Sonntag, 19. August 2018

Ersparnis = Investitionen


Eine der bekanntesten ökonomischen Gesetzmässigkeiten, die in den meisten Fachbüchern für die Volkswirtschaft vorgestellt wird, ist die Gleichung „I=S“, 

d.h. Ersparnis = Investition, wobei „S“ auf private Haushalte zurückzuführen ist, während „I“ von Unternehmen geleistet wird.

Die folgende Abbildung von Makroskop zeigt, dass der allgemein unterstellte Zusammenhang in vielen grössten Volkswirtschaften heute nicht mehr gegeben ist.

Heiner Flassbeck hat bereits vor mehreren Jahren darauf hingewiesen, dass der in den führenden Industriestaaten vorherrschende Grundsatz der neoklassischen Lehre, wonach der Staat das Problem und der Markt die Lösung sei, mit Fokus auf „fiscal austerity“ und „debt brake“ (die neuerdings von der „schwarzen Null“-Politik tatkräftig begleitet wird) mit deflationären Kräften zum Scheitern verurteilt ist.

Ohne Zweifel ist das „Phänomen sparender Unternehmen“ eine neue Herausforderung sowohl für die Theorie als auch für die Praxis, wie Paul Steinhardt von Makroskop mit Nachdruck unterstreicht.

Kurzum: Unternehmen halten sich heute mit Investitionen in Sachanlagen zurück und sie sind sogar mittlerweile zum Netto-Sparer geworden.


Finanzierungssalden von Unternehmen und Haushalten in Deutschland: beide sind netto-Sparer, Graph: Paul Steinhardt in: Makroskop, Aug 17, 2018.


Einzelwirtschaftlich mag es einen Sinn machen, wenn das eine Unternehmen spart, indem es seine Kosten senkt (z.B. die Löhne drückt). So kann es seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbessern. 

Das einzelwirtschaftliche Denken ist aber für die Gesamtheit falsch („fallacy of composition“; Trugschluss der Verallgemeinerung). Denn die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen. Wettbewerbsfähigkeit ist ein relatives Konzept: nicht alle können gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden.

Wenn ein einzelner Zuschauer im Stadion aufsteht, um seine Sicht zu verbessern, kann seine Rechnung aufgehen, aber nicht, wenn alle Zuschauer (gleichzeitig) aufstehen.



Deutschland: Produktivität versus real Löhne, Graph: Makroskop, Aug 17, 2018.


Wenn die Löhne der Produktivität entsprechend nicht steigen, verfügen die privaten Haushalte über wenig Geld. Wenn es an Nachfrage mangelt, investieren die Unternehmen nicht. 

Die Nachfragelücke, die Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit auslöst, wird in Deutschland seit Jahren durch das Ausland (das sich verschuldet) geschlossen. Das deutsche BIP würde sonst schrumpfen. (*)

Denn wie wir der folgenden Abbildung entnehmen können, weisen die privaten Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand in Deutschland jeweils einen Überschuss im Finanzierungssaldo. 

Das heisst, dass alle drei Sektoren sparen. Es muss daher andere Länder geben, die sich stärker verschulden, um das globale Gleichgewicht wiederherzustellen.


Finanzierungssalden der Wirtschaftssektoren in Deutschland, Graph: Makroskop, Aug 17, 2018.


Nun ist es eine Tatsache, dass die deutschen Güter und Dienstleistungen nicht nur vom Ausland, sondern auch von privaten Haushalten und dem Staat nachgefragt werden. 

Hätten sich die Löhne nach der goldenen Formel „Produktivität + Zielinflationsrate“ (der EZB, die ja für die Geldpolitik im Euroraum verantwortlich ist) entwickelt, hätten private Verbrauche mehr Geld zur Verfügung. Und sie hätten daher mehr deutsche (oder auch ausländische) Waren kaufen können.

Fazit: Die Sparwut der deutschen Unternehmen lastet ohne Zweifel auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und beeinträchtigt damit die Konjunktur.

Und wie lässt sich das Phänomen der sparenden Unternehmen anpacken?

Der Staat muss mehr ausgeben und in Deutschland müssen die Löhne steigen.


(*) Zur Erinnerung: Deutschlands BIP hängt mit 50% vom Export ab.

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