Samstag, 13. September 2014

Inflation-Kult und Politik

Jesse Eisinger schreibt im Deal Book von NYTimes, dass die Menschen, die ständig eine galoppierende Inflation vorhersagen, „wahre Gläubiger“ sind: Ihr Glaube an einer vorausgesagten Apokalypse bleibt bestehen, auch wenn ihre Vorhersage kläglich scheitert.

Paul Krugman stimmt in seiner lesenswerten Kolumne („The Inflation Cult“) am Freitag in NYTimes zu: Die bemerkenswerte Sache ist, dass diese Experten, die immer fehlschlagen, und nie Zweifel zeigen, weiterhin einen grossen politischen Einfluss auf die Öffentlichkeit ausüben.

Es ist etwas los hier, so Krugman. Was es ist, ist nicht ganz klar. Der am Graduierten Zentrum der City University of New Yorker (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor hat in seinem Blog mehrmals darauf hingewiesen, wie die Reichen dazu neigen, sich gegen die easy money-Politik zu stellen, was sie als Widerspruch zu ihren eigenen Interessen betrachten. Aber das erklärt nicht die breite Anziehungskraft der Propheten, die mit ihren Prophezeiungen kläglich versagen.

Zum Teil ist die Anziehungskraft eindeutig politisch. Es gibt einen Grund, warum: Paul Ryan warnt vor einer Währungsabwertung und davor, dass der Staat umverteilt, von den „Machern“ zu den „Abnehmern“. 

Inflation-Kultanhänger verbinden die Geldpolitik der Fed immer mit Beschwerden über die Staatsausgaben. Sie liegen völlig falsch, was die Details betrifft, so Krugman. Nein, die Fed drückt nicht Geld, um das Haushaltsdefizit zu decken. Aber es ist wahr, dass die Regierungen, deren Schulden in der Landeswährung denominiert sind, über mehr fiskalpolitische Flexibilität verfügen, um Gegenmassnahmen zu treffen, wenn es notwendig wird.

Und der Zorn gegen die „Abnehmer; der Zorn, der viel mit ethnischen und kulturellen Aspekten zu tun hat, geht noch tiefer, legt Krugman dar. Viele Menschen empfinden eine Affinität mit denjenigen, die über drohende Inflation schimpfen.

Das Fortbestehen des Inflation-Kults ist laut Krugman ein Beispiel der „Affinität-Arglist“, was für viele Betrüger entscheidend ist, wenn Investoren einem Hochstapler vertrauen, weil er ihrem Stamm anzugehören scheint. In diesem Fall betrügen die Bauernfänger sich selbst genauso wie ihre Anhänger. Aber darauf kommt es ja kaum an.

Diese Stammesgehörigkeit in Sachen Inflation hilft, die schiere Wut zu erklären, der man gegenüber steht, wenn man auf die vorhergesagte Hyperinflation hindeutet, die nirgends zu sehen ist. Es ist vergleichbar mit der Reaktion, die man auslöst, wenn man auf die Obamacare hinweist, mit der Bemerkung, dass sie funktioniert. Es hat wahrscheinlich die gleichen Wurzeln, so Krugman weiter

Wie sieht es aber mit Ökonomen aus, die auf der Welle des Inflation-Kults reiten? Es sind alle Konservativen. Aber sind sie nicht Profis, die die empirische Beweise der politischen Bequemlichkeit vorziehen sollten? Offenbar nicht.

Das Fortbestehen des Inflation-Kults ist daher ein Indikator dessen, wie die amerikanische Gesellschaft polarisiert wurde, und wie alles politisch wird, sogar unter denen, die über solche Sachen stehen sollten. Und diese Wirklichkeit, im Gegensatz zu der angeblichen Gefahr von galoppierender Inflation ist etwas, was einen erschrecken sollte, hält Krugman als Fazit fest.

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