Donnerstag, 3. August 2017

Der neutrale Zinssatz und die Niedrigzinsen

Der sog. neutrale US-Zinssatz ist im II. Quartal so stark gefallen wie zuletzt im Jahr 2010, wie die Schätzung von Thomas Laubach (Fed Volkswirt) und John Williams (Fed Präsident San Francisco) impliziert.

Der theoretische Satz, der von Ökonomen als „r-star“ bezeichnet wird, ist auf -0,22% zurückgegangen, von 0,12% im I. Quartal 2017.

Da die Benchmark-Zinssatz der Fed, um die Inflation bereinigt, derzeit -0,35% beträgt, legt der neutrale Zinssatz gemäss dem Modell nahe, dass die Geldpolitik der Fed gegenwärtig heute auf einem „neutralen“ Stand ist.

Der neutrale oder natürliche Zins ist ein theoretisches Konstrukt, der für den realen Zins repräsentiert, der für das Wirtschaftswachstum und die Inflation weder stimulierend noch bremsend wirkt.

Es ist also das Zinsniveau, bei dem die Geldpolitik die Wirtschaftsaktivität weder stimuliert noch bremst und die Inflation im Zaum hält.

Das Niveau des neutralen Zinses ist über die Zeit variabel und kann nicht exakt bestimmt werden.


Der neutrale US-Zinssatz, Graph: Matt Boesler, Bloomberg TV


Bemerkenswert ist, dass das Gleichgewicht von Sparen und Investieren je nach der Analyse (realwirtschaftlich oder geldwirtschaftlich) unterschiedlich betrachtet werden kann.

Peter Bofinger und Mathias Ries erklären in einem lesenswerten Beitrag („Excess saving and low interest rates“) in voxeu, dass in der geldwirtschaftlichen Analyse verschiedene Gleichgewichte existieren und sogar an der Nullzins-Grenze (zero lower bound) ein Überschuss von geplantem Sparen gegenüber geplanten Investitionen nicht möglich ist.

Was die Autoren damit sagen wollen, ist, dass das Konzept des „natürlichen Zinses“, der Ersparnisse und Investitionen ausgleicht, für die geldwirtschaftliche Analyse nicht nützlich ist.

Das sind beachtenswerte Überlegungen vor dem Hintergrund der anhaltenden Debatte um die Frage, was die Ursachen für den weltweiten Fall der Zinsen sind.

Diejenigen, die auf die v.a. aus demographischen Gründen gestiegene Sparneigung hinweisen, legen die Loanable Funds-Theorie an den Tag.



Positiver Angebotsschock und negativer Nachfrageschock, Graph: Peter Bofinger und Mathias Ries in: „Sparschwemme und Niedrigzinsen“ Makronom, Aug 1, 2017.


Wichtig ist hierbei, sich vor Augen zu halten, dass Investitionen in der geldwirtschaftlichen Analyse durch Geld finanziert werden, das von Banken geschaffen oder von Individuen bereitgestellt wird.

Das heisst, dass das Geld die wirtschaftliche Aktivität erzeugt, nicht umgekehrt.

Das Sparen selbst also ist keine Voraussetzung für Investitionen, wie in der realwirtschaftlichen Analyse als erforderlich angenommen wird.





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