Samstag, 4. Oktober 2008

Aktienmarkt-Ausblick: Sentiment negativ – Gewinnrückgang am Horizont

Das Gute an einem Börsencrash ist, dass die Aktien infolgedessen billig werden. Das ist aber diesmal nicht der Fall. Die Dividendenpapiere sind gemessen am Kursgewinn-Verhältnis (KGV) nicht billig. Denn während der Kurs der Aktien fällt, sinken auch die Gewinne von Unternehmen. Ausserdem ist die Stimmung milde ausgedrückt nach wie vor sehr schlecht. Die Charttechnik ist negativ. Eine solide Bodenbildung ist nicht in Sicht. Die ausserordentliche Risikoaversion hält an. Es ist daher ratsam, in Aktien untergewichtet zu bleiben.


Dow Jones Index (1Y)

Es gab in der Vergangenheit viele Krisen wie z.B. der schlimme Crash von 1987. Aber noch nie hat die Unsicherheit so lange angehalten wie in der gegenwärtigen Krise. In diesem Marktumfeld zu investieren ist daher sehr schwierig. Jegliches Engagement ist mit Vorsicht zu geniessen. Man kann nur spekulieren. Das ist aber nicht empfehlenswert. Das Gebot der Stunde lautet deshalb: cash is king!

Freitag, 3. Oktober 2008

Collateralized Fund Obligations (CFO): Hedge Funds unter Druck

Der 30. September ist für Hedge Funds eine wichtige Deadline. Es geht um Rückkaufanträge von Investoren. Das heisst, dass die Hedge Funds für das Jahresende termingebunden sind. Je mehr Investoren ihre Anteile an die Hedge Funds zurückverkaufen wollen, desto grösser dürfte der Druck auf Funds-Manager wachsen, Vermögenswerte zu veräussern. Im Juli verbuchten Hedge Funds Abflüsse von rund 12 Mrd. Dollar. Die Performance seit Jahresbeginn lässt viel zu wünschen übrig. Laut Hedge Fund Research beträgt die Wertentwicklung dieses Jahr Minus 12 Prozent.


HFRX Equity Hedge Index; Hedge Fund Research

Re-Hypothecation Risiko steigt

Nouriel Roubini weist darauf hin, dass die Ratingagenturen zur Zeit die Collateralized Fund Obligations (CFO) unterstufen. Es handelt sich dabei um privatplatzierte strukturierte Anleihenprodukte, die durch einen Pool von Hedge Funds (aber auch von Private Equity Funds) besichert sind. Die CFOs sind m.a.W. forderungsgestützte Wertpapiere und sie basieren auf demselben Prinzip wie die Collateralized Debt Obligations (CDO). Die Laufzeit beträgt i.d.R. 2 bis 7 Jahre. Die Performance von Hedge Fonds sind für die Werthaltigkeit von CFOs entscheidend. Das Marktvolumen von CFOs beläuft sich auf ca. 2'000 Mrd. Dollar. Angesichts der dramatischen Verwerfungen an den Finanzmärkten erscheint es derzeit nicht ausgeschlossen, dass manche Hedge Funds demnächst ernsthaft ins Trudeln geraten könnten. Es gibt mehrere Dutzend Hedge Funds, deren Primer-Broker Konten bei der Pleitebank Lehman Brothers eingefroren sind. Der Betrag wird auf 50 bis 70 Mrd. Dollar geschätzt. Mehrere Hedge Funds haben ihre Wertschriften (auf Margin Accounts der Kunden) als Sicherheit verpfändet, welche Lehman als Kredite an andere Investoren vergeben hat. Das nennt man in der Finanzwelt „Re-Hypothecation“. Das bedeutet, dass jetzt mehrere Hedge Funds nach ihren Wertschriften fahnden. PWC, die Konkursverwalterin von Lehman in Grossbritannien macht dazu keine Angaben.

Mark-to-Market: Aussetzung der Bilanzierungsregel ist ein Skandal

Die Mark-to-Market Regel (gemäss FASB 157, „Fair Value“) besagt, dass der Preis eines Wertpapiers in einem liquiden Markt bestimmt wird. Zum Beispiel: Der Preis von Aktien und Staatsanleihen kommt nach dem Mark-to-Market Prinzip zustande.

Nun hat die amerikanische Finanzaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission, SEC) angesichts der dramatischen Verwerfungen am Finanzmarkt das Mark-to-Market Verfahren suspendiert. Demnach müssen die Banken ihre wertlosen Papiere (z.B. die hypothekarisch besicherten Anleihen, MBS) nicht mehr mit dem Marktwert verbuchen, sondern dürfen einen „Wert“ angeben, den sie als „entsprechend“ für die künftige Entwicklung des Marktes betrachten. Und die Banken dürfen die Verluste als „vorübergehend“ oder „dauerhaft“ klassifizieren.


Dow Jones Index (1Y)

Die Aufweichung der Bilanzierungsregeln versetzt die Banken in die Lage, den wahren Wert der besagten Papiere zu verschleiern. Die SEC hat damit die praktische Anwendbarkeit der Mathematik aufgehoben. Bemerkenswert: Am Mittwoch gab die SEC die Lockerung der Bilanzierungsregeln bekannt. Am Donnerstag teilte die Schweizer Bank UBS mit, nach vier Quartalen mit Milliardenverlusten infolge der Hypothekenkrise für das III. Quartal aufgrund vorläufiger Schätzungen einen kleinen Gewinn zu präsentieren. Die Details werden im November vorgelegt.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Graphic Storytelling and Visual Narrative

Buchbesprechung:*

Will Eisner: Graphic Storytelling and Visual Narrative. Principles and Practices From the Legendary Cartoonist. W. W. Norton, New York, London. 2008.


Der Begriff „Graphic Novel“ (grafischer Roman) ist auf Will Eisner zurückzuführen. Eisner hat die Entwicklung der Comicswelt im 20. Jahrhundert massgeblich geprägt. Seinen ersten Comic hat er (Jahrgang: 1917) 1933 in einer Schülerzeitung veröffentlicht. Ab 1936 zeichnete Eisner für die Zeitschrift Wow!. 1940 schuf er eine eigene Comic-Reihe „The Spirit“. Sein grandioses Buch „Ein Vertrag mit Gott“ publizierte der begnadete Zeichner und Geschichtenerzähler 1978. Eisner erhielt für seine Werke zahlreiche Auszeichnungen. Diese beiden Bücher basieren auf das Unterrichtsmaterial seines legendären Kursus an der New York’s School of Visual Arts.

Die Erstausgaben der Bücher waren von dem eigens von ihm geführten, kleinen Verlag „Poorhouse Press“ publiziert worden. Nun präsentiert das Verlagshaus W. W. Norton freundlicherweise die beiden Meisterwerke, die Generationen von Künstlern, Studenten, Lehrkräften und Fans inspiriert haben, in überarbeiteter und erweiterter Form in einem aus technischer Sicht tadellosen Zustand.

Comic gilt im wesentlichen als ein visuelles Medium von erfassten Bildern. Im ersten Band befasst sich Will Eisner mit der Aufgabe und dem Prozess der Geschichtserzählung. Wenn auch in erster Linie die Aussenwahrnehmung und die Aufmerksamkeit durch die künstlerische Darstellung zwingend erscheint, so gilt die Geschichte nach Ansicht von Eisner als die meist kritische Komponente in einem Comic. Er zeigt dies an einem breiten Spektrum von Arbeitsmethoden auf. Beispiele umfassen auch die Werke von anderen international hochgeschätzten Künstlern wie Art Spiegelman und Robert Crumb. Die Kunst von „Graphic Storytelling“ wird hier in Grundsätze umgegossen, sodass deren Studium jeden Comic Zeichner, Autor und Filmemacher brennend interessieren müsste.

Will Eisner: Comics and Sequential Art. Principles and Practices From the Legendary Cartoonist. W. W. Norton, New York, London. 2008.


Im zweiten Band beleuchtet Will Eisner den Konzeptentwurf, Grundsätze des Comics, einschliesslich die bildlichen Darstellungen, Perspektiven, Rahmen, Figuren im Raum usw. Es gelingt dem Autor fliessend, eindrücklich zu zeigen, wie sich Kunst und Literatur in der Comic-Welt überschneiden. Nach Eisner ist Comic als sequentielle Kunst zu verstehen. Kein Comic-Zeichner und kein Filmemacher auf der Welt kommt an diesen Standardwerken vorbei.

Cezmi Dispinar

* erscheint in der Ausgabe 206 von 3. Oktober 2008.

Mittwoch, 1. Oktober 2008

TED-Spread: Definition

Der TED-Spread ist zur Zeit in aller Munde. Es handelt sich dabei um die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel. Der Spread gilt als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt, wo sich Geschäftsbanken kurzfristig Geld ent- oder verleihen.

Hier ist eine sehr eindrückliche graphische Darstellung aus Econbrowser.


Quelle: www.econbrowser.com

Ein Anstieg des Aufschlags bedeutet, dass die Liquidität am Geldmarkt knapp ist. Ein Rückgang hingegen deutet auf eine Entspannung hin. Der TED-Spread, der im langfristigen Durchschnitt bei 0,47% liegt, kletterte heute auf 3,3372%. Das ist ein historischer Rekordwert.

Interbankenhandel vollkommen verfahren – Liquiditätsnöte wachsen

Der dramatische Anstieg der Kreditkosten für eine Laufzeit von einem Monat in Euro und Dollar hält an. Der Libor für Euro kletterte gestern auf 5,07%. Das ist ein All-Zeit-Hoch. Das Pendant für US-Dollar verharrt ebenfalls auf neuen historischen Höchstständen. Gestern schoss der Satz, zudem sich Banken untereinander Geld leihen, auf 6,88% hoch. Der TED-Spread sprang auf 3,3983%. Der Libor-OIS-Satz notiert auf 2,461%. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und dem 3-Monats-Swapsatz, der meist beachtete Stressindikator am Geldmarkt erreichte gestern mit 2,50% ein neues historisches Hoch. Obwohl die US-Notenbank (Fed) die FX-Swap Lines mit ausländischen Zentralbanken von 290 Mrd. Dollar auf 620 Mrd. Dollar erhöht hat und fast täglich Liquidität in den Markt schleust, ist der Geldmarkt zum Erliegen gekommen. Was ist zu tun?


Libor Euro 1-Month

Erstens: Die führenden Industrieländer könnten in einer konzertierten Aktion die Leitzinsen lockern. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die EUropäische Zentralbank (EZB) nicht mitmachen würde, da sie nach eigenen Angaben „nur eine Nadel im Kompass“ hat. Das heisst, sie kümmert sich nicht um Wachstum oder Finanzstabilität, sondern nur um Inflation. Die EZB hat darüber hinaus im September angekündigt, ab Februar für die Bereitstellung von Liquidität höhere Risikoabschläge („ Hair Cut“) zu verlangen.

Zweitens:Moral Suasion“. Die Zentralbanken könnten Wirtschaftssubjekte mittels Aufklärung und Empfehlung dazu veranlassen, die Kreditwirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Der Libor ist derzeit beinahe bedeutungslos geworden. Denn es finden kaum Ausleihungen für unsichere Wertschriften statt. Nouriel Roubini, Wirtschaftsprofessor an der New York University warnt davor, dass der nächste Schritt in dieser Panik-Kette so aussehen könnte. Die ausländischen Investoren verlieren das Vertrauen in das US-Bankensystem und lösen einen neuen Bank Sturm. Auch Kenneth Rogoff, Wirtschaftsprofessor an der Harvard University und der ehem. Chefökonom des IWF schlägt in dieselbe Kerbe. Es sei eine Frage des Vertrauens, dass die ausländischen Investoren in US-Staatspapiere investieren. Die US-Administration müsse aber dafür sorgen, dass die Kreditwürdigkeit des Landes aufrechterhalten bleibt.

Europäische Banken in der Krise: EZB hinter der Kurve

Während das 700 Mrd. Dollar schwere Rettungspaket für die amerikanischen Banken im US-Kongress gescheitert ist, bedroht die Kreditmarktkrise immer stärker auch die Finanzbranche Europas. Der DAX-Konzern Hypo Real Estate musste vom Staat vor dem Aus gerettet werden. Die Regierungen der Benelux-Staaten haben das belgische Finanzinstitut Fortis vor dem drohenden Kollaps abgewendet und nationalisiert. In Grossbritannien wurde die Hypothekenbank Bradford & Bingley verstaatlicht und zerschlagen. Eine andere britische Bank Northern Rock war bereits 2007 verstaatlicht worden. Die Regierungen von Belgien, Frankreich und Luxemburg haben Dexia 6,4 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, um die Bank vor dem Zusammenbruch zu retten. Nachdem sich immer längere Schlagen vor den irischen Banken auf den Strassen gebildet haben, hat der Staat beschlossen, für alle Einlagen bei den grössten Banken Irlands bis 2010 zu garantieren. Die Regierung Islands hat die drittgrösste Geschäftsbank,die Glitnir Bank verstaatlicht.


Euro-Dollar Wechselkurs

Die Finanzmarktkrise überrollt europäische Banken. Was macht die Europäische Zentralbank (EZB)? Hat die EU auch einen Rettungsplan wie das US-Schatzamt mithilfe der US-Notenbank (Fed)? Der US-Ökonom Nouriel Roubini fordert EU-Programm für Banken. Die EZB ist aber hinter der Kurve. Die europäischen Währungshüter beschäftigen sich lediglich mit dem Thema Inflation. Das Wachstum und die Finanzstabilität kümmern sie nicht. Die Verluste der europäischen Banken belaufen sich laut Bloomberg bisher auf 235 Mrd. Dollar. Und dem steht ein Kapital von 164 Mrd. Dollar gegenüber. Die verfahrene Lage der europäischen Finanzbranche zeigt sich darin, dass der Euribor (für 1-Monat) gestern auf einen Rekordstand von 5,05% gestiegen ist. Unternehmen aus der zweiten Reihe melden, dass sie Aufträge verlieren, weil ihren Kunden die Kredite von Banken storniert werden. Nach jüngsten Umfragen des Ifo-Instituts trübt sich das Kreditklima in allen Segmenten der Wirtschaft ein. Kreditmarktkrise greift damit auf die deutsche Realwirtschaft über. Die EZB bleibt engstirnig und unternimmt nichts.