige amerikanische Börsenbetreiberin zu übernehmen? Amerikas Börsen geben aber weniger ab, wenn man einen genaueren Blick darauf wirft. In Wahrheit wird der Aktienmarkt zunehmend irrelevant. Ein Trend, der die Grundprinzipien des amerikanischen Kapitalismus bedroht, schreibt Felix Salmon in einem lesenswerten Kommentar („Wall Street’s Dead End“) in NYT. Heuzutage bedeutet ein gesunder Aktienmarkt nicht eine gesunde Wirtschaft, wenn man die hohe Arbeitslosigkeit oder die niedrige Erwerbsbeteiligungsrate betrachtet. Die Deutschen wollen die NYSE nicht wegen des standardisierten, hart umkämpften und ultra-niedrigen Aktien-Margengeschäftes erwerben, sondern, wegen der lukrativen Derivate-Transaktionen, bemerkt der angesehene Blogger der Nachrichtenagentur Reuters.

US-Haushaltspolitik: Präsident Obama will sparen

Der amerikanische Präsident Barack Obama will das Defizit des amerikanischen Staatshaushalts in den kommenden 10 Jahren um 1'100 Mrd. US-Dollar reduzieren. Dadurch soll das Defizit auf 3,2% des BIP fallen. Für das laufende Fiskaljahr rechnet die Obama-Administration mit einem Defizit von 1’645 Mrd. US-Dollar. Das entspricht rund 11% der Wirtschaftsleistung. Zwei Drittel der Einsparungen sollen mit der Kürzung von Ausgaben erreicht werden.

Es gab in den 1980er Jahren eine Karikatur (Washingtoon), in der Demokraten sich zusammentreffen, um ihren neuen zentristischen Strategieplan zu gestalten. Der Plan besteht aus Steuersenkungen für die Reichen, reduzierten Ausgaben für die Bedürftigen und einem grossen Verteidigungsbudget. „Wie unterscheidet sich das von dem Plan der Republikaner?“, fragt ein Mitglied der Gruppe. „Mitgefühl“, antwortet der Vorsitzender: „Wir kümmern uns um die Opfer unserer Politik“.


USA: Staatsausgaben, Graph: Prof. Paul Krugman

Credit Suisse begibt Contingent Convertible Bonds

Die Credit Suisse hat gestern angekündigt, die erste Tranche der sog. „Contingent Convertible“-Bonds (CoCo) zu begeben. Hintergrund: Der Vorschlag der Expertenkommission, dass die systemrelevante Banken rund die Hälfte des Grundkapitals in Form von CoCo-Bonds (bedingter Pflichtwandelanleihen) stellen sollen. Es handelt sich dabei um neue Kapitalinstrumente. Ein im Voraus definierter Auslöser (trigger) sorgt dafür, dass die Anleihe in Aktien gewandelt wird, wenn eine Kapitalquote (gemessen an den risikogewichteten Aktiven) unterschritten wird. Die von der CS angekündigten CoCo-Bonds im Volumen von 6 Mrd. CHF (rund 6,2 Mrd. $) sieht die Wandlung für den Fall vor, wenn die „Common Equity Tier 1 Ratio“ gemäss „Basell III“ unter 7% fällt. Die US-Dollar-Tranche wird mit 9,5% und die Schweizer Franken-Tranche mit 9,0% verzinst. Wer sind die Zeichner der CoCo-Bonds der CS? Arabische Investoren Katar Holding und Olayan Group. Es handelt sich dabei um bestehende Grossaktionäre, die jetzt die Möglichkeit haben, entweder gegen bar oder im Austausch für die im Jahr 2008 emittierte „Tier 1 Capital Notes“ (d.h. Hybrid) zu beziehen. Warum sollen die Investoren aber gutes Geld schlechtem hinterherwerfen? Zumal die Hybrid-Anleihen von den Regulierungsbehörden nicht mehr als Bankkapital anerkannt werden.

QEII: Eine Zwischenbilanz

Es sind jetzt genau drei Monate her, als die US-Notenbank mit der zweiten Runde der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik, die im Volksmund als QEII (quantitative easing II) bekannt ist, begonnen hat. Was hat sich seither geändert? Das Anleihe-Kaufprogramm der Fed läuft im Wesentlichen darauf hinaus, dass die US-Notenbank einige längerfristige US-Staatsanleihen kauft und diese bezahlt, indem sie Reserven schafft, welche sie mit Tagesgeldsatz verzinst. Aus James Hamiltons Sicht dienen die verzinslichen Reserven allen praktischen Zwecken einer Art Sicherheit wie kurzfristige Schatzwechsel. Der Netto-Effekt einer solchen Operation durch die Fed ist, die durchschnittliche Restlaufzeit der ausstehenden Schulden der Fed und des amerikanischen Schatzamtes zu reduzieren, erklärt Hamilton in einem lesenswerten Beitrag in Econbrowser. Eine Sicht davon, wie eine solche Operation auf die Wirtschaft auswirkt, ist, dass eine ausreichend grosse Abnahme des Angebots an langfristigen Staatspapieren zu einem Rückgang der langfristigen Renditen führt. In einer Forschungsarbeit zeigt Hamilton mit Cynthia Wu auf, dass die historischen Veränderungen der Struktur der Laufzeit mit Veränderungen der Steigung der Zinsstrukturkurve einhergehen.


Durchschnittliche Laufzeit der ausstehenden US-Treasury-Bonds, Graph: Prof. James Hamilton

Sonntag, 13. Februar 2011

Paul Krugman zu Axel Webers Abgang

Axel Weber hat am Freitag angekündigt, dass er sein Amt als Bundesbankchef zum 30. April aufgeben wird. Weber hat seinen Verzicht auf eine Kandidatur um den Posten des EZB-Präsidenten mit mangelnder Akzeptanz in der EU begründet. „Weber scheidet würdevoll aus dem Rennen“, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog. Es geht nicht um die Person, es geht um die Ansichten. Krugman ist daher froh, zu hören, dass (1) Weber das EZB-Amt nicht übernimmt und (2) der Grund, warum Weber aus dem Rennen scheidet, ist, dass die Entscheidungsträger in der Euro-Zone seine Sicht von Hard-Money nicht teilen.

Defizit-Falken und verkannte Fakten

Die Peter G. Peterson Foundation versucht mit der Fiscal Solutions Tour, das Interesse der Öffentlichkeit gegen Haushaltsdefizite und Staatsverschuldung zu wecken, und v.a. um Unterstützung für Massnahmen für drastische Kürzungen von Social Security und Medicare zu gewinnen. Die Tournee („Fiscal Wake-Up Tour“) kam am 9. Februar nach Texas. Die Mitwirkenden waren Robert Bixby, David Walker und Alice Rivlin. Weil Frau Rivlin eine alte Kollegin ist, ging auch James K. Galbraith hin. Der an der University of Texas lehrende Wirtschaftsprofessor fasst die Vorträge in wenigen, prägnanten Sätzen in einem lesenswerten Beitrag in New Deal 2.0 zusammen. Bixby beginnt mit der Beschreibung der öffentlichen Schulden als „das entscheidende Thema unserer Zeit“ und sagt, die Frage sei, „wie gross wir uns verschulden und wie wir sie uns leisten können?“. Er erklärt aber nicht, warum das so ist. Er unterlässt es, zu versuchen, die Verschuldung in Bezug auf die Finanzkrise zu vergleichen, oder die Arbeitslosigkeit, die Zwangsvollstreckungen und den Klimawandel. Seltsamerweise werden keine dieser Fragen von keinem der Referenten erwähnt.

Samstag, 12. Februar 2011

Weissbrot: Wie Inflation gebacken wird, oder auch nicht

Trotz der starken Preissprünge für Grundnahrungsmittel bleibt Fed-Präsident Ben Bernanke entspannt, was das allgemeine Bild von Inflation betrifft. Warum? Weil er zwischen „sticky“ (träge) und „flexible“ (beweglich) Preisen unterscheidet. Es kommt schliesslich auf die sticky (träge, klebrige) Preise an, die einem Sorgen machen müssten. Viele Berichterstatter, die seit geraumer Zeit den Teufel an die Wand malen, scheinen, nicht realisiert zu haben, welche geringe Rolle die Rohstoffpreise für die Verbraucherpreise (CPI) insgesamt spielen. Natürlich nicht Null. Ölpreise machen beispielsweise einen grossen Teil der Benzinpreise aus, was wiederum ein grosser Aufwand darstellt. Aber auch andere Dinge, die Verbraucher kaufen, auch wenn sie eine Rohstoff-Komponente zu haben scheinen, werden eigentlich hauptsächlich aus Arbeit und anderen Quellen der Wertschöpfung gefertigt, wie Paul Krugman in seinem Blog erklärt.

US-Staatsanleihen: Ausfallrisiko 0,05%

Es war einmal. Die Credit Default Swaps (CDS) auf US-Staatsanleihen pflegten um 2 Basispunkte zu schwanken. In Folge der globalen Finanzkrise sind die Spreads bis auf 100 Basispunkte geklettert. Gegenwärtig belaufen sie sich auf rund 40 Basispunkte. Die Wahrscheinlichkeit eines Ausfallrisikos für US-Treasury Bonds beträgt heute 20-mal grösser als im Frühjahr 2007. Stimmt es? Nicht unbedingt, schreibt Jerry Tempelman von Moody’s Analytics: Die CDS bestehen zumeist aus Faktoren, die mit dem Ausfallrisiko (default risk) nichts zu tun haben. Das „reine“ Ausfallrisiko, wie durch CDS-Spreads impliziert wird, beträgt derzeit 0,05% für einen Zeithorizont von einem Jahr und 0,12% für 5 Jahre, was zugleich mit dem „AAA“-Rating im Einklang steht.


CDS-Spreads und EDF-Metrics für US-Treasury Bonds, Graph: Moody’s Analytics