Mittwoch, 28. September 2011

Deflationsrisiko

Der anhaltende Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) birgt Deflationsrisiken, weil die Erholung der Wirtschaft nach einer Bilanz-Rezession (balance sheet recession) i.d.R. schwach erfolgt. Zum Teil aus dem Grund, weil der Schuldenabbau die Wirksamkeit der Geldpolitik dämpft.

Der gegenwärtige Konjukturzyklus in den entwickelten Volkswirtschaften passt zu der Vorlage. Anzeichen mehren sich, dass das Augenmerk sich in der entwickelten Welt derzeit nach der Deflationsgefahr richtet.

Das Risiko dürfte wesentlich zunehmen, wenn es im Jahr 2012 zu einer erneuten Rezession käme, schreibt Gerard Minack, Morgan Stanley in einer aktuellen Forschungsarbeit (The Deflation Risk) und liefert eine Reihe von anschaulichen Abbildungen, die die makroökonomischen Daten in Japan in den 1990er Jahren mit denen von Europa und den USA in Vergleich stellen.


Das BIP pro Kopf ist tiefer gefallen als in Japan, Graph: Gerard Minack, Morgan Stanley

Japan stellt ohne Zweifel die Leitlinien für das Deflationsrisiko in Europa und in den USA bereit. Das Risiko ist heute im Vergleich zum Vorjahr auf beiden Seiten des Atlantiks höher. Warum? Weil (a) die Erholung der Wirtschaft in den entwickelten Volkswirtschaften schwächer ausgefallen istals erwartet, und sowohl Europa als auch die USA heute der Möglichkeit einer erneuten Rezession gegenübersehen, und (b) die Entscheidungsträger die Fehler der Japaner trotz Mahnungen zu wiederholen scheinen, wie Paul Krugman in seinem Blog mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, v.a. was die vorzeitige Straffung der Fiskalpolitik betrifft. Darüber hinaus  setzt die EZB die Geldpolitik der ultimativen Absurdität durch die zweimalige Erhöhung der Zinsen in der Euro-Zone auch in diesem Jahr fort.


Die realen kurzfristigen Zinsen sind schneller gefallen als in Japan, Graph: Gerard Minack, Morgan Stanley

(1) Die anfänglichen Kursverluste der Vermögenswerte waren in der Great Recession schwerer als in Japan in der ersten Abschwungsphase (beginnend im Juni 1991). Das gilt für den Immobilien- und den Aktienmarkt.

(2) Die Rezession war 2008 und 2009 wesentlich tiefer als in den frühen 1990er Jahren in Japan. Dies dürfte erklären, warum die anfängliche Erholung in den USA und Europa stärker (obwohl schwach im historischen Vergleich) vonstatten gegangen ist, als in Japan. Das amerikanische BIP pro Kopf verbleibt heute deutlich tiefer als der Höchststand. Japan hat in dieser Hinsicht keinen Rückgang erfahren.

(3) Die Inflationsraten sind in beiden Zyklen gefallen. In vergleichbaren Phasen weisen Japan, die USA und Europa eine Kerninflation um den Wert 1 bis 1,5% auf. Träte eine erneute Rezession ein, würde die Kerninflation im nächsten Jahr weiter fallen.

(4) Die Antwort der Politik war in der Great Recession aggressiver, im Einklang mit der Schwere des Abschwungs. Allerdings sind die realen kurzfristigen Zinsen in den USA und in Europa tiefer gesunken. Auch die langfristigen Zinsen sind in den USA und in Europa heute niedriger als die japanischen langfristigen Zinsen in der vergleichbaren Phase des Zykluses.

(5) Die Haushaltsdefizite sind in den USA und in Europa höher als in Japan in der vergleichbaren Phase der Krise.


Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes hat sich verlangsamt, Graph: Gerard Minack, Morgan Stanley

Fazit: Der anfängliche Abschwung in Japan war milder als die Great Recession. Wichtig ist, dass japanische Erfahrung nahelegt, dass die Geldpolitik in einem Deleveraging-Zyklus weniger wirksam ist. Der Punkt ist nicht das Angebot an Kredit, sondern die Nachfrage nach Kredit. Die Parallelen sind heute eindeutig. Die Fiskalpolitik wird heute in einer Reihe von Industrieländern, einschliesslich der USA, Italien, Frankreich und Grossbritannien zurückgefahren. Wenn Japan eine angemessene Vorlage bietet, dann gilt es, festzuhalten, dass die Fiskalpolitik wirksam ist, während die Geldpolitik an Zugkraft verliert.


Fiscal Stimulus hat in Japan funktioniert, Graph: Gerard Minack, Morgan Stanley

Es gibt auch Auswirkungen für die Investoren:

Deflation ist ein grösseres Risiko als Inflation.

Wenn die Deflation sich intensiviert, würden die Staatsanleihen eine Outperformance aufweisen. Die Breakeven-Inflationsraten würden weiter fallen.

Die Aktien haben mit Wachstum zu tun. Das japanische Konjunkturpaket war der Auslöser für die Rally am japanischen Aktienmarkt.

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