Freitag, 19. Oktober 2012

Deleveraging im Bankensektor Europas


Die EZB redet von financial fragmentation. Wie sieht es aber inzwischen auf dem Kreditmarkt in Europa aus? Wie kommen die Banken im Euro-Raum mit dem Schuldenabbau (deleveraging) voran? Wie lässt sich eine mögliche Erholung messen? Welche unterschiedliche Entwicklungen zeichnen sich zwischen dem Kern und dem Rand der Euro-Zone ab?

Was ins Auge sticht, ist, dass das Kredit-Einlagen-Verhältnis (loan-to-deposit-ratio, d.h. Darlehen dividiert durch Einlagen) inzwischen von einem Spitzenwert von 137% im Jahr 2008 auf 120% gesunken ist. Die Gründe liegen aber auf der Hand: der stetige Zufluss von Einlagen und Schrumpfung der Kreditvergabe.

Der Trend von Vermögenswerten und Krediten entwickelt sich jedoch in verschiedenen Ländern Europas sehr vielfältig. Was auffällt, ist die Zunahme der Einlagen im Kern der Euro-Zone. Gesamte Vermögenswerte sind per Ende des zweiten Quartals 2012 annualisiert um 6,9% gewachsen, was mit Daten-Erhebung der EZB übereinstimmt.

Von einem releveraging kann aber keine Rede sein. Das Wachstum der Vermögenswerte (assets) ist zum grössten Teil durch einen Anstieg der Liquidität getrieben. Vor allem ist die Cash-Position im Banken-System um annualisiert 62% auf 500 Mrd. Euro gestiegen, was sicherlich eine Folge von LTROs ist.


Norden-Süden Spaltung in Europa mit Blick auf Kredite und Einlagen, Graph: Serena Tang, Morgan Stanley

Die Quellen dieses Wachstums variieren auch. Wie in der ersten Abbildung deutlich zu sehen ist, wurde das Wachstum der Vermögenswerte im Kern der Euro-Zone durch eine Zunahme des Liquidität-Puffers getrieben, während die Banken an der Peripherie ihre Vermögenswerte durch einen zunehmenden Bestand an Staatsanleihen und Cash vorangetrieben haben.

Im Gegensatz zum lauwarmen Kreditwachstum bleibt der Zufluss von Einlagen noch bestehen. Gesamte Einlagen sind im Kern annualisiert um 2% auf 14'000 Mrd. $ gestiegen. Auch in den Ländern, die der Euro-Zone nicht angehören, wie Norwegen, Schweden, Grossbritannien und der Schweiz sind die Einlagen weiter angestiegen, irgendwie zu Lasten der Peripherie.


Kredit-Einlagen-Verhältnis in Europa, Graph: Serena Tang, Morgan Stanley

Die Fortschritte im europäischen Bankensystem setzen sich nach der Finanzkrise fort, und zwar den Erfahrungen der Banken-Systeme in anderen Regionen, insbesondere dem japanischen Beispiel im Kreditumfeld folgend, halten die Analysten von Morgan Stanley fest. Das heisst, dass es ein mehrjähriger Prozess des Schuldenabbaus noch bevorsteht.

Core Tier 1“-Quoten der westeuropäischen Banken sind per Ende des zweiten Quartals sind von 10,1% vor einem Jahr auf 10,7% gestiegen. Im Vergleich: US-Bankensystem: 10,8%.

TCE/TA“-Quoten (tangible common equity to tangible assets) der westeuropäischen Banken haben sich von 4,1% vor einem Jahr auf 4,2% verbessert. Im Vergleich: US-Bankensystem: 7,2%.


Kapitalquoten im Unterschied in Europa, Graph: Serena Tang, Morgan Stanley

Die Kapitalquoten verstreuen sich jedoch um den westeuropäischen Durchschnitt, was als ein weiteres Anzeichen dafür gilt, dass das Bankensystem sich ungleichmässig erholt. Die Banken in den Niederlanden und der Schweiz mögen im Monitor im Hinblick auf „Core Tier 1“ stärker erscheinen, aber gemessen an der „TCE/TA“-Basis sehen sie nur durchschnittlich aus. Die Banken in Frankreich und in Deutschland weisen hingegen  tiefere Kapitalquoten als die westlichen Banken im Durchschnitt. Aber sie geniessen Unterstützung der öffentlichen Hand, was zu den Stärken der Banken gezählt wird.

Bemerkung: Die Analysten haben für diese Forschungsarbeit mehr als 240 Banken und Finanzinstitute in Westen Europas untersucht, mit insgesamt einem Vermögenswert von rund 37‘000 Mrd. Euro.

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